Hans-Heinrich Dieter

Nukleare Modernisierung   (17.06.2015)

 

Die USA haben den Vorschlag gemacht, militärische Ausrüstung, darunter auch Panzer und Infanterie-Gefechtsfahrzeuge, in NATO-Staaten Ost- und Südosteuropas zu stationieren. Die USA wollen damit einen Beitrag zur Abschreckung Russlands vor Aggressionen gegen europäische Staaten leisten. Der Vorschlag soll auf dem NATO-Verteidigungsministertreffen in Brüssel diskutiert werden.

Noch ist es ein Vorschlag und die NATO hat die Planung bisher weder diskutiert noch bestätigt und schon droht Putin wegen der geplanten Verstärkung der amerikanischen Militärpräsenz in Osteuropa mit erheblichen Konsequenzen. Er kündigt an, noch in diesem Jahr mehr als 40 Interkontinental-Raketen anzuschaffen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. In den Medien wird natürlich sofort die Frage gestellt: "Zwingt die NATO Russland zu einem neuen Wettrüsten?" Die Ultra-Linke Wagenknecht übernimmt diese Diktion natürlich liebend gerne. Ischinger sieht momentan auf beiden Seiten "militärische Muskelspiele", die unnötig und gefährlich seien. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zeigt sich besorgt über das "Säbelrasseln" zwischen Russland und der NATO und meint, man müsse ernst nehmen, dass Russland glaube, sich verteidigen zu müssen.

Das zeigt einmal mehr, auf welch niedrigem Niveau in Deutschland sicherheitspolitisch argumentiert und diskutiert wird. Wenn die USA in den baltischen Staaten und in Polen militärisches Gerät jeweils für Hundertschaften, insgesamt für 5.000 Soldaten, auslagern wollen, dann verletzen sie dadurch nicht die NATO-Russland-Grundakte und bringen lediglich zum Ausdruck, dass sie die Sorgen der baltischen und osteuropäischen Verbündeten vor einer russischen Aggression ernst nehmen und das schnelle Verlegen der NATO-Speerspitze und der NATO-Response-Force im Bedarfsfall erleichtern wollen. Wir erinnern uns: Russland hatte zeitweise 40.000 Soldaten direkt an die Grenze der Ukraine verlegt, von dort aus die Separatisten und Terroristen in der Ostukraine personell und materiell unterstützt und so das Nachbarland destabiliert. Und Putin hat mit unangekündigten Manöveraktionen erheblichen Ausmaßes die verbrecherische Annexion der Krim vorbereitet.

Wenn man sich nun die "erheblichen Konsequenzen" Putins hinsichtlich einer als Signal wichtigen aber militärisch marginalen geplanten Vorausstationierung von NATO-Gerät vor Augen führt, dann wird deutlich, wie unsinnig und unzutreffend die Unterstellungen seitens deutscher Politiker und Medien sind. Auf eine geplante marginale Vorausstationierung von konventionellem Material hin droht Putin mit nuklearen Gegenmaßnahmen und da ist die Rede von offensichtlich vergleichbaren "militärischen Muskelspielen" beider Seiten und von der offensichtlich ja aggressiven NATO, die Russland zum Wettrüsten zwingt!

Und da verbreitet sich natürlich sofort "German Angst". Dabei ist die Anschaffung der 40 nuklearfähigen Interkontineltalraketen Teil des ohnehin bis 2020 geplanten russischen Modernisierungsprogramms. Auch die USA modernisieren derzeit ihr Arsenal und achten - auch nach Überwindung des Kalten Krieges - genau wie Russland darauf, dass das "Gleichgewicht des Schreckens" auf ziemlich hohem Niveau aufrecht erhalten wird. Dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zufolge handelt es sich also nicht um Wettrüsten, sondern um "umfassende und teure langfristige Modernisierungsprogramme" beider Staaten.

Putin droht deswegen eigentlich hauptsächlich, um seine zunehmend nationalistische Bevölkerung propagandistisch zu beruhigen und den Eindruck zu erwecken, Russland habe noch einen Rest verblichener Größe. Und die deutsche Öffentlichkeit fällt darauf herein!

Da trifft es die Tatsachen schon eher, wenn NATO-Generalsekretär Stoltenberg von einem "nuklearen Säbelrasseln" Russlands spricht. Und natürlich wird die NATO diese russische Überreaktion mit verstärkter Wachsamkeit beobachten und die derzeitige Sicherheitspolitik konsequent weiterführen, ohne es an der Bereitschaft zu Gesprächen mit Russland fehlen zu lassen, wenn sie erfolgversprechend erscheinen.

Die Sanktionen sind verlängert und Russland geht es wirtschaftlich ziemlich schlecht. Auf der Grundlage einer realistischen Lagebeurteilung kann selbst der autokratische Kreml-Herrscher Putin kein Interesse an einem Rüstungswettlauf haben - den Russland erneut verlieren würde. Angesichts der vielen Krisen in der Welt wäre es für alle Seiten besser, nuklear erheblich abzurüsten und in der Krisenbewältigung konstruktiv zusammenzuarbeiten. Die Bereitschaft Russlands zu konstruktiver Zusammenarbeit ist derzeit aber weder im UN-Sicherheitsrat noch bei irgendeiner Krisenbewältigung zu beobachten. Solange sich Russland als Gegner des Westens begreift und entsprechend handelt, muss die westliche Welt sich gegen jegliche mögliche Aggression Russlands wappnen.

(17.06.2015)

 

 

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