Vernetzter Ansatz
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„Vernetzter Ansatz“ (17. April 2009)

 

 

Das Thema „Vernetzter Ansatz“ oder auch „Umfassender Ansatz“ – auf gar keinen Fall aber Kriegführungs-Ansatz – wurde auf dem NATO-Gipfel  von deutscher Seite so intensiv wiederholt, dass die NATO-Partner hinter den Kulissen schon schmunzeln mussten.

Deutschland will sich nicht stärker engagieren, möglichst keine zusätzlichen Truppen bereitstellen und möglichst wenig zusätzliches Geld verfügbar machen. Deutsche Politiker wollen der Bevölkerung gerne vorenthalten, dass sich die NATO in Afghanistan im Kriegseinsatz befindet und ihr weismachen, dass dort, wo Deutschland Verantwortung trägt, ausschließlich Frieden stabilisiert wird – mit Erfolg natürlich. Während alle anderen die Verschlechterung der Lage in Afghanistan feststellen, sieht Verteidigungsminister Jung Fortschritte und eine positive Entwicklung in die richtige Richtung. Das liegt wohl am „vernetzten Ansatz“, für dessen Erfinder er sich hält.

Vernetzte Sicherheitspolitik ist natürlich zukunftsorientiert, erfolgversprechend und richtig. Man darf aber nicht nur vollmundig von vernetzter Sicherheitspolitik reden, sondern man muss sie erfolgreich in die Tat umsetzen.

Die fehlenden politischen und strategischen Grundlagen, sowie die unzureichende Organisation zur Koordinierung vernetzter Sicherheitspolitik habe ich an anderer Stelle schon diskutiert. (siehe dazu auch:
www.md-office-compact.de/VernetzteSicherheitspolitik.htm) Diese eklatanten politischen Mängel, die Mittelmäßigkeit vieler Politiker und die Tatsache, dass Politiker in Wahljahren ohnehin nur bedingt zurechnungsfähig zu sein scheinen, führen dazu, dass wir aus Fehlern nicht lernen und es bei Schlagworten in Schönwetterreden bleibt. Und es gibt ja auch leider genug Politiker, die damit zufrieden zu sein scheinen, wenn sie ihre Schlagworte und Stereotype medienwirksam losgeworden sind.

Da reist die Kanzlerin nach dem NATO-Gipfel nach Afghanistan. Präsident Obama reist in den Irak, da will man nicht nachstehen. Der Außenminister weiß davon nichts, die Entwicklungshilfeministerin ist schon gar nicht informiert. Wenn der Außenminister nichts weiß, dann weiß sein Sonderbeauftragter Müggelburg in Afghanistan auch nichts. Wie soll denn die wichtige Reise der deutschen Regierungschefin unter diesen Rahmenbedingungen vernünftig und umfassend „vernetzt“ vorbereitet werden und politischen Erfolg haben? Wenn sie allerdings nur mit ihrem CDU-Spezi Jung Wahlkampf machen will, dann sind die Steuergelder falsch eingesetzt und außerdem ist die Truppe im Einsatz zu schade, um für Wahlkampf benutzt zu werden. Auch die Bundeskanzlerin hat vor der Truppe vom „vernetzten Ansatz“ gesprochen – wer sollte ihr auch etwas Sinnvolleres und auf die Truppe Zugeschnitteneres aufbereitet haben?-, ihr Besuch hatte damit allerdings nichts zu tun. Schlagworte reichen halt für diesen kurzen und sehr frühzeitig abgebrochenen Besuch.

Und darüber hinaus geht es ja auch darum, erfolgreich Piraten zu jagen. Die deutsche Marine ist mit Fregatten und Versorgern im Rahmen der EU-Mission ATALANTA vor Ort dabei.

Sehr erfolgreich ist die Mission bisher nicht, denn sie soll ja hauptsächlich präventiv wirken. Die Abschreckung funktioniert allerdings nicht so recht, denn die Piraterie am Horn von Afrika hat quantitativ und qualitativ zugenommen. Aber vielleicht wissen die Piraten ja auch, auf welch dünnem Eis und wie politisch schlecht vorbereitet einige EU-Partner an ATALANTA teilnehmen.

