Hans-Heinrich Dieter

"A lot of loose talk" (05.03.2011)

 

Wir wissen nahezu nichts ĂŒber die Lage in Libyen. Das Internet ist nicht leistungsfĂ€hig ausgebaut und die Nutzung wird weitgehend unterbunden. Der Gebrauch von Handys ist nur sehr eingeschrĂ€nkt möglich. Medienvertreter können sich in Libyen und an seinen Grenzen nicht oder nur sehr eingeschrĂ€nkt bewegen. Es gibt keine Oppositionsstrukturen mit kompetenten Ansprechpartnern. Dementsprechend unzureichend ist die Berichterstattung, die sich auf Mutmaßungen, unbestĂ€tigten Informationen und GerĂŒchten sowie persönlichen EinschĂ€tzungen ohne Recherchemöglichkeiten beschrĂ€nkt.

Die Bilder im Fernsehen wirken gestellt oder, trotz aller Tragik und trotz allen vorstellbaren menschlichen Leides, ein wenig lĂ€cherlich. AufstĂ€ndische mit Kriegswaffen in malerischer Pose oder KriegsgerĂ€t nur einfach stĂŒmperhaft bedienend. Da ist die Rede von Operationen, Offensiven, Feldschlachten mit 13. 22, 35....Toten. Da ist die Rede von Massakern der regierungstreuen Truppen und Söldnern aus allen möglichen Regionen Afrikas und von Luftangriffen auf die Zivilbevölkerung. Die Informationen sind erschĂŒtternd, wenn sie denn zutreffen. Was zutrifft, was richtig und was Propaganda ist und wie die Lage sich konkret darstellt, weiß man derzeit nicht.

Und obwohl man die Lage nicht konkret beurteilen kann, sprechen alle möglichen Leute von Maßnahmen, irgendwas tun, die Menschen unterstĂŒtzen bis hin zur Forderung nach militĂ€rischem Eingreifen. Warum tut die EU nichts? Warum greift die NATO nicht ein? Sollte man nicht den Tyrannen und sein Umfeld durch Einsatz von SpezialkrĂ€ften unschĂ€dlich machen? Das Einrichten einer Flugverbotszone muss doch möglich sein! Journalisten und Politiker, die sonst nicht durch Sympathie fĂŒr MilitĂ€r auffallen, sind bei solchen Forderungen in den Medien hĂ€ufig an vorderster Front.

Verteidigungsminister Robert Gates hat dann auch solches Gerede, manchmal nur GeschwĂ€tz, vor dem amerikanischen Kongress als "a lot of loose talk" bezeichnet und deutlich gemacht, dass das Einrichten einer Flugverbotszone ĂŒber Libyen mit einem militĂ€rischen Angriff auf Libyen beginnen mĂŒsste, um die Flugabwehrsysteme zu zerstören oder auszuschalten.

Dass man fĂŒr solch einen militĂ€rischen Angriff auf einen souverĂ€nen Staat eine Legitimation, zum Beispiel in Form einer Resolution des UN-Sicherheitsrates braucht, wird mehr und mehr Medienvertretern, die sich an dem Gerede beteiligen, klar. In dem Zusammenhang entwickelt sich auch VerstĂ€ndnis fĂŒr die Tatsache, dass schon das Befahren der 3-Meilen-Zone eines Staates mit Kriegsschiffen einen Bruch der SouverĂ€nitĂ€t darstellt, genauso wie das unangekĂŒndigte und nicht genehmigte Landen von militĂ€rischen Transportmaschinen mit bewaffnetem Personal an Bord, und sei es zur Evakuierung von FlĂŒchtlingen oder eigenen StaatsbĂŒrgern.

In solchen schwierigen ZusammenhĂ€ngen entsteht im Zuge von Gerede und GeschwĂ€tz der Eindruck, dass die MilitĂ€rs sehr zurĂŒckhaltend sind und eher "zum Jagen getragen" werden mĂŒssen als dass sie mit SĂ€beln rasseln.

Die ErklĂ€rung dafĂŒr ist relativ einfach. Die MilitĂ€rs sind Profis, sie wissen um den Primat der Politik und sie können einschĂ€tzen, welche Folgen militĂ€risches Eingreifen unterschiedlicher IntensitĂ€t kurz-, mittel- und langfristig hĂ€tte. MilitĂ€rs haben Erfahrungen mit den Interventionen im ehemaligen Jugoslawien, mit den beiden Irak-Kriegen und mit dem Engagement der internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan gemacht und sie kennen die "Kosten" in jederlei Hinsicht.

Gott sei Dank gibt es besonnene und verantwortungsbewusste Politiker in der westlichen Welt, die sich von "loose talk" nicht beeinflussen lassen und sehr genau prĂŒfen, welche Auswirkungen politische Entscheidungen haben und welche Ziele erreichbar sind. Und es ist erfreulich, dass sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass wir den Menschen in Libyen nur in engstem Zusammenwirken mit afrikanischen und arabischen Organisationen wirklich helfen können.

Um das beurteilen zu können, muss man die Lage in einem Krisengebiet konkret beurteilen können. Das scheint im Augenblick noch nicht möglich zu sein.

(05.03.2011)

 

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