Hans-Heinrich Dieter

Global Britain 2   (24.03.2021)

 

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar 2021 hat sich das United Kingdom als Europas starke, auf internationale Kooperation setzende Kraft inszeniert. Mit seinem zeitgerecht vor dem NATO-Treffen veröffentlichten „Integrated Review of Security, Defence, Development and Foreign Policy“, hat Großbritannien nun deutlich gemacht, wie es seine künftige Rolle außerhalb der Europäischen Union versteht, und wie es sich und die demokratische Welt verteidigen will. Boris Johnson präsentiert da seine Vorstellungen von „Global Britain“ und seine Vision von „Britannia rules the waves!“ Nach dem Brexit soll die Welt wissen: UK macht einen Neuanfang, auch in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Ein wenig arrogant sieht sich Großbritannien zukünftig als eine „Wissenschafts-Supermacht“, die zunehmend auf Technologie statt auf militärische Stärke im Kampf gegen moderne Bedrohungen setzt, aber den weltweiten freien Handel genauso schützen will wie die Sicherheit Europas. Dass Johnson dafür primär einen Ausbau der Nuklearsprengköpfe um mehr als 40 Prozent ankündigt und damit auf klassische Abschreckung setzt, ist genauso erstaunlich wie die erklärte Absicht, dass sich die britische Verteidigungsfähigkeit in Zukunft auf den indopazifischen Raum konzentriert.

Damit nicht genug, denn einen Atemzug später legt UK ein klares Bekenntnis zur Sicherheit und Verteidigung Europas ab - allerdings ausschließlich im Rahmen der NATO und nicht als Teil der europäischen Verteidigungsinitiative PESCO („Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“) der EU. Das Bekenntnis der zweiten europäischen Nuklear-Macht und des gleichzeitig ständigen Mitglieds im UN-Sicherheitsrat zur NATO ist wichtig für die Sicherheit Europas. Die Weigerung, einen Beitrag zu PESCO zu leisten, war zu erwarten beeinträchtigt die ohnehin nicht sehr weitgehenden Anstrengungen der EU kaum.

Kopfzerbrechen wird allerdings die nukleare Aufrüstung bereiten. Denn zum ersten Mal nach Ende des letzten Kalten Krieges wird Großbritannien die Zahl seiner Atomsprengköpfe von etwa 180 Sprengköpfen für Trident-Flugkörper auf bis zu 260 aufstocken, die ausschließlich von U-Booten abgeschossen werden können. Mit dieser Planung verstößt Großbritannien gegen den in den 1960er Jahren geschlossenen Atomwaffen-Nichtverbreitungsvertrag, mit dem sich die Partner verpflichten, ihre Bestände zu reduzieren. Von Russland wird protestiert und von den UN wird schon von einem neuen nuklearen Wettrüsten gesprochen.

Beim Treffen der NATO-Außenminister hat „Global Britain“ offensichtlich keine wesentliche Rolle gespielt. Interessant ist aber, dass die Regierung Johnson aus wohl innenpolitischen Erwägungen bereit ist, internationales Recht zu brechen. Man kann nur hoffen, dass Großbritannien sich nicht überschätzt und überfordert, denn eine neue globale britische Rolle in einem „erneuerten Commonwealth“ ist Illusion! Und für die Europäische Union ergibt sich aus dieser Entwicklung, dass die Transatlantische Zusammenarbeit mit der NATO Vorrang haben muss, vor halbherzig vorangetriebenen europäischen Verteidigungsinitiativen einer nicht nur außen- und sicherheitspolitisch gespaltenen und nicht handlungsfähigen EU.

(24.03.2021)

 

 

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