Hans-Heinrich Dieter

Missbrauch in den Kirchen   (13.11.2018)

 

Nun berät auch die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD, über den Umgang mit sexualisierter Gewalt in ihren Einrichtungen. In zehn der 20 evangelischen Landeskirchen sind bislang 479 Missbrauchsfälle erfasst worden. Viele ereigneten sich zwischen den Jahren 1950 und 1970. Die 20 Landeskirchen haben jetzt beschlossen, zwei unabhängige Studien in Auftrag zu geben, um Erkenntnisse über das Dunkelfeld beim Thema Missbrauch und Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt in der Kirche aufzuzeigen. Die EKD will lückenlose Aufklärung und die Missbrauchsopfer sind aufgerufen, sich zu melden.

In der katholischen Kirche sind im Zeitraum zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3677 Minderjährige Opfer sexueller Vergehen geworden. Die 1670 aktenkundigen Täter waren überwiegend Priester: 1429 Diözesanpriester und 159 Ordenspriester. Das zeigt die Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz. Die tatsächlichen Zahlen bleiben aber weiter unklar, da wichtige Personalakten vernichtet wurden oder Akteneinsicht verwehrt wurde. Die Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz legt also nur einen Teil der systematischen sexuellen Gewalt gegen Kinder offen.

Matthias Katsch, Mitbegründer des „Eckigen Tisches“ zur Aufarbeitung des Skandals, sagt zum Thema: „Die Kirche in Deutschland ist genauso wie ihre Schwesterkirchen in den USA, Australien, Irland und vielen anderen Ländern der Erde, in denen die katholische Kirche vertreten ist, in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt und hat es über Jahrzehnte verstanden, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen. … Akten wurden vernichtet, viele Fälle sind nicht richtig dokumentiert worden, die Aktenführung ist konfus“. Deswegen darf man der Katholischen Kirche auch die „Selbstaufklärung“ nicht überlassen, denn es gibt offensichtlich in der Kirche Strukturen und Netzwerke, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder begünstigen und Aufklärung verhindern sowie das Thema Sexualität tabuisieren und totschweigen.

Man kann davon ausgehen, dass die Zahlen der Missbrauchsfälle auch in der evangelischen Kirch deutlich höher sind als bekannt und dass nach 1970 Missbrauchsfälle vorgekommen sind, die man noch nicht hat verjähren lassen können. Deswegen müssen beide Kirchen dazu aufgefordert werden, die Straftaten den zuständigen Staatsanwaltschaften anzuzeigen, die Akten vollständig weiterzugeben und zur Aufklärung intensiv beizutragen, um kirchliche Sexualstraftäter einer gerechten Strafe zuzuführen und sie von weiterem Dienst in der Kirche im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen auszuschließen.

Der Staat muss also der Kirche helfen, indem er die Aufklärung im Sinne der Missbrauchsopfer selbst übernimmt. Dazu müsste das kirchliche „Selbstbestimmungsrecht“ im Grundgesetz angepasst, das Kirchenrecht teilweise geändert und die Kirchen als öffentliche Institutionen der normalen Strafgerichtsbarkeit unterworfen werden, wenn es um die Aufklärung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen geht. Denn das sind keine vermeintlich „inneren Angelegenheiten“ der Kirchen, die man im eigenen Interesse unter den Tisch kehren oder lediglich disziplinarisch regeln kann. Darüber hinaus muss man feststellen, dass die Kirchen inzwischen jegliches moralisches Recht auf eine „Sonderstellung“ in allgemeinrechtlichen Fragen verwirkt haben.

Und diese Kirchen, die mehr oder weniger „in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt“ sind, die die Öffentlichkeit bisher diesbezüglich täuschen und in denen kriminelle Triebtäter offenbar bisher nicht hinreichend zur Rechenschaft gezogen werden, maßen sich auch noch an, Flüchtlingen illegal Kirchenasyl zu gewähren, für das es keine geltende Rechtsgrundlage gibt. Und die Kirchen sind auch noch stolz auf diesen - verharmlosend als „zivilen Ungehorsam“ bezeichneten - Rechtsbruch!

Deswegen ist es hohe Zeit, dass die gesetzlichen Regelungen, die teilweise der Weimarer Reichsverfassung entnommen sind, angepasst werden. Das braucht Zeit, muss aber dennoch zum Wohle unserer Gesellschaft in Angriff genommen werden. Die Kirchen dürfen keine „Sonderrechte“ mehr haben. Das Ziel muss es sein, Staat und Kirche klar zu trennen und die Kirchen geltendem Recht und Gesetz unterzuordnen, wie das in anderen Demokratien auch gehandhabt wird. Religiöser Glaube und Kirchenzugehörigkeit sind reine Privatangelegenheiten mündiger Bürger!

Und wenn man schon solche weitreichenden aber erforderlichen Schritte geht, dann sollte man auch gleich das Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungs-Recht der Kirchen nach Art 140 GG, das z.B. auch die ungleichen und teilweise ungerechten arbeitsrechtlichen Regelungen für Mitarbeiter der Kirchen festlegt, auf den Prüfstand stellen.

Wenn der Staat das nicht selbst in die Hand nimmt, wird den Missbrauchsopfern nicht hinreichend geholfen und dann werden die kriminellen kirchlichen Sexualstraftäter auch keiner gerechten Strafe unterzogen. In den USA und in Australien hat man das inzwischen erkannt und handelt!

(13.11.2018)

 

Bei Interesse am Thema lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/besonderekirchenrechte.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/trennungvonkircheundstaat.html

 

 

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