Hans-Heinrich Dieter

Zurück zur Wehrpflicht?   (06.07.2020)

 

Die neue Wehrbeauftragte Högl hat im Zusammenhang mit der aktuellen Extremismus-Diskussion der Bundeswehr im Allgemeinen und den Soldaten des Kommando Spezialkräfte im Besonderen übel nachgeredet, ohne für ihre Behauptungen Fakten und Beweise aufzeigen zu können. Und weil sie offensichtlich glaubt, sich profilieren zu müssen, schlägt sie im Zusammenhang mit dem KSK eine Problemlösung vor: „Wenn es eine Häufung von Fällen gibt, brauchen wir im Rahmen des Möglichen mehr Transparenz, vielleicht eine geringere Dauer des Einsatzes in so einer Elitetruppe und vor allen Dingen noch viel mehr Personen, die bunt und vielfältig sind.“ Hier kommt schon eine gehörige Portion von Unkenntnis und Unverstand zum Ausdruck!

Nun schlägt Högl die Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht vor und will damit offensichtlich die Bundeswehr „bunter“ und „vielfältiger“ machen sowie Rechtsradikalismus in den Streitkräften entgegenwirken. Dieser Vorschlag Högls stößt in Politik und Medien auf breite Ablehnung. Die SAARBRÃœCKER ZEITUNG, das Hausblatt der Verteidigungsministerin, fasst das ganz gut zusammen: „So richtig es ist, braunem Gedankengut in der Truppe den Garaus zu machen, so sehr ist die Wehrbeauftragte dabei über das Ziel hinausgeschossen. Nötig sind eine gute politische Bildung und eine innere Führung, die falsch verstandener Kameradschaft keinen Freiraum lässt. Darauf sollte Högl ihre Energie verwenden, anstatt fruchtlose Debatten zu befeuern.“

Högl hat ihr selbstgestecktes Profilierungsziel erneut verfehlt und gezeigt, dass sie die erforderlichen Sachkenntnisse für eine erfolgreiche Bewältigung ihrer Aufgaben noch nicht erwerben konnte. Und die SPD hat gezeigt, dass sie mit der Personalauswahl Högl ausschließlich parteitaktische Interessen verfolgt hat, ohne das Wohl der Bundeswehr im Auge zu haben! Selbst die weit linksaußen angesiedelten SPD-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans erkannten den Fehler und erklärten, die Wehrpflicht sei kein Mittel, um rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr vorzubeugen: „Die Wehrpflicht gehört zu den immer wiederkehrenden Themen und steht nicht im Zusammenhang mit der gefährdeten Demokratiefestigkeit einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflichtigen besetzt worden sind …“ Und auch der beste Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, sieht die Wehrpflicht-Idee skeptisch. Er meint, man könne über die Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht trefflich diskutieren: „Aber die ohne Zweifel notwendige Bekämpfung des Rechtsradikalismus reicht als Begründung dafür nicht aus.“

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer ist ebenfalls gegen eine Wiederbelebung der Wehrpflicht in alter Form. Sie will den Zusammenhalt in der Gesellschaft fördern und kündigt in diesem Zusammenhang einen neuen Freiwilligendienst - unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschland“ - in der Bundeswehr an, der eine sechsmonatige militärische Grundausbildung sowie daran anschließende heimatnahe Reserve-Einsätze beinhalten soll. Bei der Ablehnung der Wiedereinführung der Wehrpflicht durch AKK ist sicher richtig, dass für die Wiedereinführung der Wehrpflicht Kasernen und Kreiswehrersatz-ämter wieder aufgebaut und aktiviert werden müssten. Außerdem würden für die neuen Grundwehrdienstleistenden die Ausbilder sowie die Bewaffnung und Ausrüstung fehlen. Die Milliarden, die das alles verschlingen würde, werden dringend für die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nach NATO-Kriterien bis 2031 gebraucht – und das muss das vorrangige Interesse der Bundeswehr und ihrer Ministerin sein! Der Nachteil der noch unausgegoren wirkenden, konkret schwer vorzustellenden Gedanken von AKK ist allerdings, dass auch hier immense Kosten entstehen würden, die mit dem dringenden Sanierungsbedarf für die Bundeswehr nicht in Einklang zu bringen sind. Der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wäre durch das „Jahr für Deutschland“ auch nicht gedient!

