Hans-Heinrich Dieter

Erfolge des Terrorismus 2   (04.08.2011)

 

Gemäß BND-Präsident Ernst Uhrlau ist Al Qaida "zu großen Anschlägen nach Art des 11. September heute nicht mehr fähig". Der Tod Osama bin Ladens hat sicherlich den Kern des Terrornetzwerks in Pakistan und Afghanistan beeinträchtigt und Aiman el Sawahiri mag als neuer Chef die Zügel im Hinblick auf die regionalen Al-Qaida-Organisationen vor allem in Nordafrika noch nicht fest in der Hand haben. Der Erfolg des weltweiten Terrorismus` seit dem 11. September 2001 überwiegt aber deutlich die durchaus zahlreichen kleinen Fortschritte  in der Bekämpfung dieses Ãœbels. (siehe auch http://www.hansheinrichdieter.de/html/erfolgedesterrorismus.html)

Der Anschlag vom 11. September 2001 hat die Weltöffentlichkeit geschockt und unser Leben verändert. Die USA haben die Herausforderung angenommen und dem Terrorismus mit ungeheurem personellem und finanziellem Aufwand sowie unter starken Einschränkungen der Freiheit und der Persönlichkeitsrechte, nicht nur der amerikanischen Bürger, den „Krieg“ erklärt. Dieser „Krieg“ wird inzwischen international geführt und es zeichnet sich trotz immenser Anstrengungen kein Sieg über den internationalen Terrorismus ab, im Gegenteil.

Die USA haben mit einer Koalition einen verlustreichen und teuren Krieg gegen den Irak geführt und das Land nachhaltig in Unordnung gebracht. Dieser Krieg hat die Grundlage für die heutige Schuldenkrise der USA gelegt. Die USA haben den neuerlichen Krieg in Afghanistan begonnen und Al Qaida teilweise in das Nachbarland Pakistan verdrängt, die Taliban sind unverändert in der Lage, die Bevölkerung sowie die Truppen und Hilfsorganisationen der internationalen Staatengemeinschaft durch spektakuläre Terroranschläge nachhaltig zu treffen und zu verunsichern. Die Taliban kontrollieren weiterhin große Teile Afghanistans und verstärken ihre Aktivitäten zurzeit in den Distrikten, in denen die Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Institutionen übergeben wurde. Und das terroristische Potential, das in Pakistan und aus Pakistan heraus wirken kann, ist wenig beeinträchtigt. Der Krieg in Afghanistan und Anti-Terror-Bemühungen der USA in Pakistan haben die Staatsschulden massiv weiter ansteigen lassen. Die USA haben sich deutlich erkennbar politisch und militärisch übernommen und ziehen nun - entgegen der militärischen Lagebeurteilung - 33.000 Soldaten aus Afghanistan ab und erhöhen damit das Risiko einer Niederlage im Kampf gegen den Terrorismus. Al Qaida und die Taliban brauchen nur etwas Geduld, um ihre Erfolge zu einem Sieg ausbauen zu können.

Die USA leben seit langem über ihre Verhältnisse und sitzen deshalb auf einem, auch maßgeblich durch den "Krieg" gegen den internationalen Terrorismus verursachten, Schuldenberg.  Die USA haben sich nun im Zuge der Schuldenkrise derart vor den Augen der Welt lächerlich gemacht, dass es lange dauern wird, bis sie wieder den Respekt als Führungsmacht genießen. Die politischen Institutionen der USA sind aus der Balance geraten. Und die USA werden offenbar zunehmend durch wahltaktisch orientierte Politik handlungsunfähig. Das Land ist inzwischen ideologisch geradezu gespalten und dabei, den Willen zum Konsens zu verlieren. Die "Supermacht" muss sich im Zuge der Schuldenkrise von der Chefin des IWF auf ihre Verantwortung auch für die Weltwirtschaft und die internationalen Finanzmärkte hinweisen lassen und wird von ihrem größten Gläubiger China geradezu ermahnt, wenn nicht gerügt. Diese sehr missliche Lage der westlichen Führungsmacht ist auch ein - zumindest indirekter - Erfolg des Terrorismus.

Terrorismus schockt die Weltöffentlichkeit, erzeugt tiefsitzende Ängste und verändert unser Leben. Sicherheitschecks auf Flughäfen, videoüberwachte U-Bahn-Stationen, Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung oder andere Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsrechte aller Art  nehmen die Menschen in Deutschland und der Welt im Hinblick auf überall mögliche Terroranschläge mehr oder weniger klaglos und ängstlich hin. Die Menschen in Deutschland haben sich an die Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität unter den Bedingungen von Frieden und Freiheit gewöhnt. Diese kaum mehr wahrgenommenen Einschränkungen unserer Freiheit sind kleine aber wirkungsvolle Erfolge des Terrorismus.

