Hans-Heinrich Dieter

Merkels klare Worte   (18.11.2014)

 

Bundeskanzlerin Merkel hat im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Brisbane beim Lowy-Institut für internationale Politik eine außenpolitische Rede in klaren Worten gehalten. Sie sagte unter anderem: "Die Ukraine-Krise ist wahrlich keineswegs allein eine regionale Angelegenheit. Nein, an diesem Beispiel sehen wir: sie betrifft uns alle." und "Es geht ja nicht nur um die Ukraine. Es geht um Moldawien, es geht um Georgien, wenn es so weiter geht ..., muss man bei Serbien fragen, muss man bei den Westbalkanstaaten fragen." Sie brachte außerdem ihre Auffassung zum Ausdruck, dass Russland im alten Denken verharre, wenn es die Ukraine unter Zwang in seiner Einflusssphäre halten wolle und so internationales Recht mit Füßen trete. "Das stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage. Und es findet seine Fortsetzung in der russischen Einflussnahme zur Destabilisierung der Ostukraine." Und als Zeitzeugin fügt sie an, dass sie keine Wiederbelebung der DDR-Zeiten wolle, als ohne Moskaus Zustimmung keinerlei Bewegung möglich gewesen sei, denn das sei mit den westlichen Werten nicht vereinbar. Sie spricht aber auch den Aggressor Putin selbst an. Der verweigere eine Konfliktlösung im gegenseitigen Respekt und mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln. Er setze auf das angebliche Recht des Stärkeren und missachte die Stärke des Rechts. Die klaren Worte und unmissverständlichen Beurteilungen der russischen Politik sollen aber nicht als das Ende des politischen Dialogs verstanden werden, denn Merkel betont, dass die Europäische Union gemeinsam mit den Vereinigten Staaten nichts unversucht lassen werde, mit Russland zu einer diplomatischen Lösung zu kommen.

Viele Medien sind aufgeschreckt und halten Merkels Rede für eine Frustreaktion, für eine Folge von Verärgerung einer desillusionierten Politikerin, die mit ihrem Latein am Ende sei. Frust und Verärgerung sind keine vernünftigen Kategorien in der internationalen Politik. Richtig und wichtig ist aber sicherlich, dass Kanzlerin Merkel ihre Illusionen verloren hat. Wer sich in etwa 40 Telefongesprächen ohne Erfolg um friedliche ausgleichende Lösungen bemüht, beweist einen langen Atem und ausgeprägte Toleranz. Merkel musste aber immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass Putin dreist lügt, sich an Vereinbarungen nicht hält und Europa und die NATO - trotz jahrzehntelanger Entspannungs- und Kooperationspolitik, trotz Grundakte und NATO-Russland-Rat - nicht als Partner sondern als Gegner begreift, die seine neoimperialistische Neu-Russland-Politik behindern. Illusionen sind in der Politik gefährlich, gut dass Kanzlerin Merkel sie überwunden hat. Jetzt ist dann allerdings der Zeitpunkt gekommen, wo sie von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und dem immer noch illusionsgeleiteten deutschen Außenminister Vorgaben für seine hektischen diplomatischen Bemühungen machen muss.

Beim gestrigen Außenministertreffen wurden weitere Sanktionen gegenüber Russland zunächst ausgeschlossen, es kommt allerdings auch nicht zu Lockerungen bisheriger Sanktionen. Heute reist Steinmeier nach Kiew und Moskau, um erneut zu vermitteln. In Moskau trifft der deutsche Außenminister auf Putins Wadenbeißer Lawrow, deswegen hat er schon vor zu hohen Erwartungen gewarnt. Man muss hoffen, dass er sich nicht - unter der Hand - für die klaren Worte, die eindeutigen Botschaften und die richtige Analyse der Kanzlerin entschuldigen will, um seine "Gesprächskanäle" geschmeidiger offen halten zu können.

(18.11.2014)

 

 

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