Hans-Heinrich Dieter

Eingeschränkt einsatzbereit   (20.01.2018)

 

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 forderten der damalige Bundespräsident Gauck, Verteidigungsministerin von der Leyen und dann auch – sicher nolens volens – der damalige Außenminister Steinmeier, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen und sich fragen müsse, ob es angemessen auf Gefahren und Veränderungen in der internationalen Ordnung reagiere.

Heute, Anfang 2018, ist von dieser außen- und sicherheitspolitischen Aufbruchstimmung nichts mehr zu spüren. Deutschland betreibt innen- und sozialpolitische Nabelschau und beschäftigt sich nun schon seit Monaten mit sich selbst. Deutschland als wirtschaftsstarke Mittelmacht und größte Volkswirtschaft der EU hat sich derzeit als Triebwerk für europäische und internationale Entwicklungen offensichtlich verabschiedet.

Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, dass Deutschland und die EU schnell wieder voll handlungsfähig werden und die Außen- und Sicherheitspolitik in Europa und auch der Welt in höchst unsicheren Zeiten - zusammen mit der NATO - mitgestalten. Da wir möglicherweise an Ostern noch keine Regierung gebildet haben, fallen wir als verlässlicher Akteur wohl noch für längere Zeit aus. Wir werden an Vertrauen verlieren!

Deutschland muss sich in der derzeitigen Situation aber auch ernsthaft fragen, ob es überhaupt international Verantwortung noch tragen will und ob es denn überhaupt international Verantwortung hinreichend tragen könnte.

Wenn man das 28-seitige Sondierungspapier der CDU/CSU und der SPD prüft, dann muss man feststellen, dass die Außen- und die Sicherheitspolitik keine deutschen Kernthemen mehr sind. Denn unter der Ãœberschrift „große Fragen unserer Zeit“ wird ein verantwortungsvoller Beitrag der wirtschaftsstarken Mittelmacht Deutschland zur Erhaltung und Festigung des Friedens in Europa und der Welt überhaupt nicht thematisiert.

Später heißt es dann immerhin ab Seite 25, „Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet. Wir setzen uns für eine dauerhaft friedliche, stabile und gerechte Ordnung in der Welt ein. …Dabei setzen wir auf Diplomatie, Dialog und Kooperation sowie Entwicklungszusammenarbeit. Im Rahmen dieses vernetzten Ansatzes bleibt die Bundeswehr ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitspolitik.“

Anders ausgedrückt heißt das: Wir halten alle Gesprächskanäle offen, knüpfen möglichst viele Gesprächsfäden, vermeiden dabei möglichst das Bilden von Gesprächsfäden-Knäuels und wir machen risikoarm mit – ohne zu wissen, was unsere essenziellen Ziele und unsere außenpolitischen Schwerpunkte sind. Und Streitkräfte haben wir auch noch als politischen Bestandteil, mit dem wir uns aber weder am „Säbelrasseln“ noch an der „Aufrüstungsspirale“ beteiligen wollen.

Und zum „sicherheitspolitischen Bestandteil Bundeswehr“ wird ausgeführt: „Wir betonen den Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee. Damit sie die ihr erteilten Aufträge in allen Dimensionen sachgerecht erfüllen kann, werden wir den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen.“ „Bestmöglich“ ist aber naturgemäß immer abhängig von den finanziellen Mitteln, die das Parlament „seiner Armee“ bewilligt – und da sieht es schlimm aus!

Die Bundeswehr wurde in den letzten Jahren nicht nur klein-, sondern kaputtgespart – die Bundeswehr ist unwidersprochen ein „Sanierungsfall“. Flugzeuge und Hubschrauber sind überaltert und bleiben am Boden, die fünf U-Boote der Marine sind nicht einsatzklar, die neuen High-Tech-Fregatten der F125-Klasse sind mängelbehaftet und die Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten entspricht vielfach nicht dem Stand der heutigen Technik. In Afghanistan muss die Bundeswehr inzwischen Hubschrauber anmieten, um den erforderlichen Truppentransport zu gewährleisten. Das sind nur einige wenige markante Beispiele. Dem Wehrbeauftragten des Bundestages, Bartels (SPD), entsprechend ist die Bundeswehr als Ganzes „im Rahmen der kollektiven Verteidigung derzeit nicht einsetzbar“ (FOCUS-Interview). Und er ergänzt, dass sich die Einsatzbereitschaft trotz eines leicht steigenden Etats weiter verschlechtert habe: „Die harte Währung, in der der Erfolg der Ministerin gemessen wird, ist die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Und die ist in den letzten vier Jahren nicht wirklich besser, sondern eher schlechter geworden.“ Die von der Ministerin – viel stereotyp lächelnd und wortreich – propagierten „Trendwenden“ Personal, Rüstung und Finanzen entwickeln sich zum Flop und man kann feststellen, dass die Ministerin sehr wenig erfolgreich agiert hat. Die Bundeswehr ist unter ihrer Leitung nicht nur eingeschränkt einsatzbereit, sondern auch unattraktiv für leistungsfähigen Nachwuchs und deswegen trägt die Ministerin auch für die personelle Unterbesetzung einen nicht geringen Teil der Verantwortung. Bartels: „Wenn sich der Frust der Marinesoldaten herumspricht, wird es noch schwieriger werden, den dringend benötigten Nachwuchs rekrutieren zu können.“

Wenn Deutschland in Zukunft eine wehrhafte Demokratie sein will, muss es bereit sein, in Sicherheitskräfte allgemein und in die Bundeswehr insbesondere zu investieren. Und da machen die Zahlen des Sondierungspapiers keine Hoffnung, sondern eher wütend. Die SPD hat offenbar durchgesetzt, dass sich der Verteidigungshaushalt de facto nicht erhöht und somit eine hinreichende Einsatzbereitschaft nicht erreicht werden wird. Für Modernisierung und Gewährleistung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr veranschlagt das BMVg einen Bedarf von 130 Milliarden in den nächsten 25 Jahren, was mindestens vier Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr im Verteidigungshaushalt erfordern würde. Die sicherheitspolitisch offensichtlich unverantwortlich agierenden „Sondierer“ sehen lediglich Mehrausgaben von 2,0 Mrd. Euro in vier Jahren bei Sicherheit und Entwicklung vor. Das ist geradezu lächerlich, macht aber auch tieftraurig. Mit dieser Bundeswehr im derzeitigen Einsatzbereitschaftsstand kann Deutschland sicherheitspolitisch keine internationale Verantwortung tragen!

Darüber hinaus werden unsere Partner in der NATO und in der EU feststellen, dass Deutschland auch nicht wirklich und konkret international Verantwortung tragen will, denn unsere stark eingeschränkt wehrhafte Demokratie bleibt weiterhin sehr weit unter der gemeinsamen NATO-Vereinbarung, bis 2024 Verteidigungsinvestitionen in Höhe von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzustreben. Sicherheitspolitischen Maulhelden wird man auf Dauer nicht vertrauen!

(20.01.2018)

 

 

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