Hans-Heinrich Dieter

Effektive Bekämpfung somalischer Piraten ( 30.12.2011 )

 

Seit 2008 versucht die Europäische Union, Handelsschiffe am Horn von Afrika mit Kriegsschiffen auf hoher See vor Piratenangriffen zu schützen. Die Operation Atalanta , an der auch Deutschland beteiligt ist, war bisher allerdings sehr wenig erfolgreich. Die Seegebiete vor Somalia sind weiter das gefährlichste Piraten-Revier der Welt. 2011 griffen die somalischen Verbrecher 230 Schiffe an, 26 davon konnten gekapert und entführt werden.

Die somalischen Piraten lassen sich mit ihren kleinen Booten und ihrer leichten Bewaffnung von den auf hoher See kreuzenden, waffenstarrenden Fregatten der internationalen Marinen nicht einschüchtern. Denn Piraterie vor Somalia ist aus Sicht der cleveren und mutigen Piraten wenig risikobehaftet und sehr chancenreich. Sie operieren meist von Piraten-Mutterschiffen aus und sind so logistisch gut organisiert und flexibel in ihrer Taktik. Die Piratenführer sitzen an Land in Küstenstreifen, die der staatlichen Kontrolle entzogen sind. So fällt es den Piraten relativ leicht, die Großmächte zu blamieren und Piraterie relativ unbehelligt als lukratives Geschäft zu betreiben.

Es ist deswegen gut, dass die EU die Initiative ergreift, um das Ãœbel „Piraterie vor Somalia“ effizienter zu bekämpfen. Nachdem 2010 bereits beschlossen worden war, aktiver gegen Piraten-Mutterschiffe auf hoher See vorzugehen, sollen nun gemäß F.A.Z. von der EU Pläne zur "Zerstörung von Piratenlogistik am Strand" erarbeitet werden. Verteidigungsminister de Maizière hat bei einem Truppenbesuch am Horn von Afrika auf diese Planungen hingewiesen, von einem möglicherweise zu erweiternden Mandat gesprochen, das dann allerdings nicht als Show, sondern wirkungsvoll umgesetzt werden muss. Das seit Dezember 2011 gültige Bundestagsmandat erlaubt deutschen Seestreitkräften, eine Fregatte mit 220 Marinesoldaten, bisher nur Operationen auf See.

Derzeit ist nur bekannt, dass durch die EU unter der, vom Verteidigungsministerium bestätigten, sehr eingeengten Ãœberschrift  "Zerstörung von Piratenlogistik am Strand" ein Konzept erarbeitet wird. Man hat keine Kenntnis über Zielsetzungen möglicher Operationen, über Inhalte eines Konzeptentwurfes wird bisher nur oberflächlich spekuliert und selbstverständlich muss ein solches Konzept, wenn es denn vollständig erarbeitet ist, von der EU genehmigt werden. Außerdem müssen die beteiligten Staaten die Teilnahme ihrer Streitkräfte an solchen Operationen über ein entsprechendes Mandat regeln und vor allem auch die erfolgreiche Ausführung solcher Aufträge personell und materiell gewährleisten. Nicht zu vergessen, Somalia muss solchen kriegerischen Handlungen  auf seinem Staatsgebiet nach Art und Umfang zustimmen. Da werden sich noch viele Wellen an den Stränden und Küsten Somalias brechen, bis derartige Operationen konkret werden können.

Die in der Weihnachtspause  etwas überraschten und aufgeschreckten deutschen Sicherheitspolitiker reagieren sehr unterschiedlich, allerdings alle auf der Grundlage von Spekulationen und bruchstückhaften Informationen. Der CDU-Politiker Schockenhoff sieht zunächst dem Ergebnis der Prüfung der EU-Kommission gelassen entgegen und meint: "Nicht jede teilnehmende Nation muss sich auch an allen Operationen beteiligen." und "Die Frage ist dann: Welche Fähigkeiten werden gebraucht, und wer kann diese zur Verfügung stellen?" Frau Hoff, FDP, ist eher skeptisch und meint, ein Einsatz an Land sei eine "heikle Sache", sie befürchtet eine Eskalation. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, verwahrt sich gegen die Planung von "Abenteuern" auf europäischer Ebene. Ein "klares operatives Konzept" sei für ihn nicht zu erkennen, sagt Arnold. Und die Drahtzieher der Piratenangriffe säßen auch nicht "am Strand, sondern in ihren Villen irgendwo im Hinterland". Wie sollte Herr Arnold ein klares operatives Konzept erkennen, wenn es dieses Konzept noch nicht gibt? Recht hat er allerdings mit der Feststellung, dass die eigentlichen Organisatoren und Verantwortlichen für das Verbrechen Piraterie im somalischen Hinterland sitzen. Wirkungsvolle Operationen müssten dementsprechend weitaus tiefer, über die Zerstörung von am Strand gelagertem Material für Piratenzwecke hinaus, geführt werden. Und der Grüne Nouripour  hält die bisher bruchstückhaft bekannten Ãœberlegungen für "blanken Wahnsinn".

In solchen Spektren - sinnvoll, wenig sinnvoll bis dumm - wird in Deutschland Sicherheitspolitik gemacht bzw. auf der Grundlage von Spekulationen bereits zerredet.

Dabei ist es nun wirklich höchste Zeit, dass die EU die Initiative ergreift und alle Mittel nutzt, um das Ãœbel „Piraterie vor Somalia“  zu beseitigen. Dazu müssten die Einsatzrahmenbedingungen und die Handlungen der ATALANTA-Teilnehmerstaaten noch besser abgestimmt, offensive Piratenjagd auf See verstärkt, Piratenmutterschiffe als logistische und Kommando-Basis erfolgreicher unbrauchbar gemacht, Piraten-Material an von Piraten kontrollierten Küstenabschnitten sowie Piratenstützpunkte an Land – z. B. mit einer multinationalen Task-Force aus Spezialkräften – angegriffen und Piraten am Auslaufen aus den bekannten Seeräuberhäfen sowie von Strandabschnitten gehindert werden. Ein sinnvolles Konzept geht also sehr viel weiter als der von Nouripour so bezeichnete, vermeintliche "blanke Wahnsinn", über den zurzeit spekuliert wird.

Ein solcher Ansatz ist natürlich nur sinnvoll, vertretbar und erfolgversprechend, wenn erforderliche Anwendung von militärischer oder polizeilicher Gewalt an Land im Zusammenwirken mit somalischen Verantwortungsträgern geschieht und diese Maßnahmen begleitet werden von einer massiven politischen und finanziellen Aufbauhilfe für Somalia durch die internationale Staatengemeinschaft.

Piraterie darf nicht nur defensiv verhütet, sondern Piraterie muss aktiv und offensiv verhindert werden! Wenn das Konzept vorliegt, sollten unsere Sicherheitspolitiker - sine ira et studio - darüber nachdenken und diskutieren. Hoffentlich kommen sie dann zu dem Schluss, dass Steuergelder sinnvoller und effizienter eingesetzt werden können, als für sehr wenig erfolgreiches Kreuzen auf hoher See mit Minimalmandat.

(30.12.2011)

 

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