Hans-Heinrich Dieter

NATO an die Außengrenzen   (23.03.2014)

 

Putin ist im Machtrausch und schafft auf der Krim unaufhaltsam Fakten. Die Europäische Union ist sich einig, dass es eine militärische Option zur Lösung der Ukraine-Krise für den Westen nicht gibt. Umso mehr muss sie konsequent die beschlossenen Sanktionsstufen aufrufen, gegebenenfalls verstärken und darf vor Wirtschaftssanktionen, die auch eigene Nachteile zur Folge haben können, nicht zurückschrecken. Nur wenn Russland sich in seiner wirtschaftlichen Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt sieht, wird Putin einlenken, denn er braucht westliche Investitionen und eine ausgewogene Handelsbilanz für die Verwirklichung seiner neoimperialistischen Pläne. Das alles wird die Krim nicht zur Ukraine zurückbringen, aber die westliche Welt kann angesichts der gravierenden Rechtsbrüche auf lange Zeit nicht zur alten Tagesordnung übergehen.

Mit dem Russland putinscher Prägung ist Kooperation und „Wandel durch Annäherung“ in nächster Zeit nur eingeschränkt und konditioniert möglich. Deswegen muss Putin vor weiteren Völkerrechtsbrüchen abgeschreckt und das Vertrauen unserer Partner und Verbündeten mit Grenzen zu Russland gestärkt werden. Verteidigungsministerin von der Leyen spricht sich folgerichtig in einem SPIEGEL-Interview für eine stärkere Rolle der Nato aus: "Jetzt ist für die Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die Nato Präsenz zeigt". Polen und die baltischen Staaten kennen die Russen aus Sowjetzeiten sehr genau und sie verfolgen die Politik Putins illusionslos, mit nüchternem Blick und berechtigtem Argwohn. Deswegen geht es hier nicht um Säbelrasseln und Umzingelung des russischen Imperiums. Es geht darum deutlich zu machen, dass die NATO nicht zusehen darf, kann und will, wenn die Souveränität und die Integrität des Staatsgebietes eines NATO-Verbündeten ggf. beeinträchtigt wird. Der Artikel 5 des NATO-Vertrages ist da eindeutige Richtlinie. Solche Abschreckungsmaßnahmen müssen glaubhaft sein und das erfordert eine stärkere Präsenz von NATO-Truppen auf dem Territorium unserer osteuropäischen Partner.

Frau von der Leyen ist da in guter Gesellschaft mit US-Vizepräsident Biden, der bei seinem jüngsten Polen-Besuch klar zum Ausdruck gebracht hat, dass Polen und die sonstigen Nato-Alliierten in Osteuropa sich einig seien, "dass die östliche Flanke der Nato gestärkt werden muss". In diesem Zusammenhang hat sich Washington zu einer stärkeren Präsenz von US-Streitkräften in Osteuropa positiv geäußert, aber darauf verwiesen, dass Details noch zu klären seien. Das ist ein Indiz dafür, dass die USA ihre zurückhaltende Außenpolitik korrigieren und zukünftig weitaus machtbewusster auftreten werden. Eine glaubwürdige Abschreckung aber bedarf auch glaubwürdiger Signale. Das wird sicher auch Thema beim G7-Treffen am Rande eines Atomgipfels in Den Haag sein.

Sanktionen und Abschreckungsmaßnahmen müssen allerdings begleitet werden durch politische und diplomatische Aktivitäten zur Deeskalation der Ukraine-Krise. Die OSZE-Beobachtermission ist ein sehr positiver Anfang. Die EU muss nun alles daran setzen, die wirtschaftliche Situation der Ukraine zu stabilisieren und sie muss die vereinbarte politische Unterstützung darauf konzentrieren, einen demokratischen Prozess voranzutreiben, der ein von der Mehrheit des Volkes getragenes Parlament sowie eine legitimierte Regierung und einen neuen Präsidenten zum Ergebnis hat.

(23.03.2014)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte