Hans-Heinrich Dieter

Personalstrategie   (02.12.2016)

 

Die Bundeswehr hat Rekrutierungsprobleme, die sich in den nächsten Jahren aufgrund der demographischen Entwicklung noch verstärken werden. Da ist es angebracht, dass Verteidigungsministerin von der Leyen eine Personalstrategie entwickelt hat, um die Bundeswehr über gezielte Personalgewinnung zu einem „wettbewerbsfähigen, modernen und attraktiven Arbeitgeber“ zu entwickeln.

Die überhastete Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht vor fünf Jahren hat die Rekrutierung von qualifiziertem Nachwuchs deutlich erschwert. Im militärischen Bereich fehlen vor allem Spezialistinnen und Spezialisten; besonders betroffen sind die Laufbahnen der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes sowie zunehmend auch der Fachunteroffiziere in technischen und informationstechnischen sowie sanitätsdienstlichen Bereichen. Der Bedarf an IT-Spezialisten ist besonders hoch. Der Wehrbeauftragte Bartels meint dazu: „Im Juni 2016 hatten wir die kleinste Bundeswehr aller Zeiten.“

Zur erfolgreicheren Personalbedarfsdeckung wurde im Mai 2016 eine „Trendwende Personal“ eingeleitet, „die keine starren personellen Obergrenzen, sondern einen atmenden Personalkörper vorsieht, der sich in der Größe und Qualität flexibel an den jeweiligen tatsächlichen Aufgaben und damit am Bedarf orientiert.“ Ein erster Hauch von Erfolg ist zu verzeichnen. Von den im März offenen 700 militärischen und zivilen Stellen als IT-Administratoren sollen bereits 67 Prozent besetzt sein.

Die Trendwende Personal wird nun ergänzt durch die Personalstrategie, die mit Zeithorizont 2025 personalstrategische Ziele formuliert, aus denen sich Stoßrichtungen und Teilziele ableiten lassen, mit denen sich die Bundeswehr auch dauerhaft als „sinnstiftender und qualifizierender Arbeitgeber“ in Position bringen will, der bestrebt ist „- wo immer möglich –, die Anforderungen des Dienstes mit familiären und privaten Aspekten sowie den individuellen Lebensphasenihrer Beschäftigten in Einklang zu bringen.“

Um das dringend benötigte Personal zu gewinnen, will die Bundeswehr offenbar verstärkt Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss anwerben, die ihren Abschluss parallel während der Dienstzeit nachholen können, wenn sie sich als Zeitsoldat verpflichteten. Die Verpflichtung als Zeitsoldat soll bis zur Dauer von 25 Jahren möglich werden. Es soll außerdem künftig auch über 30-jährigen Quereinsteigern möglich sein, sich als Feldwebelanwärter zu verpflichten. Darüber hinaus sollen mehr Frauen für den Dienst als Soldat gewonnen werden. Auch Bürgern aus anderen EU-Staaten soll künftig eine Soldatenkarriere in der Bundeswehr möglich sein. Dazu müssen allerdings erst die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Es ist unzweifelhaft, dass die Bundeswehr nur einsatzfähig gehalten werden kann, wenn qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl gewonnen wird. Das gelingt derzeit - mit Abstrichen - noch. Die demographische Entwicklung, die zunehmende Zahl von Abiturienten, die nicht studierfähig sind und die stark wachsende Zahl von jungen Menschen ohne Schulabschluss sowie ohne Ausbildungsfähigkeit trotz Schulabschluss macht es in Verbindung mit der starken Konkurrenz der Wirtschaft erforderlich, alle tauglichen Möglichkeiten der Personal-Bedarfsdeckung auszuloten.

Es darf aber bezweifelt werden, dass die hochtechnisierte Bundeswehr von jungen Menschen ohne Hauptschulabschluss hinreichend profitiert, wenn erst langwierig und kostspielig der Abschluss nachgeholt werden muss, um dann die jungen Soldaten für eine Berufsausübung in der Bundeswehr zusätzlich zu qualifizieren - wenn das überhaupt möglich ist. Wenn die Bundeswehr so zu einem Sammelbecken von „abgehängten“ Bürgern wird, die es normal mit Hilfsarbeiterniveau in den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen, dann ist sie weder „wettbewerbsfähig“ noch „attraktiv“.

Sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Dienst von anderen EU-Bürgern als Soldat der Bundeswehr geschaffen werden, dann muss die Auswahl an definierte Qualifikationen gebunden sein. So muss die deutsche Sprache vor Dienstantritt in Wort und Schrift hinreichend beherrscht werden und ein qualifizierter Berufsabschluss nachgewiesen sein. Ein Sprachengewirr von EU-Bürgern, die es in ihren Heimatländern auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht geschafft haben, im Dienst als Soldaten der Bundeswehr ist der Einsatzfähigkeit aber auch der Attraktivität der Truppe abträglich.

Über 30-jährige Quereinsteiger können Personalprobleme lindern, wenn sie besonders gut qualifiziert sind. Wer aufgrund seiner Qualifikation eine feste Anstellung mit Perspektive bei einem renommierten Arbeitgeber hat, wird wohl nicht zu Streitkräften mit weltweiten Einsatzverpflichtungen wechseln wollen. Auch hier ist die Gefahr groß, weniger qualifiziertes Personal zu verpflichten und dann nicht nur in militärische Ausbildung investieren zu müssen.

Die Bundeswehr sollte darüber hinaus auch nicht vordringlich als attraktiver Arbeitgeber gesehen werden, der einen Job und Qualifizierung bietet, sondern als Dienstherr mit hoheitlichen Aufgaben, der gegebenenfalls mit seinen Soldaten das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes verteidigen will und kann. Deswegen muss auch Personal gewonnen werden, das den fordernden Dienst als deutscher Soldat bestmöglich leisten will und kann. Und dafür müssen auch „Spezialisten“ psychisch und physisch voll geeignet sein.

Junge qualifizierte Bürgerinnen und Bürger, die Soldat werden wollen, verpflichten sich nur in modernen, einsatzfähigen Streitkräften und nicht in einer kaputtgesparten Bundeswehr, die von einigen als „Sanierungsfall“ bezeichnet wird, bei dem teilweise nur 30 Prozent des kampfentscheidenden Großgerätes einsatzklar ist. Da muss die Bundeswehr stark an sich arbeiten, sonst röchelt der „atmende Personalkörper“ und die „personalstrategische Stoßrichtung“ führt nicht ans Ziel.

(02.12.2016)

 

 

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