Hans-Heinrich Dieter

Waffen für die Ukraine?   (09.02.2015)

 

Russland führt in der Ostukraine einen verdeckten Krieg mit dem Ziel, die Ukraine dauerhaft zu destabilisieren und den Separatisten Geländegewinne in Richtung Krim zu ermöglichen. Putin hat die Initiative und kann nach Belieben eskalieren und Tatsachen schaffen lassen. Bei seinem Handeln wird Putin nicht durch Skrupel behindert, denn er bricht, offensichtlich bedenkenlos, internationales Recht, er missachtet völkerrechtlich bindende Verträge, indem er die Souveränität benachbarter Staaten verletzt und Putin hält sich nicht an Vereinbarungen, die er selbst unterschrieben hat wie das Minsker Abkommen. Und nachdem er mit Lug und Trug das Abkommen hintertrieben hat, erklärt er es als nicht mehr gültige Grundlage für weitere Friedensverhandlungen. Putin verhält sich inzwischen wie ein psychotischer Gegner Europas, der sich in seiner Rolle gefällt, der sich durch den mehrheitlichen Applaus der russischen Bevölkerung bestätigt sieht und von den nachsichtigen und zu wirksamen Gegenmaßnahmen unfähigen ehemaligen westlichen Partnern zu weiterer Eskalation provoziert fühlt.

Russland führt auch einen Propagandakrieg gegen Europa, die USA und gegen die NATO. In Deutschland hat er durchaus erkennbaren Erfolg damit. Während der Münchner Sicherheitskonferenz tritt der russische Außenminister Lawrow mit so haarsträubenden Tatsachenverdrehungen, offensichtlichen Lügen und derart unverfrorener Propaganda auf, dass es selbst dem notorisch langmütigen und daueroptimistischen Außenminister Steinmeier zu viel wird. Er stellt fest: "Wir sind von einer politischen Lösung des Ukraine-Konflikts auch nach dem letzten Verhandlungswochenende weit entfernt". Er fordert von Russland mehr Kompromissbereitschaft: "Es ist auch Moskaus Aufgabe, gemeinsame Interessen zu definieren,".... "Zugleich muss eben auch Moskau klar sein, dass es eine gute Zukunft Russlands nur mit und nicht gegen Europa gibt." Und Steinmeier kritisiert den "Kollegen" Lawrow ungewöhnlich scharf wenn er feststellt, dass der zu solchen positiven Ansätzen bisher nichts beigetragen hat. Wie sollte er auch, denn Lawrow hat als propagandistischer Wadenbeißer Putins ganz andere Aufträge.

In dieser schwierigen Situation wird die Gesamtproblematik durch die Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine verschärft. Und natürlich wird dieses Thema sehr kontrovers diskutiert. Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsministerin von der Leyen lehnen Waffenlieferungen kategorisch mit dem Hinweis ab, dass der Ukraine-Konflikt nicht militärisch sondern nur diplomatisch zu lösen sei. Dabei bringen nicht nur diese deutschen Politikerinnen zum Ausdruck, dass Anwendung von Waffengewalt und Diplomatie sich gegenseitig ausschließen. Und sie gehen von der Annnahme aus, dass sie für diplomatische Anstrengungen einen glaubwürdigen, vertrauenswürdigen und an positiven Ergebnissen orientierten Verhandlungspartner haben. Diese Annahme ist bisher im Zusammenhang mit Russland, Putin und dem Ukraine-Konflikt als irrig und realitätsfern belegt. In den USA wird das zunehmend anders und die deutsche Haltung kritisch gesehen.

