Hans-Heinrich Dieter

Gemeinsame EuropĂ€ische Sicherheitspolitik   (10.09.2013)

 

Die Außen- und Verteidigungsminister der EuropĂ€ischen Union haben sich am letzten Wochenende in Vilnius getroffen, auch um eine stĂ€rkere Kooperation in der europĂ€ischen Sicherheits- und RĂŒstungspolitik erneut zu diskutieren. Appelle an bessere europĂ€ische Kooperation sind alltĂ€glich, da wir EuropĂ€er diese Appelle aber nicht ernst genug nehmen, bleiben sie wichtig, je konkreter desto besser.

Nun war bei dem zeitlich dem G20-Gipfel nachgeordneten Treffen in Vilnius natĂŒrlich auch das aktuelle Thema Syrien auf der Tagesordnung. In ihrer ErklĂ€rung von Vilnius weisen die Außenminister allgemein darauf hin, dass diese Krise in Syrien nur politisch gelöst werden kann. Die ErklĂ€rung wurde einstimmig verabschiedet, was bei dieser Binsenweisheit ohne den Hinweis auf konkrete Ziele, Handlungsempfehlungen und ZeitplĂ€ne auch so nicht schwer ist. DarĂŒber hinaus gibt es keine Appelle, Meldungen und Informationen ĂŒber Ergebnisse zu anderen wichtigen Themen der Agenda.

Das ist bedauerlich, denn im Hinblick auf eine bessere und stĂ€rkere Kooperation hat sich in 2013 bisher sehr wenig getan, im Gegenteil. Bei der MĂŒnchner Sicherheitskonferenz zu Beginn des Jahres forderte Verteidigungsminister de MaiziĂšre ein NATO-freundlicheres Frankreich und ein EU-freundlicheres Großbritannien. Ihm ging es damals nicht nur um sicherheitspolitische Kooperation, um burden sharing und smart defence, ihm ging es um gemeinsames politisches Planen und Handeln der EuropĂ€ischen Union in einer Zeit, wo der PrĂ€sident des EU-Parlamentes Schulz feststellen durfte: „Die EU ist in einem schlechten Zustand, und das mĂŒssen wir dringend Ă€ndern, wenn Europa nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden will.“ Inzwischen ist weder Frankreich NATO-freundlicher, noch ist Großbritannien EU-freundlicher geworden und eine verstĂ€rkte Kooperation scheitert weiterhin an stark ausgeprĂ€gten nationalen Egoismen.

Im Zusammenhang mit der Syrienkrise forderte zunĂ€chst Premierminister Cameron lediglich in Absprache mit PrĂ€sident Obama vehement ohne Konsultation der EU und der NATO eine militĂ€rische Strafaktion, bis ihn Gott sei Dank das britische Parlament zurĂŒckpfiff wie einen unfolgsamen und ĂŒbermĂŒtigen Hund. PrĂ€sident Hollande, der bei einer US/UK-Aktion als Grande Nation nicht abseits stehen wollte, blies in das gleiche Horn und verstieg sich auf der Grundlage einer fragwĂŒrdigen Beweislage zu Aussagen wie: „Wer seine Bevölkerung vergast, muss bestraft werden…“, „Assad will alle liquidieren, die nicht seiner Meinung sind. Ich hĂ€tte auch sagen können: Er will sie vergasen.“ Und dieser „scharfe Bluthund“ wird erst zu einem begossenen Pudel, als Obama auch den Kongress einschalten will und lĂ€sst sich dann – auch von Deutschland – dazu bewegen, gesichtswahrend auf das ausstehende Ergebnis der UN-Inspektionen zu verweisen. Auch in der Behandlung der Syrien-Krise erweisen sich die EU-Mitgliedsstaaten teilweise als kooperationsunwillig und insgesamt gespalten.

