Hans-Heinrich Dieter

Führen aus der Mitte?   (10.02.2015)

 

Vor einem Jahr, bei der 50. Münchener Sicherheitskonferenz, sprach das deutsche Dreigestirn - Bundespräsident Gauck, Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier - davon, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse, dass Abwarten und Gleichgültigkeit keine Optionen seien, und dass Deutschland in der Weltpolitik nicht nur den Kommentator geben könne. Das war so spektakulär, dass einige Medien schon eine drohende Militarisierung deutscher Außenpolitik aufziehen sahen, und das hat natürlich große Erwartungen geweckt - die nicht einfach zu erfüllen sind.

Bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz konnte das Thema natürlich nicht ganz ausgeklammert werden. Außenminister Steinmeier gestand ein, für seine damalige Ankündigung sei die Probe aufs Exempel "schneller und härter gekommen, als wir vielleicht im letzten Jahr geahnt haben". Verteidigungsministerin von der Leyen, die damals etwas vollmundig ein starkes deutsches Engagement mit Schwerpunkt in Afrika angekündigt hatte, ging nicht ins Detail und ersparte sich so das Aufzeigen einer eher dürftigen oder nachrangigen Bilanz. Sie befasste sich grundsätzlich mit der Thematik und sprach vom deutschen "Führen aus der Mitte". Das Stirnrunzeln der versammelten Fachleute war deutlich zu erkennen und beim späteren Applaus deutlich zu hören.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen betonte dabei erneut, dass Deutschland bereit sei, mehr Verantwortung in internationalen Krisen zu übernehmen. Das bedeute allerdings nicht, deutsches "Führen mit der Pickelhaube", hieße nicht die "Richtung vorgeben" und "voranstürmen", sondern "Führen aus der Mitte" mit der unbedingten Bereitschaft, gemeinsam zu analysieren und zu entscheiden, "mit Mut zum Handeln, aber auch mit Demut im Handeln" und ohne "Dominanz gegenüber unseren Nachbarn". Dazu müsse Deutschland selbst "das Beste an Ressourcen und Fähigkeiten in Bündnisse und Partnerschaften" einbringen.

Präsidenten der USA haben Deutschland schon mehrfach eine "Partnership in Leadership" angeboten und Deutschland hat das Angebot - zaghaft und ängstlich wie immer - nicht angenommen. Nun hat Deutschland die Übernahme von mehr internationaler Verantwortung angekündigt und ist den damit verbundenen hohen Erwartungen der internationalen Staatengemeinschaft nicht voll gerecht geworden. Deutschland ist zwar inzwischen ein zentraler Akteur in der internationalen Krisendiplomatie, allerdings mit geringem Spielraum und mit nur eingeschränktem Gewicht. Denn Deutschland kann zwar seine ökonomischen Leistungen einbringen, aber wenn es um wirklich substanzielle Sicherheitspolitik geht, wenn militärische Kampfeinsätze gefragt sind, wenn Verbündete militärisch unterstützt werden müssen, spielt Deutschland eine untergeordnete Nebenrolle, weil die Mehrheit der Bevölkerung sich nicht engagieren will und weil die Politik es über Jahre versäumt hat, die deutschen Streitkräfte dem sicherheitspolitischen Bedarf anzupassen und entsprechend zu finanzieren. Schlimmer noch, die Bundeswehr wurde über Jahre unterfinanziert und in einen peinlich desolaten materiellen Zustand hineingespart. Die verbale deutsche Bereitschaft, mehr Verantwortung in der internationalen Sicherheitspolitik zu übernehmen, ist derzeit nicht kompatibel mit den Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte. Wir können derzeit nicht "das Beste an Ressourcen und Fähigkeiten in Bündnisse und Partnerschaften" einbringen.

Deswegen bieten wir immer "soft skills" an, beteiligen uns selten mit Kampftruppen und schrecken davor zurück, die deutsche Luftwaffe zusammen mit der Allianz gegen die IS-Terroristen einzusetzen. Militärische "Schmutzarbeit" wird gerne anderen überlassen. Da gibt es also viel nachzuholen und zumindest darf die internationale Staatengemeinschaft erwarten, dass Deutschland die der NATO gemachten Zusagen erfüllt, jährlich mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Streitkräfte zu investieren.

Wenn die Rahmenbedingungen für wirkliches Führen und für mehr Verantwortung in der internationalen Sicherheitspolitik nicht gegeben sind, dann kann man sich "in der Mitte" gut einrichten und bei Bedarf gelegentlich verstecken. Wenn man aus der Mitte führen will, dann braucht man nicht genau zu wissen und zu definieren, welches Ziel man in welcher Zeit mit welchen Mitteln und mit welcher Strategie erreichen will. In der Mitte braucht man sich nicht festzulegen und kann Verantwortung und politische wie militärische Misserfolge geschickt verteilen. Und man kann sicherheitspolitisch weiter wursteln und braucht der mehrheitlich pazifistisch eingestellten deutschen Bevölkerung die Zustimmung zu möglicherweise folgenreichem sicherheitspolitischem Handeln nicht abzuringen.

Zum Führen gehört es, Verantwortung mit allen Konsequenzen tragen zu wollen, die Richtung vorgeben zu können und die Bereitschaft, die Rahmenbedingungen für erfolgreiches Führen zu schaffen. Diese Fähigkeiten hat Deutschland derzeit nicht, da sollte man nicht drumherumschwurbeln!

(10.02.2015)

 

 

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