Trotzdem macht Kanzlerin Merkel zusammen mit Hollande einen spektakulären Versuch und sucht den Tyrannen bei Hofe in Moskau auf, um fünf Stunden mit ihm über die Beilegung des Konfliktes zu sprechen, freilich ohne greifbare Ergebnisse. Putin freut sich über diese Anerkennung seiner Bedeutung, die Linke und die deutschen Putinversteher loben die Kanzlerin und natürlich hat die Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz für viel kontroversen Gesprächsstoff gesorgt. Denn die Reise war zuvor nicht abgesprochen, selbst der Außenminister wirkte bei der Ankündigung der Initiative überrascht, und die diplomatische Initiative war offenbar nicht gründlich vorbereitet, denn weder die Gesprächsthemen noch die Erfolgsaussichten waren zuvor erkennbar ausreichend ausgelotet. Jetzt wird am Mittwoch ein neues Treffen in Minsk vorbereitet und die Initiative bleibt bei Putin, denn er hat schon schwer zu erfüllende Bedingungen für das Zustandekommen der neuerlichen Verhandlungen gestellt. Das Thema US-Waffenlieferungen an die Ukraine ist damit aus Sicht der Ukraine negativ belastet und die Verschärfung der EU-Sanktionen liegt zunächst auf Eis. Der dringend erforderliche Druck auf Russland hat sich mehr oder weniger verflüchtigt. Und die westliche Welt ist zunehmend uneinig - über Waffenlieferungen, über Art und Umfang von Sanktionen, über die Rolle Putins als Partner oder Gegner und über den angemessenen und erfolgversprechenden Umgang mit dem autokratischen Herrscher. Bisher war die Merkel-Initiative eher ein Misserfolg mit offenen Entwicklungsmöglichkeiten für Putin aber ohne Aussicht auf einen nachhaltigen Waffenstillstand und eine baldige Friedenslösung im Ukrainekonflikt, die die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine respektiert. Putin ist seinem Ziel, einen oder mehrere Keile in die westliche Welt zu treiben näher gekommen.

Russland führt verdeckt Krieg in der Ostukraine und gibt nicht zu erkennen, dass es die permanente Destabilisierung der Ukraine beenden will. Die Minsker Vereinbarungen sollten weiterhin Grundlage für zukünftige Gespräche sein. Solange Putin die Minsker Friedensvereinbarungen nicht einhält und umsetzt, ist er nur ein stark eingeschränkt vertrauenswürdiger Gesprächspartner. Solange sich Putin ganz unverhohlen als Gegner Europas begreift, sollte er nicht hofiert und als Pseudo-Partner behandelt werden. Putin versteht nur Klartext und konsequentes Handeln. Deswegen sind Ankündigungen von Waffenlieferungen durchaus dazu geeignet, eine glaubwürdige Drohkulisse aufzubauen, um auch so Moskau zu ernsthaften Verhandlungen zu bewegen. Lavierende Zugeständnisse wertet Putin als Schwäche eines "dekadenten" Westens, der zu feige ist, dem Schaffen von geostrategischen Tatsachen mit militärischen Mitteln entschieden entgegenzutreten und der den Bruch internationalen Rechtes irgendwann - wie im Falle der Krim - achselzuckend als gegeben hinnehmen wird. Deswegen ist es ein falsches Signal in Richtung Putin, militärische Hilfe für die Ukraine kategorisch auszuschließen. Dabei ist es keine Grundsatzfrage ob Russland besser mit Waffen oder mit Diplomatie entgegenzutreten sei, denn beides schließt sich nicht aus. Nötigenfalls muss durch glaubhafte Abschreckung mit Waffen erfolgreiche Diplomatie erst möglich gemacht werden. Da die Europäer Russland vor Aggression nicht erfolgreich abschrecken können, müssen die USA im Einklang mit der EU und der NATO diese Rolle übernehmen und die EU muss über deutlich verschärfte Sanktionen die Wirtschaft Russlands so nachhaltig schwächen, dass die Nachteile von Putins aktueller Politik auch für die russische Bevölkerung erkennbar die nationalistischen Vorteile überwiegen. Ohne massiven vielfältigen Druck wird Putin Gesprächsbereitschft nur heucheln und seine Neu-Russland-Ziele stur und konsequent verfolgen - zum Nachteil seiner Nachbarn. Da sich das Druckmittel Waffenlieferungen nicht schnell genug auswirken oder nicht genutzt werden wird, sind deutlich verschärfte Sanktionen dann dringend geboten, wenn Russland sich nicht umgehend bereitfindet, den Waffenstillstand von Minsk umzusetzen und nachprüfbar einzuhalten. Das Gespräch Obama - Merkel trägt hoffentlich zu gemeinsamem, abgestimmtem Handeln bei.

Bisher hat Putin deutlich gemacht, dass er mit militärischer Gewalt gewinnen kann, wenn man ihm keine Gewalt entgegensetzt. Bisher waren alle diplomatischen Bemühungen wirkungslos. Ziel aller Maßnahmen muss es sein, den Aggressor an den Verhandlungstisch zu bringen, um einen für alle Seiten akzeptablen Frieden zu erreichen. Frieden um jeden Preis und zu den Bedingungen des Agressors darf die westliche Welt aber nicht akzeptieren und darf dem ukrainischen Volk auch nicht zugemutet werden.

(09.02.2015)

 

 

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