Hans-Heinrich Dieter

Beschämende und beschämte UN (01.03.2018)

 

Nach tagelangen Verhandlungen beschließt der UN-Sicherheitsrat am 24.02.2018 eine Resolution zur Feuerpause in Syrien. Bis kurz vor der Abstimmung verhandelten die Diplomaten, um eine erneut und zum wiederholten Mal drohende Blockade der Veto-Macht Russland zu verhindern.

In dem Resolutionsentwurf, den Schweden und Kuwait in den UN-Sicherheitsrat eingebracht haben, werden die Konfliktparteien aufgerufen, alle Belagerungen sofort zu beenden und den Zivilisten nicht länger lebenswichtige Lebensmittel und Medikamente vorzuenthalten. Außerdem ist ein sofortiger Waffenstillstand in Syrien vorgesehen.

Der UN-Sicherheitsrat forderte ursprünglich, „dass alle Parteien ohne Verzögerung die Kampfhandlungen einstellen für einen Zeitraum von mindestens 30 aufeinanderfolgenden Tagen in ganz Syrien für eine anhaltende humanitäre Pause“. Moskau setzte aber mit mehrfacher Blockadehaltung durch, dass der Beschuss von dschihadistischen Gruppen in Syrien wie Islamischer Staat (IS), Al-Qaida und auch „andere Individuen, Gruppen, Einheiten mit Verbindungen zu Al-Qaida und IS“ sowie andere vom UN-Sicherheitsrat festgelegte terroristische Gruppen in dem Resolutionstext von der Feuerpause ausgenommen wurden. Diese Ausnahmeregelungen lassen unterschiedliche Interpretationen der Vereinbarung zu, da Syrien und die Türkei auch Rebellen als "Terroristen" einstufen, die vom Westen unterstützt werden. Damit sind die weiteren Kriegshandlungen aller Parteien geradezu ungebremst ermöglicht. Assad und die Türkei werden Putin sehr dankbar sein! Amnesty International erklärte deswegen auch mit Recht, dass diese lange Liste von Ausnahmen in der Resolution es den Kriegsparteien einfach mache, ihre willkürlichen Angriffe auf zivile Ziele fortzusetzen.

Die Vorlage wurde - bis zur bewusst in Kauf genommenen Wirkungslosigkeit - abgeschwächt, um die Zustimmung der Veto-Macht Russland zu erwirken. Und die Resolution enthält natürlich keine völkerrechtlich bindenden Druckmittel zur Durchsetzung der Waffenruhe. Die UN haben sich vom Bärenführer Putin erneut am Nasenring zum blutigen Nachteil der syrischen Zivilbevölkerung und der syrischen Kurden durch die internationale Manege ziehen lassen. Beschämend, wenn man sich die Ziele der UN erneut vor Augen führt.

Gemäß ihrer Charta wollen die UN unter anderem:

- Weltfrieden und internationale Sicherheit wahren

- alle Streitigkeiten friedlich schlichten

- freundschaftliche Zusammenarbeit zur Friedenssicherung fördern…

Diese Ziele erreichen die UN nicht oder nur sehr unzureichend, weil sich die politische Lage grundlegend geändert hat und die Nachkriegsstruktur der UN, hauptsächlich des Sicherheitsrates, der aktuellen politischen Lage nicht mehr entspricht. Außerdem lässt die Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander heute sehr stark zu wünschen übrig.

Der Sicherheitsrat besteht aus 15 Mitgliedern. Die zehn nicht-ständigen Mitglieder, die jeweils für zwei Jahre gewählt werden, können sich nur eingeschränkt auswirken, denn ein Veto-Recht haben lediglich die fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Die ausgeprägte Blockadehaltung einzelner ständiger Mitglieder im UN-Sicherheitsrat paralysiert die UN bei wichtigen Entscheidungen. Im Syrienkonflikt hat Russland bereits 11 Resolutionen blockiert!

