Hans-Heinrich Dieter

Abzug aus Afghanistan   (16.04.2021)

 

Nach der Entscheidung von US-Präsident Biden, die US-Soldaten nach 20 Jahren Krieg zum 11. September nach Hause zu holen, leitet nun auch die NATO das Ende ihres Einsatzes in Afghanistan ein. Die Außen- und Verteidigungsminister der 30 NATO-Mitgliedstaaten einigten sich darauf, am 1. Mai 2021 „geordnet, koordiniert und überlegt“ mit dem Truppenabzug zu beginnen. Alle NATO-Truppen sollen Afghanistan demnach „innerhalb weniger Monate“ verlassen. Sollten die islamistischen Taliban während der Rückzugsoperationen Angriffe auf alliierte Truppen verüben, will man das mit entschlossenen militärischen Reaktionen beantworten.

Nach den Plänen der Bundesregierung könnten die 1100 Soldaten der Bundeswehr bis Mitte August 2021 geordnet und gesichert abgezogen werden. Mit dieser Entscheidung steht für die Bundeswehr der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte vor seinem Ende. 59 deutsche Soldaten ließen in Afghanistan ihr Leben, von ihnen wurden 35 in Gefechten oder bei Anschlägen getötet.

Nachdem die USA wieder bereit sind, mit der NATO zusammenzuarbeiten und das Prinzip „gemeinsam rein, gemeinsam raus“ in die Tat umzusetzen, ist es richtig, sich gemeinsam aus einer strategisch auf Dauer nicht haltbaren Lage zurückzuziehen.

In Afghanistan hat die westliche Staatengemeinschaft ab 2001 mit dem naiven Ziel interveniert, aus einer vom Islam dominierten, unterentwickelten, mittelalterlichen Stammesgesellschaft eine rechtsstaatliche „Westminster-Demokratie“ mit guter Staatsführung zu machen – und ist gescheitert. Afghanistan will nicht nach westlicher Façon selig werden, Afghanistan will unser Geld. Nach fast 20 Jahren massiven und kostenintensiven militärischen Einsatzes sowie humanitärer und wirtschaftlicher Investitionen terrorisieren die erstarkenden Taliban weiterhin das afghanische Volk, ist die Korruption nicht im Griff und wurde die Drogenproduktion weiter ausgebaut. Neben den Taliban-Terroristen ist außerdem der Islamische Staat aktiv. Positive Perspektiven gibt es nicht und von demokratischen Strukturen ist das Land noch weit entfernt. Das erfolglose Ende des westlichen Engagements in Afghanistan wird uns teilweise entlasten aber den Taliban die Machtübernahme ermöglichen. Aber offensichtlich zieht eine Mehrheit der Bevölkerung ein von den Taliban stark beeinflusstes, wenn nicht gar beherrschtes, gesellschaftliches System einer westlich orientierten Demokratie vor. Das muss man respektieren – und Afghanistan eigenverantwortlich werden lassen!

Mit dem jetzt angekündigten Abzug der NATO wird der Erfolg von Friedensverhandlungen allerdings unwahrscheinlicher. Der Abzug wird durch die Taliban als Sieg gefeiert werden und sie können die Entwicklung aussitzen. So befürchten denn auch viele Beobachter neues Chaos in Afghanistan nach einem Abzug der westlichen Truppen. Denn de facto kontrollieren die Taliban bereits jetzt schon mehr als die Hälfte des Landes, die zerstrittene Regierung hat nur über Kabul und die nähere Umgebung die Kontrolle. Unter anderem im Waghaz-Distrikt haben die Terroristen bereits ein erstes (allerdings noch nicht anerkanntes) islamisches Emirat geschaffen. So könnte Afghanistan unter den Taliban durchaus wieder eine Brutstätte für den islamistischen Terror werden! Afghanistan ist leider für die USA – und die westliche Welt – als politische und militärische Niederlage zu werten, wie schon Vietnam und Irak. Und trotzdem wird es hohe Zeit für die westliche Welt, Afghanistan endgültig den Rücken zu kehren und jegliche finanzielle und wirtschaftliche Hilfe einzustellen!

Mir tut es leid um die Gefallenen, Verwundeten und hochengagierten Soldaten der NATO, denn ihr Einsatz in Afghanistan hat kein positives Ergebnis erbracht!

(16.04.2021)

 

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