Hans-Heinrich Dieter

Die Gorch Fock   (26.02.2019)

 

Der SPIEGEL schreibt: „Die Gorch Fock war einst der Stolz der Marine, heute ist sie Symbol für das Elend der Bundeswehr.“ Und auch der Wehrbeauftragte des Bundestages Hans-Peter Bartels äußert eindeutige Kritik: „Was für die ganze Bundeswehr gilt, gilt auch für die Marine: es gibt zu große materielle Lücken, also fehlende Schiffe, fehlende Ersatzteile, zu lange Werftliegezeiten. Und es gibt personelle Lücken. Zum Teil ist Personal einfach nicht da, man kann Dienstposten einfach nicht besetzen. Zum Teil sind Dienstposten besetzt, aber man kann die Ausbildung nicht machen, weil das Material fehlt. Wo kein Schiff ist, kann man nicht zur See fahren und üben.“

Und in dieser sehr schwierigen Lage stellt sich die Frage nach der Zukunft des Segelschulschiffes Gorch Fock, das seit zwei Jahren in Einzelteile zerlegt in der inzwischen insolventen Elsflether Werft liegt, um saniert zu werden. Die Kosten für diese Sanierung des Dreimast-Seglers stiegen über die Jahre rasant die Höhe. Ursprünglich waren 10 Millionen Euro vorgesehen, dann wurde auf 75 Millionen Euro erhöht, inzwischen sind die veranschlagten Kosten auf bis zu 135 Millionen Euro angewachsen. Und bis zum 2. Januar 2019 wurden laut Bundesregierung bereits rund 69 Millionen Euro ausgegeben.

Reparieren oder ausmustern, ein neues Schiff bauen oder kaufen, das ist hier die oberflächlich gestellte Frage. Und der Wehrbeauftragte meint: „Entweder stellt man die Gorch Fock fertig, ob nun auf dieser Werft oder auf einer anderen. Oder man baut oder kauft ein neues Schiff. Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sollte in der Lage sein, seinem Marinenachwuchs ein Segelschulschiff zur Verfügung zu stellen.“

Dabei ist es doch wohl erstaunlich, dass man angesichts des Gesamtzustands der nach der Wende über die Jahre kaputtgesparten Bundeswehr, bei überall fehlenden Ersatzteilen, bei zeitweiliger Seeuntüchtigkeit aller sechs U-Boote der Marine, bei unzureichend bevorrateter Munition, bei ziemlich geringem Einsatzfähigkeitsstand aller fliegenden Waffensysteme und bei unzureichend verfügbarer persönlicher Kampfausstattung für Ausbildung und Einsatz offenbar nicht daran gedacht hat, auf ein mit voraussehbar hohem Kostenaufwand zu sanierendes Segelschulschiff zu verzichten.

Als langjähriger militärischer Vorgesetzter kann ich die Bedeutung eines Segelschulschiffes für die Erziehung, für die Charakterbildung und für das Crew-Gefühl von angehenden Seeoffizieren gut nachvollziehen. Aber unsere Kriegsschiffe im digitalen Zeitalter erfordern sicher nicht unbedingt einen Segelschiff-erfahrenen Kommandanten oder Ersten Offizier. Wenn man zum Beispiel eine der verfügbaren Fregatten für jeweils ein Jahr als Schulschiff nutzen würde, könnte man mehr Offizier- und Unteroffiziernachwuchs ausbilden - und das unter deutlich realeren und der heutigen Zeit angepassten Einsatzbedingungen sowie zu geringeren Kosten.

Für die Gorch Fock wurde schon viel Geld ausgegeben. Ein wirtschaftlicher Grundsatz lautet, dass man „schlecht ausgegebenem Geld“ kein gutes Geld hinterherwerfen sollte. Deswegen ist es wichtig, dass das Parlament die Ministerin aufgefordert hat, sehr schnell belastbare Kostenrechnungen für die zugesagte Obergrenze von 135 Millionen Euro vorzulegen. Und dann müssen Prioritäten geprüft und sinnvolle Entscheidungen getroffen werden, die den Verteidigungshaushalt nicht über Gebühr belasten.

Und die Aussage von Bartels, „Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sollte in der Lage sein, seinem Marinenachwuchs ein Segelschulschiff zur Verfügung zu stellen,“ sollte korrigiert werden. Eigentlich muss es heißen: „Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sollte so viel sicherheitspolitische Verantwortung an den Tag legen, dass es Vereinbarungen erfüllt und schnellstmöglich als verlässlicher Partner der NATO und der EU mit hinreichend einsatzfähigen Streitkräften einen adäquaten Beitrag im gesamten sicherheitspolitischen Einsatzspektrum leisten will und kann. Dazu müssen die Streitkräfte zeitgemäß, einsatzorientiert und sehr gut ausgebildet werden.“

(26.02.2019)

 

 

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