Hans-Heinrich Dieter

Verteidigungsinvestitionen   (27.01.2017)

 

Nach der Kritik von US-Präsident Trump an den Mitgliedstaaten der NATO, die ihren "fairen Anteil" an den Kosten des Bündnisses nicht leisteten, fordert Bundesverteidigungsministerin von der Leyen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, dass die europäischen Mitgliedstaaten der NATO ihren gerechten Anteil an den Belastungen übernehmen müssten und verwies dabei auf steigende Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt 2017. Trump erklärte in diesen Zusammenhängen die NATO für „obsolet“ und drohte mit dem Abzug von US-Truppen aus Europa. Der politisch unerfahrene Trump hat in kürzester Zeit schon sehr viele nicht durchdachte, ärgerliche und auch sachlich falsche Statements oder Tweets von sich gegeben und die westliche Welt erschreckt. Wenn er die NATO aber als „veraltet“ bezeichnet, dann liegt er nicht ganz falsch und vor allem hat er Recht, wenn er von den NATO-Mitgliedstaaten den "fairen Anteil" an den Kosten des Bündnisses, also die vereinbarten 2 Prozent des jeweiligen Brutto-Inlandsproduktes (BIP) als jährliche Verteidigungs-Investitionen fordert. Denn die Unterfinanzierung der Streitkräfte der meisten NATO-Mitgliedstaaten hat ja tatsächlich zumindest zu einer technologischen „Veralterung“ mit Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit geführt.

Frau von der Leyen sieht das auch so und ruft Europa zu mehr finanziellem Engagement auf. Die Mitgliedstaaten werden sich da fragen, mit welcher Berechtigung die deutsche Verteidigungsministerin mehr Engagement einfordert, wo doch Deutschland seit Jahren bei etwa 1.2 unrühmlichen Prozent am BIP als Verteidigungsinvestition herumdümpelt und die Bundeswehr deswegen in Teilen auch „veraltet“ ist, weil sie stark veraltete Führungs- und Aufklärungssysteme, keine ausreichende Cyber-Fähigkeiten, keine Kampfdrohnen und keine hinreichend moderne Lufttransportkapazität hat - um nur wenige markante Beispiele zu nennen. Bevor Deutschland Forderungen an Europa stellt, sollten wir unserer eigenen Verantwortung als Mitglied der NATO besser und den Vereinbarungen entsprechend gerecht werden!

Der Wehrbeauftragte Bartels hat im Jahresbericht 2015 der Bundeswehr „planmäßige Mangelwirtschaft“ vorgeworfen und die Medien haben schon mehrfach vom „Trümmerhaufen“ oder „Sanierungsfall“ Bundeswehr berichtet. Diese Diktion und die Höhe der erforderlichen Investitionen in den Verteidigungshaushalt - immerhin will die Ministerin in den nächsten 15 Jahren 130 Milliarden allein in die Modernisierung der Bundeswehr investieren - zeigen das Maß des bisherigen politischen Versagens deutlich auf.

Aber es tut sich offensichtlich trotzdem nicht sehr viel. Probleme werden auf die lange Bank geschoben und Schwerpunktsetzungen bei Genderfragen, Multikultiproblematik, fragwürdigen Dienstzeitregelungen und Compliance-Papieren (vulgo: Maulkorberlass) tragen nicht zur Erhöhung der Einsatzfähigkeit bei. Im Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2016, der in der letzten Woche im Parlament diskutiert wurde, hält Bartels den über 2017 hinaus geplanten Aufwuchs der Verteidigungsausgaben für „zu gering“, um die personellen und materiellen Lücken der Bundeswehr schließen zu können. Die unzureichende Ausstattung mit Großgerät - Panzer, Hubschrauber, Schiffe - mit Munition und mit zeitgemäßer Ausrüstung - von Nachtsichtgeräten, moderner Funkausstattung für die Fahrzeugflotte bis hin zur Schutzbekleidung - sowie vielfältige Mängel gefährden nach dem Bericht inzwischen schon „Ausbildung, Ãœbungen und Handlungssicherheit im Einsatz“. Handlungsunsicherheit im Einsatz darf nicht zugelassen werden.

Die „planmäßige Mangelwirtschaft“ geht also weiter, denn die Steigerung des Verteidigungshaushaltes 2017 um 1,7 Mrd. auf 36,6 Mrd. Euro und die schrittweise Erhöhung bis 2020 auf 39,1 Mrd. Euro bleiben weit unter den Forderungen der Ministerin zur Deckung des von ihr festgestellten „riesigen Modernisierungsbedarfs“ und nähern sich der mit der NATO vereinbarten Investition von 2 Prozent am BIP nur minimal an. Die Sanierung verzögert sich weiter und die Vollausstattung der Streitkräfte lässt weiter auf sich warten.

Die jahrelange Unterfinanzierung hat bei der Bundeswehr zu vielen Altlasten und starken Mängeln in den Bereichen Personal, Material und Infrastruktur geführt. Dadurch wirken die Streitkräfte veraltet, unmodern und unattraktiv und Zweifel an ihrer allgemeinen Einsatzfähigkeit kommen auf. Da muss die deutsche Politik ihrer Verantwortung stärker gerecht werden und sollte für die europäischen NATO-Mitglieder eine Vorbildrolle anstreben - nicht nur reden. Wenn Trump da etwas aufrüttelt, kann das positiv wirken!

(27.01.2017)

 

 

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