Hans-Heinrich Dieter

Einsatz deutscher Soldaten in Mali?   (14.01.2013)

 

Wenn deutsche Soldaten gegebenenfalls in Nordafrika in einem neuerlichen Bürgerkrieg eingesetzt werden sollen, dann bedarf das reiflicher Überlegung!

Bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr 2012 in Strausberg sagte die Bundeskanzlerin auf der Grundlage einer UN-Sicherheitsratsresolution vom13.10.2012, die Bundesregierung sei bereit, sich an einer europäischen Militärmission im westafrikanischen Mali zu beteiligen. Es sei nicht zu akzeptieren, dass das Land zum Rückzugsgebiet für den internationalen Terrorismus werde, die malischen Streitkräfte bräuchten Hilfe von außen. Dabei soll es nicht um einen Kampfeinsatz gehen, sondern um eine von der Europäischen Union geführte Ausbildungsmission sowie materielle und logistische Hilfen. Die direkte militärische Unterstützung soll von der Afrikanischen Union geleistet werden. Die UN-Staaten könnten dann mit Ausrüstung und Logistik helfen. Vor allem sollten aber ausländische Experten in Mali die Regierungstruppen ausbilden. Ähnliche Pläne werden seither auch von der Europäischen Union geprüft. Soweit der Konsens der Vereinten Nationen und der europäischen Partnerländer.

Die Kanzlerin sagte 2012 schon einmal Hilfe zu. Wir wussten damals zwar noch nicht was wir wollen oder in welcher Größenordnung und Qualität, doch da es sich ja „nur“ um eine Ausbildungs- und Unterstützungsmission handeln soll, ist das ja nicht so schlimm. Deutschland will halt diesmal mitmachen. Seitdem prüft das Verteidigungsministerium Optionen.

Im Alleingang hat nun die ehemalige Kolonialmacht Frankreich entschieden, die malische Regierung militärisch zu unterstützen, fliegt seit Freitag, 11.01.2013, Luftangriffe gegen die Rebellen und ihre Einrichtungen im Norden Malis und hat auch bereits Bodentruppen in geringem Ausmaß in Marsch gesetzt. Ziel des französischen Engagements ist es, den Vormarsch der Islamisten auf die malische Hauptstadt zu stoppen und französische und europäische Staatsbürger in Mali zu schützen. Großbritannien hat bereits logistische Unterstützung zugesagt und die USA wollen mit hochwertigem Kriegsgerät helfen.

Und schon gibt es in Deutschland ein aufgeregtes Stimmengewirr. Wir wissen zwar immer noch nicht was wir wollen oder in welcher Größenordnung und Qualität wir uns eventuell an einer Ausbildungsmission beteiligen wollen, das hält Politiker und Schreiber aber nicht davon ab, schnelle Aussagen zu machen. Außenminister Westerwelle schließt zunächst einmal eine deutsche Beteiligung kategorisch aus, hat seine Meinung aber inzwischen weiterentwickelt.

Bundesverteidigungsminister de Maizière unterstützt die französische Intervention in Mali und meint, Frankreich habe konsequent und richtig gehandelt. Der Verteidigungsminister machte aber auch deutlich, dass über eine deutsche Ausbildungsmission noch nicht entschieden ist und dass man einen politischen Konsens über das Engagement der internationalen Gemeinschaft in Mali braucht, bevor deutsche militärische Ausbilder nach Mali geschickt werden könnten. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages Polenz (CDU) schließt eine militärische Beteiligung an der jetzigen Krisenbewältigung, genau wie MdB Schockenhoff, nicht aus.

Nach Ansicht des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Arnold, sollte Deutschland beim Militäreinsatz in Mali helfen. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, dass aus Sicht der SPD ein Kampfeinsatz deutscher Bundeswehrsoldaten nicht in Frage komme und meint: "Für den Fall, dass die Franzosen logistische Unterstützung brauchen, sind wir selbstverständlich als Partner und Freunde Frankreichs bereit, das zu prüfen".

Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, bezeichnete in der "Welt" das französische Eingreifen als "hochriskante Aktion" und sagte: "Eine militärische Intervention in Mali ist so der falsche Weg". Ganz anders der plötzlich nassforsche Fraktionschef der Grünen Trittin, der sich möglicherweise bei der kommenden Abstimmung über das neue Afghanistan-Mandat enthalten will. Der begrüßte nun den militärischen Alleingang unserer französischen Nachbarn ausdrücklich: "Frankreich hat zu Recht auf Bitten der malischen Regierung und mit Zustimmung des Sicherheitsrates eingegriffen und einen weiteren Vorstoß der Islamisten in den Süden gestoppt" und forderte in SPIEGEL-Online ein entschiedenes deutsches Engagement.

Bei so unterschiedlichen Einschätzungen muss man sich die politische Entwicklung und derzeitige Situation noch einmal nüchtern vor Augen führen. Es gibt einen Konsens in der UN, es gibt Vorstellungen der EU über eine gemeinsame Ausbildungsmission, man geht davon aus, dass direkte militärische Unterstützung von der Afrikanischen Union geleistet werden soll und plant entsprechend. In dieser Lage hält Frankreich es offenbar nicht für erforderlich, seine sicherheitspolitischen Absichten mit der UN und mit der EU abzusprechen sondern informiert lediglich und schafft Fakten, wie in Libyen, und hofft, dass die USA und europäische Partner moralisch und politisch quasi gezwungen sind zu unterstützen. Und gerade wenn die Lage in Mali „dringlich und ernst“ ist (de Maizière), erfordert es der politische Respekt, dass die Partner rechtzeitig auf der Grundlage eines sicherheitspolitischen Konzeptes konsultiert werden, um sinnvoll und abgestimmt über Unterstützung und Engagement entscheiden zu können.

Wenn Frankreich in der selbstgewählten Rolle einer „Lead-Nation“ in Mali einen politischen Konsens herbeigeführt hätte, wenn damit auch klar wäre, wer denn in Mali Verantwortung trägt und welche Ziele durch die Intervention wie und bis wann erreicht werden sollen, dann hätten alle Partner sich sinnvoll und nach ihren politischen und militärischen Möglichkeiten einbringen können. An solche sicherheitspolitischen Selbstverständlichkeiten hat die ehemalige Kolonialmacht Frankreich in Grande-Nation-Attitude leider nicht gedacht. Dementsprechend reagieren auch NATO und EU. Die NATO begrüßt den französischen Militäreinsatz, will ihn aber nicht unterstützen. Die EU will die geplante Entsendung von Ausbildern für die malischen Streitkräfte beschleunigen, lehnt aber eine Beteiligung an Kampfhandlungen ab.

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht das heute anders: "Deutschland und die übrige EU dürfen Frankreich jetzt nicht im Stich lassen. Außenminister Guido Westerwelle lehnt zwar deutsche Militärhilfen ab. Das mag populär sein. Aber das Wegducken ist falsch. Denn die französischen Soldaten kämpfen auch für Deutschlands Sicherheit. Die viel beschworene gemeinsame europäische Außenpolitik, sie darf keine Farce bleiben".

„Im Stich lassen“ kann man nur Partner, mit denen man etwas vereinbart hat. Ob französische Soldaten auch für Deutschlands Sicherheit kämpfen, bleibt abzuwarten und es ist Frankreich, das zunächst einmal im Alleingang gegen „europäische Außenpolitik“ gehandelt hat. Das sollten Freunde und Partner Herrn Hollande sehr deutlich machen.

Deutschland wird die Intervention Frankreichs in Mali wohl zusammen mit den USA und anderen Partnern unterstützen, ohne sich an Kampfhandlungen zu beteiligen, weil die Zerschlagung oder Eingrenzung islamistischer Terroristen im Norden Afrikas auch in unserem Sinne ist. Aber wenn es um den Einsatz deutscher Soldaten unter kriegsähnlichen Bedingungen geht, dann sollte das deutsche Volk, vertreten durch den deutschen Bundestag, über Sinn, Ziel und Zweck eines solchen Einsatzes nach reiflicher Überlegung entscheiden. Das deutsche Volk sollte sich dabei nicht durch überbordenden Idealismus oder durch Illusionen leiten lassen. Und der Deutsche Bundestag wird sich in solchen grundlegenden Entscheidungen von Präsident Hollande weder drängen noch zwingen lassen. Und unter diesen Umständen die deutsch-französische Freundschaft bemühen zu wollen, ist fehl am Platze.

(14.01.2013)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte