Hans-Heinrich Dieter

Petersberg II   (11.11.2011)

 

Das ist eine Meldung, wie gemacht für den Auftakt der fünften Jahreszeit im Rheinland.

Informationen der Nachrichtenagentur dapd zur Folge werden die Taliban wahrscheinlich an der Bonner Afghanistan-Konferenz am 5.12.2011 teilnehmen. Aus Kreisen des afghanischen Geheimdienstes National Directorate of Security (NDS) war allerdings einschränkend zu hören, dass die Islamisten "nur verdeckt vertreten sein", aber "intern zu Verhandlungen zur Verfügung stehen" werden.

Bei Petersberg II, ziemlich genau zehn Jahre nach Petersberg I, geht es um Afghanistan 2014 nach Abzug der Kampftruppen der internationalen Staatengemeinschaft. Die Zeit ist knapp, angesichts der Sicherheitslage in Afghanistan zu knapp, aber die afghanische Regierung will natürlich als Veranstalter die Konferenz für die 90 Delegationen mit etwa 100 Teilnehmern aus aller Welt zum "Erfolg" werden lassen. Und wie sind Frieden und Sicherheit in Afghanistan nach 2014 ohne die Taliban vorstellbar? Ohne Taliban keine erfolgreiche Konferenz, deswegen kommt die Ankündigung der, wenn auch "verdeckten" und deswegen etwas skurril anmutenden, Teilnahme von "gemäßigten Taliban" zumindest für die oberflächliche Betrachtung gelegen.

Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Michael Steiner, hat dann auch dem Verteidigungsausschuss erklärt, es werde sich um gemäßigte Kräfte handeln und nicht um solche, die noch in Kampfhandlungen verwickelt seien, und die Organisatoren der Konferenz hätten "nichts dagegen, wenn auch diese Seite dabei wäre". Das sagt an sich alles über die zu erwartende Qualität dieser Konferenzteilnehmer und ihrer Beiträge.

Die Taliban, "die noch in Kampfhandlungen verwickelt" sind, sind die einflussreichen islamistischen Aufständischen und Terroristen und die haben weder Interesse noch Zeit, an Petersberg II teilzunehmen. Sie haben in vielen Regionen die Initiative und steigern die Gewaltanwendung gegen die Bevölkerung sowie hochrangige Regierungsvertreter und haben sich in letzter Zeit durch spektakuläre Anschläge auch gegen US-Einrichtungen und die ISAF hervorgetan. Nach UN-Berichten hat die Anzahl der Zusammenstöße und Selbstmordanschläge bis August bereits um über ein Drittel im Vergleich zu 2010 zugenommen. Und Fachleute sind sich einig, dass die neu aufgebaute afghanische Armee und die Polizei noch weit davon entfernt sind, nach 2014 Ordnung aufrechterhalten und Sicherheit gewährleisten zu können. Deswegen sind die Bedenken im Hinblick auf die Zeit nach 2014 unter afghanischen und internationalen Fachleuten groß. NATO- Generalsekretär Rasmussen fordert deswegen wiederholt: „Von der Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember in Bonn muss das Signal ausgehen, dass wir die Afghanen und ihre Nachbarn nicht allein lassen werden." Die Politiker der internationalen Staatengemeinschaft beharren allerdings auf der Feststellung, dass es nach 2014 nur noch Training und Weiterbildung, aber keinen Militäreinsatz, geschweige denn Kampftruppen geben werde. Die islamistischen und radikalen Taliban, die Macht und Einfluss haben, sowie militärische und terroristische Mittel für ihre Ziele einsetzen können, und das sind über 30.000, werden die Konferenz im Dezember 2011 genau beobachten, die Ergebnisse analysieren und ihre Zeit bis 2014 entsprechend nutzen, ohne sich zu verausgaben. Ihre Ziele werden sie erst nach 2014 vollständig erreichen wollen.

Petersberg II wird politisch als "historisch" und erfolgreich verkauft werden. Die "verdeckt" - weil um ihr Leben fürchtend - an der Konferenz teilnehmenden "gemäßigten Taliban" werden zu diesem "politischen Erfolg" keinen substantiellen Beitrag geleistet haben.

Reale Sicherheit und Frieden wird es in Afghanistan nur zusammen mit den wirklichen Taliban geben. Dazu müssen sie niedergekämpft sein oder von sich aus der Gewalt abschwören und  aus freien Stücken an Verhandlungen über Frieden und Zukunft Afghanistans  in Afghanistan teilnehmen.

Die Fachleute machen sich also wohl begründet große Sorgen um Afghanistan nach 2014, Petersberg II hin oder her.

(11.11.2011)

 

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