Hans-Heinrich Dieter

EU-Kampfgruppen   (06.04.2015)

 

Deutschland, Frankreich und Polen wollen zum Motor für eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union werden. Das haben die  Verteidigungsminister des "Weimarer Dreiecks" zu Beginn der Karwoche in Potsdam vereinbart. Jetzt haben auch die Außenminister der drei EU-Staaten den Willen bekräftigt, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der EU zu fördern. Ãœber diese Initiative wird die EU-Außenbeauftragte Mogherini in einem gemeinsamen Brief unterrichtet. Als deutlich sichtbares Zeichen dieser gemeinsamen Initiative sollen die EU-Kampfgruppen zukünftig bei Krisen als schnell verfügbare erste Kräfte eingesetzt werden.

Grundsätzlich ist es gut, wenn angesichts der neuem sicherheitspolitischen Lage in Europa mehr Gemeinsamkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gesucht wird. Bisher sind allerdings alle Ansätze dazu mehr oder weniger im Status der Willensbekundung geblieben. Darüber hinaus fördern die Initiativen einzelner EU-Mitglieder nicht unbedingt die politische Gemeinsamkeit der Europäischen Union insgesamt. Besser wäre es, wenn die EU mit einem leistungsstarken Ratspräsidenten und mit einer versierten, durchsetzungsfähigen EU-Außenbeauftragten die Verbesserung einer gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik selbst in die Hand nehmen und fördern würde. Davon ist die EU weit entfernt.

Deswegen hat das Tandem Merkel/Hollande ohne europäisches Mandat in Minsk verhandelt, um  eine politische Lösung des Ukraine-Krieges zu erreichen. Das Ergebnis ist allenfalls ein "Hoffnungsschimmer" auf der Grundlage eines dürftigen 13-Punkte-Papiers, dem die Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs lediglich zustimmen, ohne sich mit einer Unterschrift binden zu wollen. Die Europäische Union, in Gestalt von Herrn Tusk oder Frau Mogherini, saß nicht mit am Tisch und konnte das Verhandlungsergebnis nur freudig bis sehr skeptisch zur Kenntnis nehmen. In Minsk wurde auch deshalb keine europäische Außen- und Sicherheitspolitik eingebracht, weil es eine solche Politik noch nicht gibt. In Minsk konnte die Europäische Union also nicht das Gewicht von 28 Mitgliedstaaten in die Waagschale werfen und mit dem Hinweis auf verschärfte und erweiterte Wirtschaftssanktionen Druck auf Putin ausüben und so das Verhandlungsergebnis im Sinne Europas und der Ukraine positiv beeinflussen. Das ist ein schwerer Mangel.

Dabei fehlt es der Europäischen Union sicher nicht am guten Willen, doch die Union ist von ihrer Struktur her schwach. Es gelingt bisher nicht, für die EU ein außen- und sicherheitspolitisches Konzept zu formulieren, das Grundlage einer mit der NATO und den USA abgestimmten Politik zur Beendigung des Ukraine-Krieges sein könnte. Die 28 Mitgliedstaaten erreichen einstimmig häufig nur einen Minimalkonsens. Die EU selbst hat keine militärischen Mittel, mit denen Macht ausgeübt werden könnte. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist vielmehr der Auffassung, dass Konflikte wie der Ukraine-Krieg nur "politisch zu lösen" seien und vergisst dabei, dass in einem Krieg in der Regel erst mit militärischen Mitteln sowie mit einem ganzen Spektrum von Abschreckungsmaßnahmen die Voraussetzungen für politische Lösungen geschaffen werden müssen. Die zum wiederholten Mal aufgewärmte Initiative der Weimarer Dreieck-Außenminister für eine gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik ist deswegen Ausdruck des dringenden Handlungsbedarfes der EU insgesamt und dient außerdem der stärkeren Einbindung Polens. Vieleicht führt die jetzt durch Russland stark beschädigte europäische Sicherheitsarchitektur ja diesmal zu konkreten EU-Maßnahmen. Auf jeden Fall muss die EU sich stärker engagieren, wenn sie auf der weltpolitischen Landkarte keine vernachlässigbare Größe bleiben will. Dazu gehört auch eine Verbesserung militärischer Optionen der EU.

Deswegen ist es grundsätzlich gut, dass die Verteidigungsminister des "Weimarer Dreiecks" EU-Kampfgruppen als möglichen sicherheitspolitischen Beitrag zu Krisenbewältigungen erneut ins Gespräch bringen. Die Idee ist allerdings so alt und deren Realisierung in den Krisen der Welt bisher so unwirksam, dass die Medien kaum davon Kenntnis nehmen. Schon1999 wurde mit dem Helsinki Headline Goal (HHG) beschlossen, die European Rapid Reaction Force (ERRF) aufzustellen. Damit sollten 60.000 Soldaten innerhalb von 60 Tagen für einen Einsatz von einem Jahr bereitstehen. Zur Planung und Führung wurden ein EU-Militärstab und ein EU-Militärausschuss aufgebaut. Die ERRF war allerdings nie einsatzbereit und wurde nie eingesetzt. 2004 wurde dann die Idee der EU-Battlegroups entwickelt. Solche Kampfgruppen mit einer Stärke von etwa 1.500 Soldaten sollten innerhalb von 10–15 Tagen in einem Radius von 6.000 km um Brüssel für eine Dauer von bis zu vier Monaten zur Krisenbewältigung eingesetzt werden können. Im Zeitraum 2005 bis 2007 wurden die ersten Battlegroups einsatzbereit gemeldet und seitdem werden immer ein bis zwei dieser auch multinationalen Kampfgruppen in Alarmbereitschaft gehalten, ohne allerdings bisher dem Konzept entsprechend eingesetzt worden zu sein. Im ersten Halbjahr 2015 ist die Nordic Battlegroup in Bereitschaft. Die "EU-Battlegroups" sind also eine bisher weitestgehend arbeitslose Truppe.

Besser als diese "Initiative" der Verteidigungsminister Deutschlands, Frankreichs und Polens wäre es, wenn die EU als politisches Bündnis sich intensiver mit dem Militärbündnis NATO abstimmen würde und die EU-Staaten sich stärker in der NATO engagieren und leistungsfähigere Truppen verfügbar halten würden. Und auch wenn Frau von der Leyen betont: "Unser Vorhaben steht nicht im Widerspruch zur NATO.", wird es von einigen Staaten doch als überflüssige "Konkurrenz-Initiative" verstanden werden. Weitaus wichtiger wäre es, die Beschlüsse des NATO-Gipfels in Wales konsequent umzusetzen, sowie den NATO-Vereinbarungen entsprechend, jährlich 2% des jeweiligen Brutto-Inlandsproduktes in die Verteidigungsfähigkeiten der EU-Staaten zu investieren, so die NATO zu stärken und positiv zu einem leistungsfähigen transatlantischen Bündnis beizutragen.

Durch EU-Kampfgruppen ist das Russland Putins nicht abzuschrecken!

(06.04.2015)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte