Hans-Heinrich Dieter

Erweiterte EU   (29.06.2013)

 

Die Teilnehmer am jüngsten EU-Gipfel feiern sich selbst wegen der Gipfelbeschlüsse – dabei gibt es wenig Grund zur Freude.

Am 1. Juli wird Kroatien 28. Mitglied der EU werden.

Kroatien ist historisch-kulturell gesehen ein mitteleuropäisches Land wie Slowenien und Ungarn. Und nach Slowenien ist Kroatien die zweite der sechs ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken in der Europäischen Union.

Der lange Prozess der Beitrittsverhandlungen und die europäische Perspektive haben sicher die Reformen in Kroatien hin zu europäischen Standards unterstützt und beflügelt. Es gibt aber berechtigte Skepsis, ob die Reformen weit genug gediehen und die vielfältigen Probleme bewältigt oder erfolgreich handhabbar sind.

Kroatien hat eine unzureichend strukturierte und nur eingeschränkt wettbewerbsfähige Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20% und die Jugendarbeitslosigkeit bei 50%. Wie in anderen europäischen Staaten ist hier nicht Geld der EU das Allheilmittel zur Bewältigung des Problems, sondern Ausbildungs- und Wirtschaftreformen, die Kroatien wettbewerbsfähiger machen und für Investoren interessanter sein lässt – nur so können Arbeitsplätze geschaffen werden. Die EU hat jetzt schon 19 Mitglieder mit höherer Jugendarbeitslosigkeit als 25%.

Kroatien gehört seit Jahren zu den besonders korrupten Ländern Europas. Es wird noch viel zu wenig gegen diese Korruption und das organisierte Verbrechen getan. Die kroatischen Gerichte sind stark überlastet und das behindert eine konsequente Strafverfolgung erheblich. Wenn hier nicht schnell Fortschritte erzielt werden, bleibt Kroatien für Investoren unsicher und unattraktiv.

Noch im Herbst 2012 hatte die EU-Kommission deswegen starke Zweifel an der Beitrittsfähigkeit Kroatiens. Bereits im Januar 2013 meldete Kroatien dann an Brüssel, dass alle Beanstandungen und Mängel behoben seien, alle erforderlichen Gesetze seien erlassen und die nötigen Reformen, einschließlich einer Justizreform, seien auf den Weg gebracht. Das hat die EU-Kommission offensichtlich überzeugt. Die Frage wird aber sein, wann es für die sehr schnell erlassenen Gesetze die entsprechenden Ausführungsbestimmungen gibt und mit welcher Kraft und Konsequenz die wenig effektive Verwaltung und der noch nicht gefestigte Rechtsstaat diese Gesetze auch umsetzen.

Diese wenigen Aspekte zeigen, dass die EU, zwar in anderer Form und möglicherweise etwas abgemildert, die Fehler der zu frühen Aufnahme Rumäniens, Bulgariens und Zyperns wiederholt. Die Europäische Union holt sich mit Kroatien ein neues, sehr schwieriges und auf Dauer höchstwahrscheinlich sehr teures Mitglied in die Gemeinschaft.

Dabei ist die Bereitschaft der kroatischen Bevölkerung für einen EU-Beitritt offenbar nicht stark ausgeprägt. An der Wahl der kroatischen Abgeordneten für das EU-Parlament beteiligten sich nur 21% der Wähler. Deutlicher kann man auf demokratische Weise die kalte Schulter nicht zeigen. Was Kroatien von der EU will, wird bereits vor dem 1. Juli 2013 sehr deutlich - Fördergelder. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic hat - als Gast - beim EU-Gipfel in Brüssel schon einmal mehr Geld für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingefordert, als die großen EU-Staaten wie Deutschland zu geben bereit wären. Kroatien ist aber nicht unbedingt bereit, auch solidarisch zu „liefern“, denn Zagreb hat wenige Tage vor dem EU-Beitritt ein Auslieferungsgesetz erlassen, das im Widerspruch zum EU-Beitrittsvertrag steht. Die Europäische Union will, ihrem Motto entsprechend, in Vielfalt vereint sein. Die EU hat aber mit vielfältigen und stark ausgeprägten nationalen Egoismen zu kämpfen und braucht keine zusätzlichen Probleme aufgrund mangelnder Solidarität aus nationalistischen Gründen.

Wenn die EU nun am 1. Juli 2013 um das 28. Mitglied erweitert wird, dann wird die krisengeschüttelte Gemeinschaft nicht gerade leichter zu sanieren und weiterzuentwickeln sein. 24 Mitglieder erfüllen die Stabilitätskriterien nicht, weitgehend herrscht tiefe Rezession, die Krisenstaaten sind bisher mit Ausbildungs- und Wirtschaftsreformen nicht vorangekommen und konnten die dringend erforderliche Wettbewerbsfähigkeit bisher nicht steigern. Außer dem ständigen Ruf nach mehr Fördermitteln zur Ankurbelung der jeweiligen Wirtschaft sind strukturelle Wachstumsaktivitäten nicht erkennbar. Der einstige europäische Motor Frankreich schwächelt erheblich und ist jetzt selbst schon ein Problemfall. Die Erholung Griechenlands war möglicherweise nur eine Scheinerholung, Zypern will neu verhandeln über Rettungsmaßnahmen, Spanien und Portugal sind noch weit davon entfernt, saniert zu sein, es zeichnen sich eher zusätzliche Rettungserfordernisse ab. Italien ist wirtschaftsschwach und schwer regierbar. Und Großbritannien hat die Stirn, der EU weitere 200 Millionen abzupressen, über den Briten-Rabatt hinaus.

Immerhin, die EU hat einen neuen Haushalt, der ihr Handlungsfähigkeit über die nächsten Jahre gibt. Die Europäische Union hat jetzt einen neuen und zusätzlichen Kommissar, aber noch keine Erfolge im Abbau der überbordenden und höchst kostspieligen Bürokratie, leistet nicht die erforderlichen Einsparungen, sondern leistet sich zwei Sitze in Brüssel sowie in Straßburg und kommt dem Ziel einer tieferen Integration der Mitglieder, wenn überhaupt, dann nur im Schneckentempo näher. Die EU selbst ist nach Aussage eines ihrer Kommissare ein „Sanierungsfall“.

Wenn irgendwann Serbien, Mazedonien, Albanien etc. – möglicherweise erneut verfrüht - Mitglieder der Gemeinschaft werden und das Kosovo einen besonderen Partnerstatus hat, dann ist die EU entweder in ihrer Vielfalt bereits stärker vereint oder sie scheitert an zu großer und zu intensiv gelebter Vielfalt.

Europa ist als Idee großartig, nur bisher sehr unzureichend und wenig praxistauglich vereint.

(29.06.2013)

 

 

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