Die fünf Sieger des Zweiten Weltkrieges und heutigen Veto-Mächte haben sich nach 1945 mit der Welt verändert. Die USA sind Supermacht geblieben, haben aber durch den verlorenen Vietnamkrieg und den ungerechtfertigten zweiten Irakkrieg moralischen Anspruch stark eingebüßt und sehr deutlich an Glaubwürdigkeit verloren. Derzeit reduzieren sich die USA selbst zu einer isolierten Regional-Großmacht. Die Sowjetunion ist inzwischen zusammengebrochen und Russland ist schon lange keine Supermacht mehr. Russland will aber wieder eine Supermacht werden - auf Kosten souveräner Staaten und Nachbarn. Mit der Annexion der Krim hat Russland das Völkerrecht gebrochen und mit dem verdeckten Krieg gegen die Ukraine hat Russland das Vertrauen der westlichen Welt in seine Berechenbarkeit als Partner verloren. Als eine Reaktion blockiert Russland seit sechs Jahren Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zum Bürgerkrieg in Syrien durch sein Veto. Russland geriert sich inzwischen als Gegner der westlichen Welt und befindet sich derzeit in einer Vorstufe eines neuen Kalten Krieges mit seinem „Veto-Partner“ USA. Das kommunistische China hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung geleistet und strebt aggressiv die Vorherrschaft im pazifischen Raum an, das hat eine gleichsam natürliche Gegnerschaft mit den USA zur Folge und begründet eine stark eingeschränkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat. Großbritannien repräsentiert nicht mehr das British Empire, hat an Bedeutung in der Weltpolitik und auch in Europa stark eingebüßt und deswegen ist auch seine privilegierte Stellung mit ständigem Sitz im Weltsicherheitsrat und Vetorecht nicht mehr gerechtfertigt. Frankreich versteht sich unverändert selbst als Grande Nation, ist aber politisch und mit seiner desolaten Wirtschaft weit davon entfernt, dem selbstgesetzten Anspruch nur annähernd gerecht zu werden. Deswegen ist auch eine privilegierte Stellung Frankreichs in den Vereinten Nationen nicht mehr gerechtfertigt.

Diese Lage führt mitten in der heutigen Krisenwelt zu häufiger Selbstblockade des UN-Sicherheitsrates durch die fünf Vetomächte. Daraus erwächst eine Ohnmacht der UN zu einer Zeit, wo sie dringend in der Krisenregion Naher und Mittlerer Osten gebraucht würden. Diese Ohnmacht lässt am möglichen Erfolg und zunehmend auch am Sinn der Weltorganisation zweifeln.

Die augenblickliche Lage in Syrien bestärkt solche Zweifel. Die eingeschränkt interessierte Weltöffentlichkeit ist zunächst einmal dadurch beschwichtigt, dass die UN überhaupt eine Resolution zustande gebracht haben. Im Namen, und teilweise unter Vorwand, des Kampfes gegen den Terrorismus wird von allen Kriegsparteien weiter geschossen – unter Inkaufnahme der schlimmen Kollateralschäden, die die syrische Zivilbevölkerung erleiden muss. Syrien darf also mit Hilfe von Russland und dem Iran eine militärische Lösung erzwingen. Die Türkei darf ungehindert schon am Tag nach der Resolution - unter Vorwand des Kampfes gegen Terror - erklären, dass sie den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen nordsyrische Kurden, die die Türkei nicht bedrohen, fortsetzen wird. Auch die Akteure der Stellvertreterkriege im Nahen und Mittleren Osten - USA-Israel-Saudi Arabien gegen Russland-Iran-Türkei-Syrien – werden weiter versuchen, ihre unterschiedlichen Ziele zu erreichen und so lange wird es keinen Frieden in Syrien geben – trotz aller Konferenzen.

Der syrische Bürgerkrieg ist auch stark gekennzeichnet durch zahlreiche und wiederholte Verbrechen gegen die Menschlichkeit und es wäre höchste Zeit, dass die internationale Gemeinschaft endlich die syrische Bevölkerung schützt. Aber angesichts der beschämenden Hilflosigkeit der Vereinten Nationen wird die Welt diesem blutigen Konflikt noch lange zuschauen müssen. Wenn die UN wieder handlungs- und durchsetzungsfähig werden wollen, müssen sie sich reorganisieren – angefangen mit dem UN-Sicherheitsrat!

Im syrischen Bürgerkrieg hat die westliche Welt versagt, ist vor der aggressiven Geo-Politik Putins eingeknickt und hat so ihre Werte verraten. Dafür müssten wir uns wirklich schämen!

(01.03.2018)

 

Bei Interesse lesen sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/unitednations.html

 

 

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