Hans-Heinrich Dieter

Wir schaffen das!?   (29.08.2020)

 

Kanzlerin Merkel hatte im Sommer 2015 entschieden, die Grenzen offen zu halten und Hunderttausende Flüchtlinge zunächst ohne Registrierung einreisen zu lassen. Angesichts des enormen Flüchtlingsandrangs sagte sie am 31. August 2015 bei ihrer Sommerpressekonferenz: „Wir schaffen das“. Deutschland sei stark genug, die geflüchteten Menschen aufzunehmen. Das war aber eine krasse Fehleinschätzung!

Statt nachzudenken haben die meisten deutschen Politiker sich dann zunächst über ein „Septembermärchen“ gefreut und waren stolz darauf, dass Deutschland wegen seines Großmutes und seiner Empathie in der Welt vermeintlich wieder geliebt wird. Wir pflegen gerne unsere Illusionen und übersehen dabei die beispiellose politische Fehlleistung!

Denn mit Merkels Entscheidung wurden die Regeln der Dubliner Vereinbarung gebrochen, auf die die Kanzlerin sonst so vehement pocht. Dann waren wir durch die schiere Anzahl der ankommenden Flüchtlinge überfordert und haben sie nicht registriert weiterreisen lassen. Damit haben wir erneut gegen EU-Regeln verstoßen. Wir haben es hier ganz offensichtlich mit wiederholter politischer Fehlleistung zu tun. Als Kanzlerin Merkel dann öffentlich feststellte, dass Flüchtlinge aus Syrien auf keinen Fall zurückgeschickt werden, dann war das wie ein Persilschein für alle Asylsuchenden aus dem Bürgerkriegsland und den Flüchtlingslagern der angrenzenden Staaten. Unser Asylrecht sieht aber vor, dass jedes Asylgesuch zu prüfen und nach Recht und Gesetz zu entscheiden ist. Als dann CSU-Politiker aber auch Ministerpräsidenten und Kommunalpolitiker von Ãœberforderung sprachen und zum Ausdruck brachten, dass wir in Deutschland im Hinblick auf die Flüchtlinge die Kontrolle verloren haben, hat  unsere gefühlsdominierte Bundeskanzlerin öffentlichkeitswirksam gekontert: „Wir schaffen das!“ und „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze.“ Damit hat Frau Merkel Millionen syrische Menschen, die in der Türkei, im Libanon, in Jordanien ausharrten, ganz zu schweigen von denen, die in Afrika und auf dem Sprung über das Mittelmeer waren, geradezu angelockt – verstärkt durch narzisstische Selfies. Damit hat sie damals eine Krise verstärkt, die bis heute nicht bewältigt ist. Da Frau Merkel nie einen Plan oder ein Konzept zur Bewältigung der Krise entwickelt hat, blieb nur kopfloses und hilfloses Reagieren. Da darf man mit Fug und Recht von einer politischen Fehlleistung sprechen. Frau Merkel hat nicht für das Wohl der deutschen Bevölkerung gehandelt, sondern gegen die Interessen des Volkes – mit weitreichenden und nachhaltigen Belastungen!

Und dann verschlimmerte Frau Merkel ihre in diesem Fall sehr schlechte Leistungsbilanz auch noch, indem die promovierte Physikerin sich unfähig zeigte, mit sachlicher Kritik sachlich umzugehen. In Richtung CSU sagte sie: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Die Aussage war und ist in mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Erstens ist die Kanzlerin verantwortlich für unser Land und nicht für ihres. Außerdem reduzierte sie politisches Handeln dabei auf das Äußern von Gefühlen statt sich um zukunftsorientiertes Bewältigen von Problemen zu unserem gemeinsamen Wohl zu sorgen. Drittens schwingt sie die Gefühlskeule und verteufelt alle, die Kritik an ihrer Politik äußern als schlechte deutsche Staatsbürger, mit denen man nicht zusammenleben möchte. Hier haben wir es nicht nur mit einer politischen, sondern auch mit einer menschlichen Fehlleistung zu tun.

Mit ihrer störrischen und uneinsichtigen Art hat die Kanzlerin noch mehr Schaden angerichtet. Teile unserer EU-Partner haben sich damals von Deutschland distanziert. Rechte und nationalistische Kräfte, wie die NPD – und später die AfD - der Front National mit Frau Le Pen und UKIP, haben von Merkels Fehlleistungen profitiert. Die Europäische Union hat bis heute das Quotensystem zur Verteilung von Flüchtlingen nicht durchsetzen können, weil zum Beispiel die osteuropäischen Staaten nicht einsehen, dass sie die von Deutschland nach Europa gelockten Flüchtlinge in immer größeren Zahlen aufnehmen sollen. Die Vielzahl der Brüche der Schengen-Regeln und des Dubliner Ãœbereinkommens, die zunehmende unzureichende Solidarität und der wachsende nationale Egoismus der EU-Partner sowie die unzureichende Migrations-, Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU haben es bis heute verhindert, zu gemeinsamem, werteorientiertem und solidarischem Handeln in der Europäischen Union zurückzufinden. Deutschland hat mit seiner Politik zu dieser Misere massiv beigetragen und die heute erkennbare Spaltung eingeleitet.

