Hans-Heinrich Dieter

Attraktive Streitkräfte   (01.11.2014)

 

Die Bundeswehr soll als Arbeitgeber attraktiver werden - ja nach der Ministerin sogar zum "attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands". Dazu hat Verteidigungsministerin von der Leyen ein umfangreiches und Millionen schweres Programm vorgestellt. Unter anderem sollen Familie und Beruf besser in Einklang gebracht werden, die Arbeitsbelastung soll im Regeldienst auf 41 Wochenstunden zurückgefahren werden und Sold, Gehalt sowie Zulagen sollen erhöht werden. Darüber hinaus sollen die Liegenschaften und Unterkünfte in einen nach heutigen Standards bewohnbaren Zustand gebracht werden. Das alles kostet in den nächsten Jahren Millionen Euro, 2016 allein 300 Millionen. Die geplante Finanzierung ist - vorsichtig ausgedrückt - noch nicht transparent. Aber das Geld wäre gut angelegt, wenn die Bundeswehr dadurch ihre Personalnot beseitigen und genug wirklich qualifiziertes Personal gewinnen kann.

Frau von der Leyen hat Recht, wenn sie sagt: "Gutes Personal ist ebenso wichtig wie gute Ausrüstung." Und an genug guter Ausrüstung für die Auslandseinsätze und gleichzeitigem Ausbildungs- und Übungsbetrieb fehlt es auch in erheblichem Umfang, da braucht man die peinliche Einsatzbereitschaftslage beim Fluggerät der Luftwaffe und der Marine nicht erneut zu thematisieren. Die Bundeswehr muss außerdem in Kriegen Aufträge erfolgreich ausführen, und das heißt kämpfen können. In dem Zusammenhang hat die Bundeswehr erhebliche Defizite in der technischen Führungsfähigkeit, in der Aufklärung, Luftunterstützung und Luftrettung. Diese Defizite der - durch die überhastete Aussetzung der Wehrpflicht und permanente Unterfinanzierung - personell und materiell vernachlässigten Streitkräfte zu beseitigen, wird in den nächsten Jahren viel Geld kosten - das bisher sicher noch nicht im Verteidigungshaushalt eingeplant ist.

Die Ministerin hat darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, dass angesichts der aggressiven russischen Großmachtpolitik im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise über eine neue Notwendigkeit hinreichender militärischer Abschreckungsfähigkeit deutscher Streitkräfte nachgedacht werden muss. 2016 soll auch dazu ein neues Weißbuch herausgegeben werden. Wenn dieses Weißbuch nicht nur Papier bleiben, sondern Grundlage für eine Nachsteuerung der derzeitigen "Neuausrichtung" werden soll, dann bedeutet das einen erheblichen Finanzierungsbedarf.

Die Ministerin hat in ihrer kurzen Amtszeit schon vieles angepackt und den grundsätzlich richtigen Weg eingeschlagen. Auf diesem meist steinigen Weg sind noch viele Hürden zu überwinden und es wird abzuwarten sein, ob das Attraktivitätsprogramm tatsächlich die erforderliche Zahl qualifizierter junger Menschen in die Kasernen bringt und dort auch hält. Die Bundeswehr mag ein attraktiver Arbeitgeber werden, aber als Soldat Dienst zu tun ist kein Job wie jeder andere mit tarifvertraglichen Regeln und Rechten sowie gewerkschaftlich durchsetzbaren Ansprüchen. Der heutige Soldat muss sich auch Kriegseinsätzen stellen und das letztlich auch aus Überzeugung wollen. Die Bundeswehr braucht deswegen auch nicht den gewerkschaftsorientierten Arbeitnehmer in Uniform, der sich hauptsächlich für gut bezahlte Ausbildung oder für sein persönliches Wohlergehen interessiert, sondern die Einsatzarmee braucht den beruflich qualifizierten und für das Gemeinwesen und seine Herausforderungen engagierten Staatsbürger in Uniform, der bereit ist, unser Recht und unsere Freiheit tapfer zu verteidigen, wo auch immer.

Solcher Nachwuchs wird das Angebot des Attraktivitätsgesetzes gut finden und nutzen. Wichtiger wird aber für den engagierten Soldaten sein, dass er sinnvolle Aufträge zu erfüllen hat, gute Ausbildung sowie gute Ausrüstung und Bewaffnung eine erfolgreiche Auftragserfüllung auch im Kriegseinsatz ermöglichen und dass sein Einsatz die angemessene gesellschaftliche Anerkennung erfährt. Da hat vor allem das Parlament noch hohe Hürden zu überwinden, denn einige deutsche Parteien haben ein gespaltenes oder gar ablehnendes Verhältnis zur Bundeswehr. Und so lange wie nicht wenige Schulen und auch Universitäten Soldaten der Bundeswehr für Informationsveranstaltungen den Zutritt verweigern, kann kein gesellschaftlich gesundes Verhältnis zu den Streitkräften wachsen.

Die erste große Hürde für Frau von der Leyen wird es sein, die Deckung des gewachsenen Finanzierungsbedarfes gewährleistet zu bekommen. Dazu braucht es intensive sicherheitspolitische Diskussionen im Parlament und in der Öffentlichkeit, um das erforderliche Verständnis für die veränderten militärischen Anforderungen an eine Einsatzarmee und für die andersgearteten Bedürfnisse einer Freiwilligenarmee zu wecken. Ein neues Weißbuch in 2016 kann eine gute Grundlage für diese Diskussion sein, hat aber keinen verpflichtenden Charakter. Die Verteidigungsministerin muss deswegen die Initiative ergreifen und zusammen mit dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium sicherheitspolitische Ziele und Herausforderungen Deutschlands formulieren, im Bundestag diskutieren und zur Abstimmung stellen. Auf der Grundlage eines solchen politisch verbindlichen Dokumentes muss eine neue Konzeption der Bundeswehr geschrieben werden. Diese Dokumente wurden bisher von der Volksvertretung höchstens zur Kenntnis genommen. Das reicht heute nicht mehr. Die zukünftige Konzeption der Bundeswehr (KdB) sollte öffentlich und im Parlament intensiv diskutiert werden und dann muss der Bundestag diese Konzeption verabschieden und damit zu einem auch die Volksvertreter verpflichtenden Dokument machen.

Auf einer solchen Grundlage könnte das Parlament für die Parlamentsarmee Bundeswehr stärker in die Verantwortung genommen werden, die Öffentlichkeit wäre besser über Sicherheitspolitik informiert und die Anerkennung militärischen Engagements für unsere Gesellschaft könnte wachsen. Die Bundeswehr wäre dann als Arbeitgeber und als Dienstherr attraktiver.

(01.11.2014)

 

 

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