Hans-Heinrich Dieter

Failing State Libanon   (13.08.2020)

 

Nach den verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut muss der leidenden libanesischen Bevölkerung geholfen werden – aber sinnvoll, vernünftig und zukunftsorientiert unter Berücksichtigung der realen politischen Machtverhältnisse!

Die internationalen Geldgeber haben sich auf einer Video-Konferenz unter der gemeinsamen Leitung von UN-Generalsekretär António Guterres und Präsident Emmanuel Macron auf schnelle Hilfen für den Libanon geeinigt. Insgesamt sollen etwa 250 Millionen Euro Soforthilfe zusammengekommen sein. Von deutscher Seite wurden zehn Millionen Euro angekündigt und die EU-Kommission versprach, ihre Hilfe auf insgesamt 63 Millionen Euro aufzustocken. Und Außenminister Maas legte noch eins drauf indem er versprach, Deutschland beteilige sich noch einmal mit 20 Millionen Euro zusätzlich, um die größte Not zu lindern.

Immerhin wird die Auszahlung von Hilfsgeldern – verbal - von grundlegenden Reformen im Libanon, von der Bekämpfung der Korruption und von Neuwahlen abhängig gemacht. Außerdem sollen die Hilfsgelder nicht an die korrupten Machthaber gehen, sondern an Hilfsorganisationen und NGOs um das Geld tatsächlich der notleidenden Bevölkerung zukommen zu lassen. Außenminister Maas sagt zum Beispiel ziemlich platt klingend, es müsse Reformen von innen heraus geben, es könne nicht so weitergehen und Neuwahlen seien das Mindeste. Und das „Ultimatum“ des französischen „Hochstaplers“ Macron klingt sogar leicht lächerlich, wenn er in alter Kolonialmanier sagt, „…es muss Reformen geben, sonst komme ich im September wieder!“ Das Ganze wirkt wie gut gemeint – aber nicht gut gemacht!

Warum leitet UN-Generalsekretär António Guterres die Geberkonferenz nicht selbstständig? Warum vertritt die EU dabei nicht die 27 Mitgliedstaaten? Warum muss Deutschland 20 Millionen zusätzlich anbieten, ohne das Parlament einzubinden? Warum werden für die Hilfszahlungen keine klaren Bedingungen gestellt, die zukunftsorientiert zu den dringend erforderlichen Reformen führen? Warum wird der wahre Machtfaktor im Libanon, die Terror-Miliz Hisbollah, mit keinem Wort erwähnt und mit keiner Forderung verbunden? Es wird hier sehr deutlich, dass die realen politischen Machtverhältnisse im Libanon nicht hinreichend berücksichtigt werden.

Der Libanon war schon vor der verheerenden Explosion im von der Hisbollah beherrschten Hafen von Beirut ein failing state mit einer höchst korrupten Regierung sowie einer katastrophalen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Der Libanon leidet unter einer Machtverteilungsstruktur, die jede religiöse Richtung berücksichtigt und die Korruption begünstigt. So ist der Staatspräsident immer ein Christ. Die Sunniten stellen den Regierungschef, die Schiiten stellen den Parlamentspräsidenten. Und die Terroristen der Hisbollah sind die eigentlichen Machtinhaber des Libanon. Denn von allen ehemaligen Bürgerkriegsparteien hat die Hisbollah ihre Waffen nicht abgegeben und ist so schlagkräftig, dass sie sogar Kriegspartei in Syrien war. Die Armee hingegen ist völlig einflusslos im Libanon. Außerdem werden alle führenden Gruppen aus dem Ausland gesteuert, entweder aus Saudi-Arabien oder aus dem Iran. Der christliche Präsident Aoun wird aus dem Iran gesteuert und arbeitet mit der Hisbollah zusammen. Und die Partei der Sunniten, die alte Hariri-Partei, wird von Saudi-Arabien gesteuert. Die wahren Machthaber im Libanon sind daher die Hisbollah, Saudi-Arabien und der Iran.

Unter Berücksichtigung dieser realen politischen Machtverhältnisse muss man sich die Frage stellen, mit welchen Mitteln und in welcher Höhe Saudi-Arabien und der Iran der hart getroffenen libanesischen Bevölkerung helfen werden. Und man muss sich fragen, ob zum Beispiel die EU eine Möglichkeit hat, die ins Auge gefassten Hilfsgelder in Höhe von 63 Millionen Euro der libanesischen Bevölkerung wirklich sinnvoll, vernünftig und zukunftsorientiert zukommen zu lassen. Die Chancen sind sicher sehr gering, solange die Terrormiliz Hisbollah nicht entwaffnet ist. Auch wenn das eine sehr schwer zu bewältigende Aufgabe sein wird, sollten die Vereinten Nationen eine UN-Hilfstruppe anbieten, die eine Entwaffnung der Hisbollah überwacht und die Wiederaufbauarbeiten im Libanon absichert. Ohne Entwaffnung der Hisbollah und grundlegende Strukturreformen sollten nur die humanitär notwendigsten Hilfsgelder der UN und der EU an internationale Hilfsorganisationen im Libanon fließen – auf keinen Fall in korrupte von der Hisbollah kontrollierte Strukturen!

(13.08.2020)

 

 

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