Hans-Heinrich Dieter

NATO-Gipfel in Warschau   (09.07.2016)

 

Der NATO-Gipfel in Warschau bestätigt die stringente und konsequente Sicherheitspolitik des westlichen Verteidigungsbündnisses seit dem Gipfel von Wales vor zwei Jahren. Damals hat die NATO auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland, die Destabilisierung der Ukraine durch Putins hybride Kriegsführung und auf die durch Putin dadurch initiierte faktische Beendigung der Partnerschaft mit der westlichen Welt reagiert.

Der NATO-Russland-Rat wurde eingefroren. Die schnelle Eingreiftruppe der NATO wurde deutlich verstärkt und deren Einsatzbereitschaft erhöht. Die Luftüberwachung an der NATO-Ostflanke wurde intensiviert, die Übungstätigkeit der NATO-Truppen in Osteuropa wurde ausgeweitet und die Verstärkung der NATO-Truppen-Präsenz in Osteuropa wurde vorbereitet. Parallel dazu haben die USA die Inbetriebnahme des US-Raketenabwehrsystems in Rumänien vorbereitet. Die eindeutige Ursache für diese reaktive Politik waren die Aggressionen Russlands.

Gleichzeitig haben die NATO und die westliche Welt an der Doppelstrategie - Abschreckung und Dialog - festgehalten. Die Ukrainediplomatie, mit Schwerpunkt auf Realisierung des Minsker Abkommens, läuft unter Führung Deutschlands und Frankreichs mit moderatem Tempo aber bisher wenig erfolgreich. Der deutsche OSZE-Vorsitz bemüht sich um neue Perspektiven der west-östlichen Zusammenarbeit. Der Nato-Russland-Rat ist wiederbelebt worden - aber leider hat Russland es abgelehnt, dass der Rat noch vor dem Nato-Gipfel tagt. Der Nato-Generalsekretär macht regelmäßig seine Angebote an Russland, das "Wiener Dokument" und andere Rüstungskontrollmechanismen zu erneuern, um Transparenz und Stabilität zu erhöhen und spricht regelmäßig mit dem russischen NATO-Botschafter und gelegentlich mit Außenminister Lawrow. Putin hingegen sieht sich als Gegner des Westens und ist derzeit nicht dialogfähig.

In einer Regierungserklärung hat Kanzlerin Merkel einen Tag vor dem NATO-Gipfel in Warschau die Pläne der NATO hinsichtlich einer verstärkten Militärpräsenz in Osteuropa dankenswerterweise verteidigt. Merkel machte allein Russland für den Vertrauensverlust in Europa verantwortlich. In der Ukraine-Krise sei das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen in Worten und Taten in Frage gestellt worden. Die östlichen NATO-Mitglieder bedürften daher der eindeutigen Rückversicherung durch die Allianz. Zugleich betonte die Kanzlerin aber auch, dass die Hand zum Dialog mit Russland ausgestreckt bleibe. Leider hat es Merkel versäumt, darauf hinzuweisen, dass die beleidigende und diffamierende Rhetorik des deutschen Außenministers im Zusammenhang mit der NATO-Manövertätigkeit in Osteuropa im Gegensatz zur deutschen Regierungspolitik steht und sowohl der NATO als auch Deutschland schadet.

Putin und sein Propagandaapparat sprechen natürlich von „antirussischer Hysterie“ und von aggressiven Aktionen der NATO. Und die russophile, kommunistische Linken-Fraktionschefin Wagenknecht verstärkt die russische Propaganda, wenn sie im Bundestag von sich gibt, Moskau habe keine andere Wahl, als das Verschieben der Grenze in Richtung Osten als Kriegsvorbereitung zu sehen.

Dagegen helfen nur Fakten. Seit 2013 hat Russland eine ganze Serie von militärischen Ãœbungen in Größenordnungen zwischen 65- und 115.000 Mann in Grenznähe unserer osteuropäischen Partner durchgeführt. Eine dieser Ãœbungen hatte die Einnahme von Warschau als Ãœbungsziel. Der russische Verteidigungsministers Schoigu hat im Januar 2016 angekündigt, man plane, bis zu drei Divisionen in westlichen Militärbezirken neu zu aktivieren. Im Baltikum ist es zu einer ganzen Serie von gefährlichen Luftraumverletzungen gekommen. Und schließlich haben Georgien und die Ukraine am eigenen Leib erfahren müssen, dass militärische Ãœberfälle durch Russland Realität sind. Die kleine Republik Moldau lebt in ständiger Spannung, ob der eingefrorene Konflikt im separatistischen Transnistrien, wo Russland einen Stützpunkt hat, nicht auf das ganze Land überschwappt. Und angesichts der Feststellung einer Studie, dass die russische Armee in der Lage wäre, binnen 36 Stunden das Baltikum zu besetzen, kann ja wohl von „ antirussischer Hysterie“ keine Rede sein. Russland unter Putin ist eine wirkliche und ernsthafte militärische Bedrohung, der man verantwortungsbewusst begegnen muss.

Deswegen hat der NATO-Gipfel mit der Stationierung von 40.000 Soldaten - nach dem Rotationsprinzip - im Baltikum und Polen und mit der Absichtserklärung, die Verteidigungsanstrengungen in Richtung des vereinbarten NATO-Zieles von 2 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes zu erhöhen, ausgewogene, vernünftige und defensive, also die richtigen Entscheidungen getroffen. Und da für die kommende Woche zu einer Sitzung des NATO-Russland-Rats eingeladen wurde, können diese Themen mit Russland erörtert werden. Richtig ist auch, dass die NATO - anders als die SPD, die Linke und die Grünen - nicht bereit ist, Völkerrechtsverletzungen, Rechtsbrüche, und aggressive Politik des ständigen Mitglieds des Weltsicherheitsrats, Russland, hinzunehmen und deutlich macht, dass das westliche Verteidigungsbündnis zu seiner Verantwortung für den Schutz und die Verteidigung seiner Mitglieder auf der Grundlage des Artikels 5 des NATO-Vertrages steht.

Diese konsequente und stringente Politik wird dadurch unterstrichen, dass die NATO eine engere Kooperation mit der EU in der zukünftigen Außen- und Sicherheitspolitik vereinbart hat. Dadurch erhalten erforderliche Sanktionsmaßnahmen gegenüber Russland eine breitere Basis und zusätzliches Gewicht. Und die NATO könnte dazu beitragen, das derzeitig erkennbare Auseinanderdriften der Europäischen Union zu begrenzen und so dem Ziel Russlands, Europa möglichst zu spalten, gemeinsam entgegenzuwirken.

Natürlich müssen die NATO und Russland miteinander reden, aber nicht um jeden Preis, nicht ohne Aussicht auf Erfolg und nur, wenn beide Seiten ernsthaft gemeinsame Themen partnerschaftlich verfolgen - dazu muss Russland erneut zur Partnerschaft bereit sein und sich nicht in Wort und Tat als Gegner aufspielen.

(09.07.2016)

 

 

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