Blicken wir zurück und bewerten unsere Erfahrungen. Die Wehrpflicht wurde am 01.07.2011 überhastet ausgesetzt, ohne dass die Rahmenbedingungen für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr eindeutig geregelt waren. Über das Aussetzen der Wehrpflicht wurde unzureichend informiert und die Konditionen für den freiwilligen Dienst wurden mangelhaft kommuniziert, auch weil es noch kein stimmiges Konzept gab und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung noch nicht entschieden oder noch nicht wirksam waren. Das Aussetzen der Wehrpflicht wurde also im Schnelldurchgang mitten in die Planungen für die Neuausrichtung der Bundeswehr hinein realisiert und so zu einer zusätzlichen Belastung, anstatt eine Übergangszeit im Einklang mit der Einnahme einer neuen Struktur zu verfügen. Fehler über Fehler!

Die Wehrpflicht wurde in Deutschland aber auch sehr lange halbherzig und nicht hinreichend gerecht gehandhabt. Auch deswegen wurde im Zusammenhang mit der veränderten sicherheitspolitischen Lage nach der Vereinigung und mit den damals stark reduzierten Mobilmachungserfordernissen immer häufiger und mit Recht die Sinnfrage gestellt. Die Schwarz-Gelbe Bundesregierung hatte zudem den Grundwehrdienst in Richtung Sinnlosigkeit verkürzt und ad absurdum geführt. Man verlangte von den jungen Staatsbürgern einen militärisch unsinnigen und sicherheitspolitisch nicht zu begründenden, zu kurzen Wehrdienst. Diese schweren Fehler in der politischen Handhabung der überhasteten Maßnahme  haben sich sehr negativ auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ausgewirkt, denn die Streitkräfte haben in der Folge nicht genug und vor allem auch nicht die qualitativ richtigen Freiwilligen verpflichten können. Und die Verankerung der Bundeswehr in die Gesellschaft wurde auch brüchig. Ob eine nun wiederbelebte Wehrpflicht diese Probleme lösen würde, darf stark bezweifelt werden.  

Denn in unserer Gesellschaft ist das Interesse an der Bundeswehr sehr wenig ausgeprägt und, wenn es gut geht, durch "freundliches Desinteresse" gekennzeichnet. In Deutschland darf man Soldaten ungestraft „potenzielle Mörder“ nennen. Die Berichterstattung in den meisten Medien konzentriert sich auf Negativaspekte, auf Skandale und Fehlleistungen von Soldaten.

Die politische Leitung unter von der Leyen hat das Vertrauen der Soldaten nachhaltig verspielt. Die Bundeswehr wird auf regionaler und kommunaler Ebene eher als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen, denn als Organisation, in der es eine Ehre ist, zu dienen. Die Teilnahme der Soldaten der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan wird durch die Mehrheit der Bevölkerung negativ beurteilt, mehrheitliche Solidarität ist von dieser Gesellschaft für Soldaten derzeit nicht zu erwarten. Die Haltung der Gesellschaft der Bundeswehr gegenüber ist indifferent. Die Bundeswehr genießt in der Gesellschaft nicht die Anerkennung, die sie verdient. Ein Wiederbeleben der Wehrpflicht wird die mehrheitlich sicherheitspolitisch ungebildete und desinteressierte deutsche Gesellschaft nicht ändern! Darüber darf man auch nicht aus dem Auge verlieren, dass sich Rechtsradikalismus zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem entwickelt hat.

Die einzig sinnvolle Maßnahme wäre aus meiner Sicht deswegen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer, die in der Bundeswehr oder in sozialen und gemeinschaftsdienlichen Einrichtungen erfüllt werden muss. Diese Dienstpflicht darf ein Jahr nicht unterschreiten, muss gerecht organisiert und von der Gesellschaft akzeptiert werden. Ob die derzeit verantwortlichen Politiker in der Lage sein werden, die erforderliche öffentliche Diskussion sachorientiert zu führen, intensiv zu informieren und bürgernah zu kommunizieren, um die erforderliche nachhaltige gesellschaftliche Solidarität zu erzeugen, muss sich zeigen. Ob eine solche sinnvolle und einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung förderliche Maßnahme angesichts unserer wirtschaftlichen Lage und starken Überschuldung realisierbar wäre ist fraglich!

Zurück zur Wehrpflicht? Diese sicherheitspolitische Diskussion ist wichtig, darf aber nicht zur Sommerlochprofilierung missbraucht werden!

(06.07.2020)

 

 

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