Hans-Heinrich Dieter

Parlamentarische Trauerspiele   (04.06.2019)

 

In der vergangenen Woche mussten die deutschen Bürger gleich mehrfach parlamentarische Trauerspiele ihrer Volksvertreterschar erdulden.

  1. Der Deutsche Bundestag platzt aus allen Nähten. 598 Abgeordnete sind die Regelgröße des Parlamentes. Demgegenüber besteht die heutige Volks-vertretung bereits aus 709 Abgeordneten. Damit ist der heutige Bundestag der vom Umfang – nicht von der Leistungsfähigkeit – her größte in der Geschichte der Bundesrepublik und eines der größten Parlamente der westlichen Welt. Nach Ermittlungen des Bundesrechnungshofes kostet der Bundestag 2019 über 970 Millionen Euro, also fast eine Milliarde. Und bei der nächsten Wahl ist – ohne Wahlrechtsreform – zu erwarten, dass der Umfang der Sitze bei 800 liegen wird, mit entsprechenden Kostensteigerungen. Ursache dieser sehr kostenträchtigen Unwucht sind die Ãœberhangmandate, die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr eigentlich an Sitzen nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen würden. Das muss geändert werden. Schon der frühere Bundestagspräsident Lammert ist mit dem Versuch einer tragfähigen Reform kläglich gescheitert. Nun trifft dieses unrühmliche Schicksal auch den neuen Präsidenten Schäuble. Der hatte angekündigt, dass er ein erneutes Scheitern einer Reform „nicht zulassen will“. Dennoch konnte die aus den Bundestagsparteien gebildete Reformkommission sich nicht einigen. Auch der persönliche Vorschlag des Präsidenten Schäuble fand keine Mehrheit. Damit ist auch diese Wahlrechtsreform gescheitert. Die Volksvertreter haben sich erneut als kompromissunfähig erwiesen und gezeigt, dass sie nicht willens sind, die eigene Machtfülle und den eigenen Einfluss zugunsten der Steuerzahler auf ein vernünftiges Maß zurückzuschneiden. Das wird die ohnehin schon erhebliche Politikerverdrossenheit weiter steigern.
     
  2. Nach dem AfD-Abgeordneten Glaser wurde auch die AfD-Politikerin Harder-Kühnel im dritten Wahlgang erneut nicht zur Bundestags-Vizepräsidentin gewählt. Nach der Geschäftsordnung des Bundestages steht jeder Fraktion eine Vertretung im Bundestagspräsidium zu. Andererseits haben die Volksvertreter ein freies Wahlrecht und das haben 423 Abgeordneten gegen die AfD-Kandidatin Mariana Harder-Kühnel unbescholtene Rechtsanwältin und Mutter dreier Kinder, eingesetzt. Ich wähle die AfD aus mehreren Gründen nicht, halte dieses Verfahren allerdings für politisch unklug, menschlich unfair und undemokratisch. Politisch unklug ist es, die AfD in einer Opferrolle zu unterstützen. Menschlich unfair ist es, eine unbescholtene Abgeordnete in AfD-Sippenhaft zu nehmen, nur weil sie die Wähler einer Partei vertritt, die man nicht mag. Und wenn man Frau Harder-Kühnel einem fairen Vergleich mit der sehr schrillen grünen Vizepräsidentin ohne Berufsabschluss, Claudia Roth, unterziehen würde, müsste man nach objektiven Kriterien zu einem eindeutigen Votum kommen. Undemokratisch ist das Verhalten der 423 Abgeordneten, weil sie gewählte Volksvertreter pauschal „ausgrenzen“ und damit natürlich auch die Bürger, die sie gewählt haben. Und diese Parlamentarier halten sich noch für besonders vorbildliche und moralisch höherstehende Demokraten. Und auf dieser Wolke schwebt Lars Klingbeil, der Generalsekretär der SPD, der am Mittwoch twitterte, die Unterstützung des CDU-Fraktionschefs Brinkhaus für die Kandidatin Harder-Kühnel sei „ein Schlag ins Gesicht für alle Demokraten, die im Plenum gegen Hass und Hetze der AfD kämpfen“. Da sollte sich der Herr Sekretär erst einmal kritisch mit der eigenen Partei auseinandersetzen,  denn die ehemals stolze Proletarier-Partei SPD hat in ihren Reihen einige Proleten wie Schulz und Kahrs, die zu wenig intelligent sind, um sich in der Sache erfolgversprechend mit der AfD auseinanderzusetzen, ja die sich der Diskussion verweigern und sich mehr und mehr angstgetrieben auf Beleidigungen, Verunglimpfungen, Verleumdungen und auf widerliche demokratiebeschmutzende Hasstiraden beschränken. Mit der sehr unvernünftigen Nichtwahl von Frau Harder-Kühnel haben diese Abgeordneten dem Ansehen des Bundestages geschadet.
     
  3. Zum 70-jährigen Jubiläum des transatlantischen Bündnisses haben die Bundestagsfraktionen von Union und SPD einen Antrag für ein klares deutsches Bekenntnis zur NATO zur Abstimmung vorgelegt: Deutschland soll das Verteidigungsbündnis noch mehr stärken und sich klar zur NATO „als Rückgrat der transatlantischen Sicherheit“ bekennen. Bei Diskussion und Aussprache zu diesem Antrag waren viele Abgeordnete der GroKo nicht anwesend und als es zu einer Abstimmung über den eigenen Antrag kommen sollte, fehlten so viele Abgeordnete der CDU/CSU und der SPD, dass die Beschlusskraft des Bundestags fraglich zu sein schien bzw. keine eindeutige Mehrheit absehbar war. Bundestagsvizepräsident Oppermann musste daraufhin die anwesenden Abgeordneten zur Teilnahme an einem Hammelsprungverfahren aufrufen. Da fragt man sich doch ernsthaft, welch schlechter Qualität nicht wenige Volksvertreter sein müssen, wenn sie offensichtlich sicherheitspolitisch uninteressiert, parteipolitisch desinteressiert und pflichtvergessen ihrer parlamentarischen Verantwortung nicht nachkommen. Eindrucksvoller kann man sich nicht selbst für ungeeignet erklären! Aber wen wundert das bei einem Parlament, das seine „Parlamentsarmee“ zu einem „Sanierungsfall“ herunterspart?

Das vielfältige Politikversagen und die unzureichende Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollpflichten des Bundestages gegenüber der Regierung sind Bürgern mit gesundem Menschenverstand nicht mehr positiv zu vermitteln.

(06.04.2019)

 

Bei Interesse an der Thematik:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/erneutesversagen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/parlamentarischesversagen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/hass-politiker.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/politikerhetze.html

 

 

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