Hans-Heinrich Dieter

Impfpflicht - ja, aber!   (26.01.2022)

 

In unserer liberalen Demokratie ist die Würde des Menschen unantastbar. „Das ist gut so“, würde Herr Wowereit sagen, und ich stimme ihm zu, ohne seine Gefühlswelt, seine politische Überzeugung und seinen Geschmack zu teilen. Die Menschen, deren Würde in unserer Gesellschaft unantastbar ist, sind höchst unterschiedlich. Das macht die Buntheit und Vielfalt unseres Zusammenlebens aus - bringt aber auch Herausforderungen mit sich.

Der Verfassungs-Patriot erkennt die demokratischen Bürger-Pflichten gleichberechtigt mit den bürgerlichen Freiheitsrechten an. Im Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes steht: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt…“ Und im Artikel 2, Absatz 2 heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ Das kann man auch anders ausdrücken: Die Freiheit des Einzelnen ist ein hohes und zu schützendes Gut, sie ist aber begrenzt durch die Freiheitsrechte der Mitmenschen. Das bedeutet, dass ein gedeihliches und vernünftiges Zusammenleben in unserer freiheitlichen Demokratie nur auf der Grundlage der Solidarität und des möglichst empathischen Verständnisses der Bedürfnisse der Mitmenschen erfolgreich gelingen kann.

Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gemacht, dass es einer nicht geringen Zahl von Mitbürgern am Verständnis dieser grundlegenden Regeln fehlt. Der Beweis ist die im Vergleich zu unseren EU-Nachbarn beschämend hohe Zahl an ungeimpften erwachsenen Bürgern. Es ist eine wissenschaftlich belegte Erkenntnis, dass Impfen die erfolgversprechendste Methode zur Pandemiebekämpfung und damit zum bestmöglichen Schutz des Lebens der Mitbürger ist. Die Impfverweigerung ist damit ein unsolidarischer, egozentrischer Akt einzelner Bürger, der das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Mitbürger beeinträchtigt. Das darf der für die Unversehrtheit seiner Bürger verantwortliche Rechtsstaat nicht hinnehmen. (Im Übrigen ist es erstaunlich, dass die Impfverweigerungs-Egozentriker in ihrer teilweisen Verbohrtheit die intellektuelle Nähe zur rechtsextremen AfD nicht scheuen oder sogar suchen.) Aufgrund dieser unerfreulichen Entwicklung in unserem Gemeinwesen bin ich für eine allgemeine Impfpflicht – wenn sie konsequent kontrolliert wird und durchsetzbar ist! Und da lässt der deutsche, überbürokratisierte „Papiertiger“ große Zweifel aufkommen.

Die „Orientierungsdebatte“ im Deutschen Bundestag hat gezeigt, dass wir in Deutschland – wie immer in letzter Zeit – hinterherhinken und zu spät agieren. Das eingeschlagene Verfahren ist untauglich für eine zeitgerechte Lösung. Der Hampel-Ampel-Chef Scholz hat zwar gesagt, dass er „als Abgeordneter“ für eine Impfpflicht ist, als Kanzler aber versagt er in der Regierungsführung, er hat erkennbar keinen Plan, er duckt sich weg und sieht sich nicht einmal in der Lage, in der Debatte das Wort zu ergreifen. Der medien-geile Gesundheitsminister ist auch „als Abgeordneter“ für eine Impfpflicht, ist aber als zuständiger Minister nicht willens – oder zu feige – seinem Fachministerium mit der erforderlichen Expertise den Auftrag zu erteilen, zeitgerechter einen Gesetzesentwurf vorzulegen als Grundlage für die Parlamentsdebatte und damit für die erforderliche Parlamentarische Kontrolle. Und darüber hinaus hat Lauterbach durch seine sich ständig ändernden Aussagen für ein hohes Maß an Verwirrung, Unübersichtlichkeit und Widersprüchlichkeit in der Bevölkerung gesorgt, das den Impfverweigerern und Querdenkern in die Karten spielt. Und nun wird auch noch bekannt, dass auch die längst beschlossene gruppenspezifische Impfpflicht nicht zügig und kontrolliert organisiert und durchgesetzt werden kann. Eine Pleite jagt die andere Unfähigkeit! Aber vielleicht ist ja auch dieses „Zeitspiel“ mit den unsäglichen Verzögerungen bewusst in Szene gesetzt, um überhaupt nicht zum Wohle der Bürger entscheiden zu müssen. Das allerdings wäre eine perfide Pflichtverletzung sowie Arbeitsverweigerung und kann zu noch stärkerem Vertrauensverlust und zu noch ausgeprägterer „Politikerverdrossenheit“ führen.

Als liberal-konservativer Verfassungspatriot will ich unsere Freiheit wiederhaben! Dafür wäre eine allgemeine Impfpflicht sehr hilfreich. Diese muss aber unbedingt konsequent kontrolliert werden und durchsetzbar sein. Das beginnt mit der umgehenden Einführung eines Impfregisters, braucht sehr schnell ein vom Parlament verabschiedetes grundgesetzkonformes Impfpflichtgesetz, natürlich eine zügige und gut organisierte 24/7 Impfkampagne, genug Impfstoff, genug Testmaterial und genug Schutzausrüstung. Wenn eine Impfpflicht allerdings aufgrund unzureichender gesetzlicher Grundlagen, wegen mangelhafter Kontrollmechanismen und fortgesetztem staatlichen „Pleiten-, Pech-, und Pannenverhalten“ nicht durchgesetzt werden kann, dann sollten wir darauf verzichten! Was ist aus Deutschland geworden?

(26.01.2022)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Kommentare