Hans-Heinrich Dieter

Vernetzte Sicherheitspolitik?   (07.12.2021)

 

Im Ampelvertrag heißt es im vorletzten Kapitel: „Wir setzen uns für eine echte Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa ein. Die EU muss international handlungsfähiger und einiger auftreten.“ Und weiter: „Unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir wertebasiert und europäischer aufstellen. Die deutsche Außenpolitik soll aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen.“ Und darüber hinaus: „Auftrag und Aufgabe der Bundeswehr müssen sich an den strategischen Herausforderungen und Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit orientieren. Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr muss sich daraus ableiten. Die Bundeswehr muss entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell, materiell sowie finanziell verlässlich ausgestattet werden.“

Weil Deutschland seit über zwanzig Jahren von vernetzter Sicherheitspolitik nur platt redet, ohne sie zu etablieren, macht das zunächst Hoffnung. Bisher ist die Realisierung an der unzureichenden Wahrnehmung der Richtlinienkompetenz durch Kanzlerin Merkel und an der Unfähigkeit der SPD-Außenminister gescheitert. Die Auswirkungen dieses Scheiterns haben wir am Ende des Afghanistaneinsatzes erleben müssen. Da wäre es ein wirklicher „Fortschritt“, wenn die Ampel diese gute Absicht in die Tat umsetzen könnte!

Die Federführung für vernetzte Außen- und Sicherheitspolitik liegt im Auswärtigen Amt. Unter Führung der Außenministerin Annalena Baerbock müssten endlich außen- und sicherheitspolitische Ziele definiert, Strategien formuliert und Konzepte erarbeitet werden. Dazu braucht man bundespolitische Erfahrung und Durchsetzungsvermögen.

Eine sehr wichtige Rolle bei der Realisierung vernetzter Außen- und Sicherheitspolitik spielt natürlich das Verteidigungsministerium, insbesondere weil auf dieser politischen Grundlage unsere Streitkräfte ihre Aufträge im Rahmen der NATO und in Auslandseinsätzen erfüllen müssen. Dazu braucht die politische Leitung viel Erfahrung und möglichst auch Fachwissen. Christine Lambrecht hat bundespolitische Erfahrung und hat sich als Justizministerin bewährt, sicherheitspolitisches Fachwissen fehlt ihr. Und es ist viel zu kurz gesprungen, wenn sie als Verteidigungsministerin schwerpunktmäßig die Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüfen will.

Die Entwicklungspolitik ist insbesondere im Rahmen der Auslandseinsätze ein unverzichtbarer Teil vernetzter Außen- und Sicherheitspolitik. Wie die umweltpolitische Lage Deutschlands zeigt, war Svenja Schulze eine weniger erfolgreiche Umweltministerin und im Hinblick auf das Amt der Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte wohl kaum jemand an sie gedacht. Auch ihr fehlen in fachlicher Hinsicht die Grundlagen.

Da Außen- und Sicherheitspolitik in Zeiten terroristischer Bedrohungen und Überlastungen durch Migranten von der Innenpolitik inhaltlich nicht klar zu trennen sind, spielt auch das Innenressort bei einem vernetzten Ansatz eine wichtige Rolle. Mit der Besetzung des Innenressorts durch eine bundespolitisch unerfahrene Landespolitikerin, die lediglich zwölf Jahre lang innenpolitische Sprecherin in Hessen war, ist Nancy Faeser die vierte unerfahrene und fachfremde Frau im Bunde.

Die Welt ist „aus den Fugen“! Deutschland ist ein „Sanierungsfall“ in einer desolaten EU und hat in vielfältiger Weise die Entwicklung verschlafen. Deutschland hat in Europa und der Welt als sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer Vertrauen verloren und ist im Hinblick auf die Erfüllung der NATO-Verpflichtungen nicht hinreichend einsatzbereit und die mittelfristige Finanzplanung lässt derzeit nicht erwarten, dass wir die Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte bis 2031 nach NATO-Kriterien wiederherstellen können. Es sind unendlich viele außen- und sicherheitspolitische Probleme zu lösen. Dazu bräuchten wir eigentlich bundespolitisch erfahrene und sachkundige Fachleute und keine Anfänger.

Mit den jetzt ins Amt kommenden Anfängerinnen werden wir unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik wohl nicht hinreichend wertebasiert und europäischer aufstellen können. Die Zeiten der Bundeswehr im Zustand der eingeschränkten Einsatzfähigkeit werden wohl mit diesem Team nicht enden. Damit wird es für Deutschland schwer werden, das Vertrauen Europas, der NATO und der Welt zurückzugewinnen. Und das Vertrauen unserer Soldaten in die politische Leitung und militärische Führung wird wohl in dieser Konstellation nur schwer zurückzugewinnen sein. Die Soldaten sind unglaubwürdige Ankündigungen unfähiger Minister*innen leid!

Das heruntergewirtschaftete Deutschland bräuchte für die Regeneration und zukunftsorientierte Entwicklung – für den angekündigten „Fortschritt“ -sachkundige und erfahrene Leistungsträger und Leistungsträgerinnen, um in unserer „aus den Fugen geratenen Welt“ bestehen zu können!

(07.12.2021)

 

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