Im deutschen Falle wurde der Einsatz von Marineeinheiten politisch entschieden, ohne dass die rechtlichen Rahmenbedingungen klar geregelt waren. Erst als die ersten Piraten festgesetzt waren, wurde rechtlich festgestellt, wie sie zu behandeln seien und was weiter mit ihnen geschehen sollte. Die Unfähigkeit von Politikern und die unzureichend vernetzte Politik springt einen auch hier förmlich an : es fehlt ein überzeugendes Konzept, es fehlt eine klare Linie und offensichtlich ist es dem Bundeskanzleramt nicht gelungen, das Justizministerium zeitgerecht und erfolgreich einzubinden. Ein Insider formuliert es so: „es fehlt an einem Minister, der Soldaten erst dann einsetzt, wenn die Voraussetzungen für eine Auftragserfüllung geschaffen sind, bzw. ein Generalinspekteur, der ihn mutig dahingehend berät.“

Und es kommt noch schlimmer.

Bei der möglichen Befreiung von 5 deutschen Piraten-Geiseln und anderen auf der „Hansa Stavanger“ kommt es in den Köpfen der Politik zu einem Kompetenzwirrwarr und in Folge zu einem Kompetenzengerangel zwischen Innen- und Verteidigungsministerium; wer ist zuständig, KSK oder GSG 9? Und so schreibt die FAZ am 15.04.2009 unter der wirklichbezeichnenden Überschrift „Getrennt marschieren, gar nicht schlagen“ : „Amerikanische Entschlossenheit und deutsches Kompetenzwirrwarr – so lassen sich einige Meldungen über die Geiselnahmen vor Somalia zusammenfassen“.

Es ist wie immer. Deutschland hat kein strategisches Konzept, keine ressortübergreifend formulierte vernetzte Zielsetzung und Deutschland hat keinen Bundessicherheitsrat, sondern ein mit der Koordinierungsaufgabe überfordertes Kanzleramt.

Ein kompetentes ressortübergreifend und gemeinsam besetztes Koordinierungsgremium wüsste sehr genau, welche Kompetenzen, Zuständigkeiten und Fähigkeiten die unterschiedlichen Ressortmittel haben, unter welchen politischen, rechtlichen und taktischen Rahmenbedingungen sie erfolgreich zum Einsatz gebracht werden können und vor allem, wie sie zusammenwirken und sich ergänzen können.

Dieses Gremium wüsste, dass das Kommando Spezialkräfte gerade auch für Geiselbefreiungen außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes geschaffen wurde, deswegen hochprofessionell ausgebildete Spezialkräfte für die weltweite Befreiung von Geiseln einsatzbereit hält und in diesem Falle zuständig ist – insbesondere weil es ja auch um das Zusammenwirken mit Seestreitkräften ginge.

Dieses Gremium würde aber einen Vorschlag erarbeiten können, der sich nicht an Zuständigkeiten sondern an den gegebenen Rahmenbedingungen und den entsprechenden Erfolgsaussichten orientiert. So könnte Deutschland auch international souveräner werden, die paranoide Angst vor einem Kriegswaffeneinsatz überwinden und der politischen Erpressbarkeit, bzw. der durchaus berechtigten Erwartung der Terroristen auf die Erfüllung von Lösegeldforderungen entgegenwirken.

So könnte vermieden werden, dass Deutschland lediglich staunt, wenn die USA oder Frankreich Geiseln befreien und dabei Piraten erschießen, dass Deutschland an sich auch ganz gerne offensiv gegen Piratenmutterschiffe vorgehen würde, sich aber nicht traut, und der Bundeswehrverband – wie peinlich – eine härtere Gangart gegen die Piraterie fordert. Die Bundesregierung, von der „Soldatengewerkschaft“ zum Jagen getragen?

Die politische Realität „vernetzter Ansätze“ ist einfach nur peinlich!

( 17. April 2009)

 

 

 

 

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