Angesichts dieser Lage ist es selbstbewusst, mutig und EU-orientiert, wenn Kanzlerin Merkel in Absprache mit dem PrĂ€sidenten des EuropĂ€ischen Rates van Rompuy beim G20-Gipfel zunĂ€chst ihre Unterschrift nicht unter die US-Resolution zu Syrien setzt, weil sie einer gemeinsamen ErklĂ€rung der in Vilnius tagenden EU-Außenminister nicht vorgreifen und die kleineren EU-Mitgliedstaaten nicht ĂŒbergehen will. Ein starkes Zeichen in Richtung EuropĂ€ischer Union, das viele Medien erst allmĂ€hlich verstehen werden und das die Opposition im Wahlkampf intellektuell nicht begreifen will.

Es hagelt dementsprechend Kritik. Die BERLINER ZEITUNG zum Beispiel greift Kanzlerin Merkel scharf an: "Das peinliche Lavieren der Kanzlerin bei der ErklĂ€rung der G20 zu Syrien am Wochenende hat die vollkommene Planlosigkeit der deutschen Außenpolitik gezeigt. In diesem Zickzack ist nur eines erkennbar: die Methode Merkel'schen Politikmachens. Auf Sicht fahren, abwarten, wohin sich der Wind dreht, nicht zu frĂŒh festlegen. Ein Problem nur, wenn der Wind sich hĂ€ufiger dreht. Und Ă€rgerlich, wenn ihr Verfahren nun auf offener internationaler BĂŒhne fĂŒr jedermann sichtbar als geisterhaft entlarvt wird."

Bei dieser Kritik trifft lediglich der Vorwurf der „Planlosigkeit der deutschen Außenpolitik“. Aber diese Kritik trifft Nachkriegsdeutschland allgemein. Denn Deutschland hat es bisher versĂ€umt, seine vitalen politischen Ziele und Interessen in und fĂŒr Europa, auch fĂŒr die europĂ€ischen Partner nachvollziehbar, zu formulieren. Nur dann wird deutsche Politik weniger beliebig und grundsatzorientierter. Und immer dann, wenn von Deutschland nachhaltige FĂŒhrung in Europa erwartet wird, kann die jeweilige Politik auf der Grundlage definierter Ziele und Interessen auch vertrauensvoll als "europĂ€isch" besser verstanden werden. Bisher will Deutschland dazu gehören, dabei sein, möglichst wenig unbeliebt sein und die berechtigte Kultur der militĂ€rischen ZurĂŒckhaltung pflegen. Das ist auf Dauer zu wenig.

Europa ist als engster und wichtigster sicherheitspolitischer VerbĂŒndeter der angeschlagenen und weniger belastbaren FĂŒhrungsmacht USA nur so gut wie sich Europa sicherheitspolitisch leistungswillig und leistungsfĂ€hig zeigt. Sicherheitspolitische LeistungsfĂ€higkeit wird die EU nur erreichen, wenn alle Mitgliedstaaten Integrationsbereitschaft und Willen zu gemeinsamem Handeln auf der Grundlage eines gemeinsamen sicherheitspolitischen VerstĂ€ndnisses und Interesses zuverlĂ€ssig einbringen. Da ist noch viel Arbeit zu leisten.

Weil Europa ohne bessere Kooperation und stĂ€rkere Integration in der Bedeutungslosigkeit zu versinken droht, ist es hohe Zeit, dass sich die Staats- und Regierungschefs mit dem Problem befassen und das Projekt EuropĂ€ische Union kraftvoll weiterentwickeln. Wer da nicht mitmachen will, sollte seines Weges als Partner Europas in Europa gehen können. Ohne bessere Kooperation und stĂ€rkere Integration wird Europa mangels sicherheitspolitischer LeistungsfĂ€higkeit auch nicht engster VerbĂŒndeter der USA bleiben. Das verstĂ€rkt dann die Erosion europĂ€ischer politischer Bedeutung gravierend.

Die gemeinsame, wenig aussagekrÀftige Vilnius-ErklÀrung aller EU-Staaten zur Syrien-Krise ist angesichts der sonst gelebten eingeschrÀnkten Gemeinsamkeit in Europa ein kleiner Erfolg. Dabei darf es auf Dauer allerdings nicht bleiben.

(10.09.2013)

 

 

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