Hans-Heinrich Dieter

PESCO   (14.11.2017)

 

Als im November 2016 bei einem Außen- und Verteidigungsministertreffen der EU das Projekt einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit von EU-Staaten gestartet wurde, konnte ich mir angesichts des Zustandes der zerstrittenen und ziemlich handlungsunfĂ€higen EU nicht vorstellen, dass Deutschland und 22 andere EU-Staaten gestern in BrĂŒssel ein Dokument unterzeichnen wĂŒrden, das zu einer weitgehenden militĂ€rischen Zusammenarbeit verpflichtet. In der sicherheitspolitischen Sprache handelt das Dokument von einer „Permanent Structured Co-operation“ kurz PESCO (auf Deutsch: StĂ€ndige Strukturierte Zusammenarbeit). Und mit der Unterzeichnung des Dokuments verpflichten sich 23 EU-Staaten – nicht mit im Boot sind DĂ€nemark und Großbritannien, Irland, Malta und Portugal -  auch zur Einhaltung von 20 ziemlich konkreten Teilnahmebedingungen, wie zum Beispiel eine regelmĂ€ĂŸige Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die Beteiligung an gemeinsamen RĂŒstungsprojekten und die Bereitstellung von Soldaten fĂŒr die KrisenreaktionskrĂ€fte der EU.

Politiker und viele Medien bewerten das positiv bis euphorisch. Es ist von einem „Meilenstein in der Geschichte der EU“ die Rede, von einem „Grundstein fĂŒr eine EuropĂ€ische Sicherheits- und Verteidigungsunion“ und die EinschĂ€tzung „historisch“ darf natĂŒrlich auch nicht fehlen. Und es ist ja auch wirklich positiv, wenn sich nach jahre- oder gar jahrzehntelanger ergebnisloser Diskussion der grĂ¶ĂŸte Teil der EU-Staaten tatsĂ€chlich durchgerungen hat, in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik enger zusammenarbeiten zu wollen. Denn die Notwendigkeit und die Vorteile einer vertieften militĂ€rischen Zusammenarbeit auch der EU-Staaten liegen ja auf der Hand. Außerdem wird Europa so etwas unabhĂ€ngiger von den USA. Freuen wir uns also ĂŒber einen ersten kleineren Schritt in die richtige Richtung!

Aber so vernĂŒnftig dieser Schritt auch ist, haben wir es bei dem gestern gefassten Beschluss eher mit einer AbsichtserklĂ€rung der teilnehmenden EU-Staaten zu tun, als mit einem verpflichtenden Dokument, das den Grundstein fĂŒr eine EuropĂ€ische Sicherheits- und Verteidigungsunion mit einer eigenstĂ€ndigen VerteidigungsfĂ€higkeit auf der Grundlage einer gemeinsamen EU-Armee – oder auch Armee der EuropĂ€er – legt. Davon ist die EU noch sehr sehr weit entfernt, auch weil die politischen Ziele und tragfĂ€hige Konzepte noch fehlen.

An AbsichtserklĂ€rungen hat es bei der EU noch nie gemangelt. Seit 1999 redet die Union von der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), spĂ€ter Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), ohne dass eine gemeinsame Zielsetzung und ein politisches Konzept fĂŒr deren Umsetzung entwickelt worden wĂ€re. Jetzt sollen KrisenreaktionskrĂ€fte der EU aufgebaut werden – die EU verfĂŒgt aber schon sehr lange ĂŒber EU-Battle-Groups, die noch nie eingesetzt wurden. Jetzt sollen EU-gemeinsame Waffensysteme entwickelt und EU-gemeinsame, auch multinationale KampfverbĂ€nde oder auch Stabilisierungstruppen entwickelt und aufgebaut werden. Das ist nur effizient, wenn diese Waffensysteme gemeinschaftlich verfĂŒgbar sind und die EU- KampfverbĂ€nde verbindlich gemeinsam eingesetzt werden können. Dazu gehört dann, dass die teilnehmenden Staaten Teile ihrer SouverĂ€nitĂ€t aufgeben und Deutschland zum Beispiel auf den Parlamentsvorbehalt verzichtet. Und nicht umsonst ist eine der jetzt formulierten konkreten Bedingungen, dass die Verteidigungsausgaben regelmĂ€ĂŸig erhöht werden sollen, denn wenn man EU-gemeinsame, auch multinationale KampfverbĂ€nde mit gemeinschaftlich verfĂŒgbaren gemeinsamen Waffensystemen, einschließlich der Ausbildung, der Infrastruktur und der Logistik hat, dann kann kein Teilnehmerstaat seine StreitkrĂ€fte zum „Sanierungsfall“ kaputtsparen. Bisher sind es daher gute und richtungsweisende Worte, hinsichtlich der gemeinsamen und erfolgreichen Taten ist Skepsis berechtigt!

Da ist es gut, dass die „stĂ€ndige strukturierte Zusammenarbeit“, die im Dezember 2017 starten soll, mit vergleichsweise einfachen Teilprojekten wie der Einrichtung von gemeinsamen SanitĂ€tskommandos oder der Einrichtung von gemeinsamen Logistikdrehscheiben fĂŒr den Transport von Truppen und AusrĂŒstung beginnt. Aber auch solche Einrichtungen mĂŒssen letztendlich europĂ€isch-gemeinsam funktionieren und das klappt nur, wenn kein Mitgliedstaat Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Beteiligung an EinsĂ€tzen hat, auch dann nicht, wenn es innenpolitisch oder militĂ€risch gefĂ€hrlich wird. Deswegen muss unser neu gewĂ€hltes Parlament „PESCO“ so bald wie möglich intensiv diskutieren, damit Deutschland die angedachten „Schritte in die richtige Richtung“ auch mit parlamentarischer RĂŒckendeckung und ins Auge gefassten und erforderlichen verfassungsrechtlichen Änderungen geht.

Bundesaußenminister Gabriel sprach von einem „Meilenstein der europĂ€ischen Entwicklung“. Die geplante Zusammenarbeit sei ein „großer Schritt in Richtung SelbststĂ€ndigkeit und StĂ€rkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU“. Wenn diese europĂ€ische Entwicklung nationalen Egoismus reduziert, militĂ€rische Kleinstaaterei ĂŒberwindet und wirkliche sowie politisch ehrlich gewollte solidarische Zusammenarbeit hervorbringt, dann hat Europa eine Chance. Angesichts der globalen Bedrohungen und der aggressiven Politik des neuen „Gegners“ Russland sind nationale europĂ€ische Staaten immer weniger in der Lage, fĂŒr ihre Sicherheit zu sorgen. Hier kann die EU zukĂŒnftig in ErgĂ€nzung zur NATO Gutes leisten. Eine eigene VerteidigungsfĂ€higkeit wird die EU in den nĂ€chsten zwei Jahrzehnten nicht erreichen, denn die einzige Nuklearmacht in der EU ist zukĂŒnftig Frankreich mit marginalen FĂ€higkeiten im Vergleich zu Russland und den USA.

Auch wenn PESCO erfolgreich sein sollte, bleibt die NATO mittelfristig der einzige glaubwĂŒrdige und handlungsfĂ€hige Garant der Ă€ußeren Sicherheit und Verteidigung Europas – und deswegen brauchen wir unverĂ€ndert die USA als Partner!

(14.11.2017)

 

Bei Interesse am Thema lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/eu-illusionen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/armeedereuropaeer.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/eu-armee.html

 

 

nach oben

 

zurĂŒck zur Seite Klare Worte