Die Jahre seit 2015 sind in Deutschland durch ständig wachsende Probleme gekennzeichnet. Die Ministerpräsidenten der Länder waren sehr unzufrieden mit der unzureichenden Kommunikation der Flüchtlingsproblematik durch die Kanzlerin und die zuständigen Bundesminister. Die Bürgermeister und Kommunalpolitiker waren unzufrieden mit der Kommunikation durch die Länder und wurden durch Entscheidungen immer wieder überrascht und dann auch schnell überfordert. Die strukturellen Kapazitäten erwiesen sich als unzureichend für den Massenandrang von Flüchtlingen und deren berechtigtem Anspruch auf menschenwürdige Versorgung. Die Behörden waren und sind immer noch überlastet und überfordert. Die mit Recht geforderte schnellere Abschiebung von Asylsuchenden aus den Balkanstaaten hat sich nicht umsetzen lassen, weil unser Asylrecht so angelegt ist, dass es auch bei offensichtlichem und festgestelltem Missbrauch zu Verzögerungen durch sehr langfristige Einspruchsverfahren kommt. Unsere Justiz ist außerdem erkennbar überfordert und überlastet. Trotz der politischen Schönfärberei und Verschleierung von Problemen wird auch den größten Optimisten langsam klar, dass es sehr schwer ist, Flüchtlinge – wie gewünscht – schnell zu integrieren und in den Arbeitsmarkt zu bringen, weil bei den meisten Flüchtlingen die Ausbildungs-Voraussetzungen dafür fehlen – es sind keine Facharbeiter sondern mit Masse Hilfsarbeiter gekommen. Das damalige Angebot des Zentralrates der Muslime, Integrationshilfe durch türkische Gemeinden und Helfer zu leisten, war und ist nicht hilfreich, im Gegenteil. Wie sollten auch unsere türkischen Mitbürger, die zusammen mit den arabischen muslimischen Migranten am schlechtesten integriert sind, am intensivsten in Parallelgesellschaften organisiert sind und die höchste Zahl an Jugendlichen ohne Schulabschluss sowie an jungen Bürgern ohne Berufsausbildung aufweisen, hilfreich sein können? Vielmehr mussten wir die akute Gefahr der Anwerbung von Flüchtlingen durch Salafisten und Islamisten zur Kenntnis nehmen. Inzwischen bekämpfen sich junge türkische „Graue Wölfe“ mit jungen Kurden in Deutschland. Es ist zu erwarten, dass türkische Sunniten und syrische Schiiten in Deutschland um die Deutungshoheit im Islam streiten und die muslimischen Stellvertreterkriege des Nahen Ostens in kleinerem Rahmen zu unseren Lasten fortsetzen. Diese Entwicklung wird nur schwer zu kontrollieren sein, denn unsere Behörden, unsere Polizei und unsere Nachrichtendienste haben mit den herkömmlichen Problemen schon genug zu tun. Da ist es erfreulich, dass man inzwischen -zumindest in NRW- gegen die ausgeuferte Clan-Kriminalität vorgeht.

Die Probleme, die wir weiterhin zu bewältigen haben, sind immens. Bisher haben wir es „noch nicht geschafft“. Die immer noch wachsenden überdimensionalen Flüchtlingszahlen überwältigen unverändert. Ein syrischer Flüchtling, der heute ankommt, kann nach Hochrechnungen in der Mitte des nächsten Jahres mit einem ersten Gesprächstermin hinsichtlich eines möglichen Asylverfahrens rechnen! Das wird unsere Sozialsysteme und das tagtägliche Leben in Deutschland sehr stark belasten und zwangsläufig zu politischem und bürgerlichem Unmut führen. Das ist die neue deutsche Realität - und sind die enormen Belastungen und die wachsende Kriminalität von Flüchtlingen und Migranten – die die Bevölkerung stark verunsichern, noch nicht einmal hinreichend diskutiert!

Merkel sollte ihr Spruch vom August 2015 eigentlich inzwischen sehr peinlich sein und sie sollte die Größe und den Mut haben, sich zu korrigieren. So viel Charakter hat Merkel aber offensichtlich nicht! Sie hat im Laufe der Jahre ihre politischen Fehlleistungen – auf Druck – teilweise korrigiert oder nachgesteuert, ohne das allerdings zu thematisieren und zu diskutieren, wie sich das in einer Demokratie gehört. Wie kann sie dann bei der Sommerpressekonferenz 2020 sagen, sie würde die wesentlichen Entscheidungen aus dem Flüchtlingsjahr 2015 wieder so fällen?

Der Chefredaktor der NZZ, Eric Gujer, schreibt am 28.08.2020 zur Thematik:

„Deutschland hat seit der großen Zäsur in der Flüchtlingspolitik einiges geschafft, vieles aber misslang. Die Bilanz fällt besonders schlecht aus, wenn man sich von der Scheinalternative löst, es habe damals nur die Wahl zwischen totaler Offenheit und totaler Abschottung bestanden.

2014 und Anfang 2015 wäre es noch möglich gewesen, den Zustrom zu bremsen und Signale zu setzen, dass Deutschland nicht alle aufnehmen kann. Doch der Versuch, einen vernünftigen Mittelweg zu finden, wurde erst gar nicht unternommen. Die Regierung sah den Sturm heraufziehen – und tat nichts.

Hätte Berlin in den entscheidenden Monaten August bis November anders gehandelt, hätte der Staat nicht vorübergehend abgedankt. Denn das bleibt auf Dauer mit dem Satz „Wir schaffen das“ verbunden: Die Bundesregierung war zeitweise nicht mehr Herrin der Lage. Sie war außerstande, steuernd einzugreifen und einen Kompromiss zwischen humanitärer Großzügigkeit und nationalem Interesse zu finden. Man muss das nicht Staatsversagen nennen, ein Versagen bleibt es allemal.“

Im Lichte dieser klug und treffend formulierten Bilanz wirkt die Kanzlerin doppelt borniert. Das sehen natürlich nicht alle so, denn die „abhängigen“ und „liebedienerischen“ Hauptstadtjournalisten Dunz und Möhle werten heute im Generalanzeiger: „Merkel schafft ihre Kritiker.“

(29.08.2020)

 

Bei Interesse an der Thematik lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/postfaktischemerkel.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/keinplanb.html

 

 

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