Hans-Heinrich Dieter

Lobhudeleien und Beleidigungen!   (30.07.2020)

 

In einem Kommentar zum Ergebnis des EU-Schuldengipfels lobhudelt Marcus Pindur vom DLF wie ein abhängiger Haupstadtjournalist - der auch weiterhin auf Reisen mitgenommen werden will - von einem wahren „Triumph“ und steigert sich noch: „Die wahren, historischen Sieger heißen Merkel und Macron!“ Die Realpolitiker und Schuldenunionkritiker hingegen beleidigt er als „Kurz-Kleingeister und Rutte-Kleinkrämer“. Zwischen Lobhudeleien und Beleidigungen, die eines Journalisten des DLF nicht würdig sind, lässt er es allerdings bei Sachinformationen an Genauigkeit und Hintergrundinformationen fehlen.

Es wird zu wenig deutlich, dass die 500 Milliarden Euro im ursprünglichen Merkel-Macron-Modell vor allem aus Krediten kommen, die von der EU-Kommission, sozusagen gemeinsam für die gesamte Europäische Union, aufgenommen werden und als Zuschüsse oder Schenkungen verteilt werden sollten. Die EU-Kommission wäre damit ein Schuldner und das ist nach den EU-Verträgen nicht zulässig. Mit diesem Vorhaben wird eine EU-Fiskalunion mit vergemeinschafteten Schulden eingeleitet, die nicht im Interesse der deutschen Steuerzahler ist! Und wenn Merkel gegen die Interessen der deutschen Staatsbürger handelt, kann man sie nun wirklich nicht als triumphale „historische Siegerin“ hochleben lassen. Macron ist da schon eher ein Sieger, weil er Merkel in Richtung Fiskalunion – mit der auch die französischen Schulden vergemeinschaftet werden sollen - über den Tisch gezogen hat.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen legte auf diese 500 Milliarden Euro „Schenkungen“ noch 250 Milliarden drauf, die als günstige Kredite vergeben werden sollen. Diese gewaltige Summe will die EU-Kommission am Finanzmarkt aufnehmen, die Verantwortung sollen dann die 27 Mitgliedstaaten tragen, die dem Schuldenplan noch zustimmen müssen. Die Schulden sollen dann ab 2028 über den EU-Haushalt „abgestottert“ werden. Und das wird sich voraussichtlich bis 2058 hinziehen. Unsere Enkel und Urenkel, die es wegen der demographischen Entwicklung schon sehr schwer haben werden, die Rente der immer älter werdenden Bevölkerung zu finanzieren, werden dann übermäßig großen Belastungen ausgesetzt sein. Da ist es ein wirklicher Erfolg, dass die Schuldenunionkritiker die Schenkungssumme von 500 auf 390 Milliarden Euro gedrückt haben, die Zuwendungen an Konzepte geknüpft und eine konsequente und nachhaltige Kontrolle der Verwendung der Schenkungen eingefordert und erreicht haben.

Es wird auch nicht deutlich, dass die Hauptschenkungsempfänger Italien (81,8 Milliarden Euro), Spanien (77,3 Milliarden Euro) und Frankreich (38,8 Milliarden Euro) schon vor Corona unsolidarisch gegen den EU-Stabilitätspakt gehandelt und es schon vor der Pandemie unsolidarisch versäumt haben, dringend erforderliche Strukturreformen zu realisieren. So wird die drittgrößte Volkswirtschaft der EU, Italien, für das Unvermögen, eine moderne Staatlichkeit mit einer funktionierenden Steuerverwaltung aufzubauen, nicht etwa zur Rechenschaft gezogen, sondern das Unvermögen wird honoriert und damit voraussichtlich perpetuiert. Und die zweitgrößte Volkswirtschaft, Frankreich, wird für sein Unvermögen honoriert, die dringend erforderlichen Steuer- und Wirtschaftsreformen zu leisten. Hier handelt es sich nicht um „historische Sieger“, wohl aber über unsolidarische Nutznießer, die mehr oder weniger öffentlich triumphieren!

Und der von vielen Medien als „historisch“ gefeierte Einstieg der EU in den Status einer Schuldenunion wird auch von Pindur als eine Zukunftsinvestition verbrämt, von der Deutschland am meisten profitiert, weil die Masse unseres Exportes in den europäischen Binnenmarkt geht. Diese „euphemistische“ Perspektive verkennt, dass der Hauptexport durch die Maschinenbau- und Autoindustrie geleistet wird. Hauptsächlich die Autoindustrie hat durch den großangelegten Betrug, der zum Dieselskandal wurde, sehr weitgehend an Ansehen und Vertrauen verloren. Durch die deutlich gewordene kriminelle Energie in den Chefetagen der Autoindustrie hat auch das Gütesiegel „Made in Germany“ sehr an Attraktivität verloren. Wer also glaubt, dass die Italiener, Spanier und Franzosen in den nächsten Jahren deutsche Autos kaufen und so der deutschen Autoindustrie, sowie vor allem auch der deutschen Zulieferindustrie auf die Beine helfen, ist realitätsfern.

Im Zusammenhang mit dem Schuldengipfel werden also die Falschen über den Klee gelobt und die Vernünftigen verteufelt. Aus den „sparsamen Vier“ wurden in den nationalen und internationalen Medien die „geizigen Vier“, die „unsolidarischen Vier“, die „frugalen Vier“ oder auch die „nationalistischen Vier“ – und zu diesen Vier gesellte sich später noch die finnische Ministerpräsidentin. Solche Stigmatisierungen durch Medien und Politiker zeugen von schlechtem Stil und von der schlechten und unsolidarischen Lage, in der sich die EU nicht erst seit der Corona-Pandemie befindet. Eine Union ist die EU derzeit nur dem Namen nach!

Dieser Umgang mit den aus meiner Sicht „die realpolitischen Vier mit gesundem Menschenverstand“ ist nicht fair und entspricht auch nicht den politischen Fakten. Die Realpolitiker haben offensichtlich das Wohl ihrer Gesellschaften in einer Europäischen Union im Auge, die nicht gegen die eigenen Regeln zur Schuldenunion zu Lasten der zukünftigen Generationen werden soll. Außerdem wissen diese inzwischen Fünf, dass nur mit Strukturreformen in Frankreich, Italien und Spanien und auch anderen Mitgliedstaaten die europäische Wirtschaftskraft erhalten bzw. wiederaufgebaut werden kann. Und Strukturreformen, das zeigt das unsolidarische Verhalten einiger Staaten in der Vergangenheit, wird es nur geben, wenn die EU über Kredite und mögliche objektbezogene Zuschüsse eine konsequente Kontrolle ausübt.

Da ist es gut, dass das EU-Parlament feststellt, dass es die Beschlüsse des EU-Schuldengipfels so nicht mitträgt und erhebliche Nachbesserungen des „Wiederaufbauplans“ einfordert. Und da ist es gut, dass der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz aus fünf leistungsfähigen Volkswirtschaften der EU einen kraftvollen politischen Block, ein „Bündnis der Vernunft“ geformt hat, das sich in der EU zukunftsorientiert auswirken wird. Die ehemalige deutsch-französische Achse, „der deutsch-französische Motor“ leidet unter Fehlzündungen und Leistungsabfall.

Wenn die EU eine gute Zukunft haben will, muss sie strukturell reformiert sowie handlungsfähig gemacht werden – darf sich aber nicht dauerhaft zu einer Schulden- und Fiskalunion entwickeln!

(30.07.2020)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/schuldenunion.html

 

 

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