Hans-Heinrich Dieter

GestĂ€rkte NATO   (04.12.2014)

 

Bei der jetzigen Außenminister-Tagung der NATO beschlossen die 28 Mitgliedstaaten, schon 2015 die ersten Teile der neuen schnellen Eingreiftruppe gegen Bedrohungen aus Russland in den osteuropĂ€ischen Mitgliedstaaten verfĂŒgbar machen zu können. GeneralsekretĂ€r Stoltenberg kommentierte diese gemeinsame Anstrengung: "Es ist die grĂ¶ĂŸte StĂ€rkung unserer gemeinsamen Verteidigung seit Ende des Kalten Krieges." Insofern ist es von Vorteil, dass Putin - ehrlich aber schlecht kalkuliert - sein wahres Gesicht zeigt. Und der NATO-GeneralsekretĂ€r sparte daher auch nicht mit berechtigter und deutlicher Kritik an der aggressiven Politik Russlands gegenĂŒber der Ukraine.

Die politischen Fronten sind etwas vereist. Selbst Außenminister Steinmeier ist wenig optimistisch. Steinmeier nennt das einen "Zustand der Kontaktlosigkeit" und schlĂ€gt - natĂŒrlich - die Einrichtung eines neuen GesprĂ€chskanals zwischen russischen und NATO-MilitĂ€rexperten vor. Stoltenberg hingegen ist Realist und betont, dass die GesprĂ€chskanĂ€le mit dem russischen NATO-Botschafter sehr wohl offen seien und genutzt wĂŒrden. ZusĂ€tzliche "GesprĂ€chskanĂ€le" haben außerdem zu viele schlecht kontrollierbare Kanaldeckel und fördern MissverstĂ€ndnisse und Fehlinterpretationen. Wichtiger als ein unterirdisches GesprĂ€chssystem wĂ€re, wenn die russischen GesprĂ€chsgegner nicht lĂŒgen und Absprachen eingehalten wĂŒrden. Bevor neue GesprĂ€chskanĂ€le geöffnet werden, sollte sich Russland eher wieder als Partner fĂŒr fruchtbare GesprĂ€che öffnen. Solange Russland sich offen als Gegner verhĂ€lt, muss es vor der Ausweitung seiner neoimperialistischen Aggression auf NATO-BĂŒndnispartner wirksam abgeschreckt werden, gegebenenfalls auch mit dauerhaft in Osteuropa stationierten NATO-KrĂ€ften. Wichtig ist, dass die NATO diesen Kurs gemeinsam hĂ€lt und sich nicht auseinanderdividieren lĂ€sst, etwa durch die Frage einer spĂ€teren Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO.

Jens Stoltenberg sagt richtig: "Jeder souverĂ€ne Staat kann sich um die Aufnahme bemĂŒhen." Da ist es schon erstaunlich, wie ablehnend einige NATO-Mitglieder - einschließlich Deutschland - reagieren. Die Ukraine ist ein souverĂ€ner und neutraler Staat. Die NATO verbindet seit 2008 eine Partnerschaft mit der Ukraine. Die Ukraine war sogar als Kandidat fĂŒr den Beitritt zum NATO Membership Action Plan vorgesehen. 2010, mit der Wahl von Janukovich zum PrĂ€sidenten, hat das ukrainische Parlament auf massiven Druck Russlands das Ziel der Integration in die Euro-Atlantische Sicherheitspartnerschaft als mögliches Mitglied der NATO schließlich fallen lassen. Bei der Verteidigungsminister-Tagung im Oktober 2013 hat der NATO-GeneralsekretĂ€r im Beisein der russischen und ukrainischen Minister bekrĂ€ftigt, dass die Ukraine wohl auch weiterhin eine neutrale Haltung einnehmen, aber gleichzeitig die Kooperation in der NATO-Ukraine-Kommission fortsetzen will. Die NATO fĂŒhlt sich nun dieser - wenn auch stark abgekĂŒhlten - Partnerschaft weiter verpflichtet, insbesondere weil sich die heutige Ukraine fĂŒr eine Westorientierung entschieden hat. Sich um eine Aufnahme bemĂŒhen heißt dabei noch nicht, 2015 Mitglied der NATO zu sein und den Artikel 5 des NATO-Vertrages einfordern zu können. Wenn man aber die Ukraine als souverĂ€nen Staat ernst nimmt, dann muss man ihn auch souverĂ€n agieren lassen und auf dieser Grundlage die NATO-Mitglieder zu gegebener Zeit ĂŒber eine Mitgliedschaft der Ukraine gemeinsam entscheiden lassen, wenn die Voraussetzungen erfĂŒllt sind.

Die gestĂ€rkte NATO spielt nach der verunglĂŒckten Libyen-Intervention und am Ende des wenig erfolgreichen Afghanistan-Kampfeinsatzes in der Ukraine-Krise eine wichtige Rolle. Die NATO gleicht als relativ gemeinsam agierendes VerteidigungsbĂŒndnis die teilweise unterschiedliche Diplomatie der EU-Mitglieder aus und stĂ€rkt so gleichzeitig eine möglichst gemeinsame europĂ€ische Außen- und Sicherheitspolitik in dieser Krise. Die NATO stĂ€rkt damit auch gemeinsame transatlantische BemĂŒhungen zur Beilegung der Ukraine-Krise. Die NATO dokumentiert durch angemessene militĂ€rische Maßnahmen, dass die westliche Welt bereit ist, fĂŒr unsere Werte einzutreten, die Rechte ihrer Mitgliedstaaten auf Unversehrtheit wahrzunehmen und sich fĂŒr die Rechte souverĂ€ner Partner stark zu machen. Gut so!

Die sehr wirksamen Sanktionen der EU und die moderaten aber angemessenen Abschreckungsmaßnahmen der NATO mĂŒssen allerdings begleitet werden durch politische und diplomatische AktivitĂ€ten zur Deeskalation der Ukraine-Krise. Die OSZE kann in diesem Rahmen viel Gutes bewirken.

(04.12.2014)

 

 

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