Hans-Heinrich Dieter

Zukunftsfähiges Europa   (19.07.2015)

 

In der Griechenlandkrise hat die Europäische Union an Ansehen in der Welt und bei den Mitgliedstaaten stark an Vertrauen verloren.

Dabei fehlt es der Europäischen Union sicher nicht am guten Willen, doch die Union ist von ihrer Struktur her schwach und deswegen zu wirklich gemeinsamer Politik kaum fähig. So gelingt es bisher nicht, für die EU ein außen- und sicherheitspolitisches Konzept zu formulieren, das Grundlage einer mit der NATO und den USA abgestimmten Politik zur Beendigung des Ukraine-Krieges sein könnte. Die 28 Mitgliedstaaten erreichen einstimmig häufig nur einen Minimalkonsens. Die EU selbst hat keine militärischen Mittel, mit denen Macht ausgeübt werden könnte. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist vielmehr der Auffassung, dass Konflikte nur "politisch zu lösen" seien und vergisst dabei, dass in einem Krieg in der Regel erst mit militärischen Mitteln sowie mit einem ganzen Spektrum von Abschreckungsmaßnahmen die Voraussetzungen für politische Lösungen geschaffen werden müssen. Die EU stimmt sich insgesamt mit der NATO zu wenig ab und wird von den USA in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe wahrgenommen. Deswegen ist die EU auch bei der Lösung des Ukraine-Konflikts nur eine Institution am Rande des Geschehens.

Die Staaten des Weimarer Dreiecks - Deutschland, Frankreich und Polen - haben jüngst in einem gemeinsamen Schreiben der EU-Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik, Frederica Mogherini eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Demnach soll die EU im Bereich der Verteidigung effektiver und auch deutlich sichtbarer sein und dafür die militärischen Fähigkeiten ausbauen. Bei der Stärkung der technologischen und industriellen Basis sowie der Förderung der Verteidigungsforschung soll die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) eine wichtige Rolle spielen. Das alles ist sicher gut gemeint. Aber schon 2007 haben sich die EU-Mitglieder im Lissabon-Vertrag zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bekannt - ohne dass Wesentliches erreicht wurde. Deswegen ist Skepsis grundsätzlich angebracht, ob diese EU jemals in der Lage sein wird, auf der weltpolitischen Bühne als ernstzunehmender sicherheitspolitischer Partner mitzuwirken.

Im Zusammenhang mit der Bewältigung der Griechenlandkrise hat sich Skepsis in grundlegenden Zweifel verändert. Wie soll das Europa der 28 als Solidargemeinschaft zukünftig funktionieren, wenn Mitglieder sich zunehmend unsolidarisch verhalten. Wie soll dieses Europa auf Dauer funktionieren, wenn Mitglieder die selbst gegebenen Regeln nicht einhalten. Wie soll die Wertegemeinschaft Europa mit einem zunehmend undemokratisch agierenden Ungarn und einem betrügerischen Griechenland überleben. Und wie soll die dringend erforderliche vertiefte Integration der Europäischen Gemeinschaft gelingen mit Mitgliedern wie Großbritannien, das Europa lediglich als Freihandelszone sehen will und ständig mit dem Austritt droht, oder Frankreich, das sich als Grande Nation versteht, entsprechend egoistisch auftritt aber seine eklatanten wirtschaftlichen Strukturprobleme mit den regierenden Sozialisten und damit auch seine gefährliche Schuldenlast nicht in den Griff bekommt, und nicht zuletzt Italien, das ähnlich strukturschwach ist wie Frankreich und durchaus zu einem weiteren Problemfall für die Eurogruppe und die EU werden kann? Die Probleme dieses Europa der 28 sind damit nur in groben Zügen und höchst unvollständig beschrieben und deswegen wird es die erforderliche Weiterentwicklung zu einem stärker integrieten Europa nicht geben - auch weil es an einer gemeinsamen Vorstellung fehlt, wie sich die EU politisch entwickeln sollte. Und wer will schon glaubhaft die europäische Einheit forcieren, solange die Briten mit ihrem Austritt drohen?

Die Griechenlandkrise hat außerdem sehr deutlich gemacht, dass eine Zusammenarbeit mit sozialistisch regierten Ländern schwierig ist, weil es zur Bildung gegensätzlicher Lager kommt. Im Streit ob die Eurozone auf der Grundlage der selbst gegebenen Regeln weiter funktionieren oder sich mit einem Mitglied, das dauerhaft an Zuwendungen von außen gebunden ist, zur Transferunion entwickeln soll, waren die Gräben zwischen dem europäischen Norden, der eher die deutsche Verhandlungsposition stützt, und dem romanischen Süden, der mit Frankreich und Italien an der Spitze das sozialistische Griechenland stützt, in starken Konturen zu beobachten. Aus diesen Gräben wurde nicht nur verbal mit teilweise widerlichen Mitteln verleumderisch und unsachlich gekämpft. Dabei hat sich Griechenland doch offensichtlich endgültig gegen Reformen entschieden. Nach dem deutlichen Ergebnis des Referendums ist keine wirkliche Politikwende zu erwarten.Griechenland hat sich gegen Europa und die Solidarität mit der Währungsunion entschieden, nicht umgekehrt! Kommunisten und Sozialisten - die Sowjetunion, die DDR, die Staaten des Warschauer Paktes, und nun die sozialistisch regierten Staaten Südamerikas - haben in der Vergangenheit und Gegenwart ihre Gesellschaften regelmäßig ins Elend gestürzt. Dass moderate Sozialisten wie Hollande und Renzi eher die Solidarität mit dem radikalen Sozialisten Tsipras, der ganz offensichtlich die Werteordnung der EU zerstören will, suchen, als die erfolgsorientierte Politik einer griechischen Staatsinsolvenz außerhalb der EU zu unterstützen, zeugt davon , dass die gemeinsame Wertebasis und der politische Konsens abhanden gekommen sind. Solche Brüche sind nicht mit Minimalkompromissen, die in die Irre führen, zu überkleistern. Der Zusammenhalt ist dahin, die Fliehkräfte überwiegen!

Die deutlich beschädigte und schwache Europäische Union muss an ihrer politischen Zukunft stark arbeiten, wenn sie mehr sein will, als eine bisher weniger erfolgreiche und oft zerstrittene Fiskalunion. Die EU muss sich stärker engagieren und darf auf der weltpolitischen Landkarte keine vernachlässigbare Größe bleiben. Das geht nur mit einer stärker integrierten Europäischen Union. Eine stärker intergrierte EU wird es aber mit den 28 nicht geben, sondern nur mit einer gesundgeschrumpften Union, die strukturell zu einer wirklich gemeinsamen Politik befähigt ist und deren Mitglieder sich solidarisch den gemeinsamen Werten und Regeln verpflichtet fühlen.

(19.07.2015)

 

 

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