Und der Terrorismus hat in Deutschland ein Phänomen verstärkt, das unsere internationale Umwelt etwas höhnisch und spöttisch mit dem Begriff "German Angst" belegt. Angesichts terroristischer Gefahren erscheint gerade die deutsche Bevölkerung wenig krisenfest und in hohem Maße durch Medien und "Scharfmacher" beeinflussbar. Genau das wollen Terroristen, sie wollen ein Klima der permanenten Verunsicherung und Angst erzeugen und Reaktionen herausfordern, die unsere Volkswirtschaften schwächen und unsere Lebensqualität beeinträchtigen. Der internationale Terrorismus war hier schon so erfolgreich, dass wir unsere tagtäglichen kleinen Niederlagen kaum noch wahrnehmen.

Und dann schlägt der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik am 22.Juli 2011 in Oslo mit einem Bombenanschlag gegen Regierungsgebäude in Oslo zu und ermordet auf der Insel Utøya bei einem brutalen Massaker sehr viele junge Menschen. Der geständige Einzel-Attentäter löst einen Schock aus und Entsetzen, Fassungslosigkeit und Trauer lähmen Norwegen. Die globale Anteilnahme ist dem Ereignis entsprechend groß. Der widerliche und verabscheuenswürdige Terrorist Breivik hat schon mit den beiden Anschlägen allein aus seiner Sicht große Erfolge erzielt. Aber er wollte natürlich auf seine rechtsradikalen und islamfeindlichen Anliegen aufmerksam machen und Reaktionen in seinem Sinne herauslocken. Und auch in dieser Hinsicht ist der Terrorist gerade auch in Deutschland sehr erfolgreich.

Während der norwegische Ministerpräsident nicht müde wird, immer wieder zu betonen, dass Norwegen seine Freiheit nicht einschränken lässt, diskutiert unsere Politik reflexartig die Verschärfung der geltenden Sicherheitsregeln und die Verlängerung der Vorratsdatenspeicherung. Oppositionspolitiker wie Gabriel bringen gar islamfeindliche Äußerungen Breiviks in die Nähe der Islamismus-kritischen Äußerungen Sarrazins und warnen vor einer vermeintlichen "Verteufelung des Islam" bei uns und beeinträchtigen bzw. unterdrücken die gerade ernsthaft begonnene wichtige Diskussion über die Integration muslimischer Migranten und "Bekämpfung" islamistischer, von Hasspredigern aufgestachelter Gruppierungen.

Nicht nur unsere Massenmedien befassen sich intensiv mit dem Massenmörder sondern auch die seriösen Medien greifen die Anschläge  im Stil der Sensationsberichterstattung auf, eine Spezialsendung mit wenig Information jagt die nächste, kein Tag vergeht ohne Berichterstattung über die Attentate und die Persönlichkeit dieses widerlichen Terroristen. Der Verbrecher Breivik zeigt sich sehr interessiert an dem weltweiten Medienecho. Mit so viel Aufmerksamkeit, Anteilnahme, Interesse und öffentlicher Wahrnehmung seiner irren Gedankenspiele hat der Terrorist sicher nicht gerechnet und ist wahrscheinlich höchst erfreut über das Ausmaß seines diesbezüglichen Erfolges. Warum schaffen unsere Medien solchen Verbrechern eine Bühne für ihre angestrebte Selbstdarstellung und eine Plattform für die Verbreitung ihrer  kruden und wirren Ideen?

Warum ermöglichen wir Terroristen solche direkten und indirekten Erfolge? Wenn gegen unberechenbare Mörder und Selbstmordattentäter nur ein eingeschränkter und unbestimmbarer Sicherheitsgewinn möglich ist, dann müssen wir uns fragen, ob der größer werdende Verlust an Freizügigkeit, Geld und Zeit sowie weitere Beschränkungen der Persönlichkeitsrechte tatsächlich gerechtfertigt sind. Wir sollten uns darüber klar werden, dass alle weiteren Maßnahmen über die derzeitigen Sicherheitsbemühungen hinaus, weitere tagtägliche kleine Siege der Terroristen über unsere westliche Lebensart in Frieden und Freiheit zur Folge haben.

Deswegen sollten die geltenden Sicherheitsregeln - nicht ängstlich aber aufmerksam - beachtet und möglichst pannenfrei und lückenlos angewandt werden. Die Terroristen sollten wir genau beobachten und wenn immer möglich unschädlich machen. Beachten sollten wir Terroristen nicht und quotenorientierte Sensationsberichterstattung über Terrorismus - häufig nach unzureichender Recherche und mit mangelhafter Sachkenntnis - ist völlig unangebracht.

(04.08.2011)

 

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