Hans-Heinrich Dieter

US-Truppenreduzierung?   (08.06.2020)

 

Die USA erwägen offenbar die Reduzierung ihrer in Deutschland stationierten Soldaten um etwa 9500 auf dann 25000 US-Truppen. Die Soldaten sollen entweder in die USA zurückverlegt oder zumindest zu Teilen in Polen stationiert werden. Solche Ãœberlegungen sind nicht neu. Schon vor dem NATO-Gipfel im Juni 2018 wurden unausgegorene Planungen des US-Präsidenten bekannt, alle in Deutschland stationierten US-Truppen abzuziehen – daraus ist bisher nichts geworden. Das Verteidigungsministerium ist bisher davon noch nicht in Kenntnis gesetzt und auch die NATO wurde nicht informiert.

Der frühere Befehlshaber der US-Truppen in Europa,  Hodges, hat die Entscheidung von Trumps Kernteam bereits als „kolossalen Fehler“ bezeichnet und meint: „Die Entscheidung illustriert, dass der Präsident nicht verstanden hat, wie essenziell die in Deutschland stationierten US-Truppen für die Sicherheit Amerikas sind.“

Der Vorgang zeigt, dass es dem „tumben Trump“ an politischem Stil und an Verständnis für die Wertegemeinschaft der NATO mangelt. Von einem politisch derart irrlichternden US-Präsidenten kann man auch nicht erwarten, dass er die geopolitische und strategische Rolle der Bundesrepublik Deutschland für die USA und die gesamte westliche Welt in der Zeit des Kalten Krieges bis in die heutige Zeit versteht. Und diese geopolitische und geographische Bedeutung Deutschlands für die USA heute wird auch dadurch dokumentiert, dass die militärischen Operationen und Aktivitäten der US-Streitkräfte in den Nahen und Mittleren Osten, nach Afrika und nach Osteuropa hinein ohne die Stationierung in deutschen Standorten nur sehr eingeschränkt möglich wären. Und Trump weiß nicht oder übersieht gerne, dass die Bundesrepublik zur Wahrung solcher „US-Eigeninteressen“ für ein Drittel der amerikanischen Stationierungskosten in Deutschland aufkommt – und was wären die USA ohne Ramstein Air-Base als strategisches Drehkreuz und ohne das US-Militärkrankenhaus in Landstuhl, wo alle verwundeten oder erkrankten US-Soldaten aus dem Nahen Osten versorgt werden? Einer Truppenreduzierungsdiskussion sollten wir daher gelassen entgegensehen.

Und Trump verschweigt auch bei seinen hinkenden Verteidigungsinvestitions-Vergleichen, dass die hohen US-Verteidigungskosten nicht vornehmlich für die vermeintliche „Verteidigung Deutschlands“ ausgegeben wurden und werden, sondern in erster Linie für den Erhalt des Status der USA als bisher einzige militärische Superpower der Welt, zum Erhalt des Gleichgewichts der globalen nuklearen Einsatzmöglichkeiten zwischen den USA und Russland und zum erforderlichen Ausbalancieren der Machtinteressen der aufstrebenden Pazifik-Supermacht China. Die USA investieren aber auch deswegen große Geldmengen in ihre Streitkräfte, um als Supermacht interventionsfähig zu bleiben. Ãœber ihren Verteidigungshaushalt finanzierten die USA auch ihre völkerrechtswidrige Intervention in den Irak mit den bekannten desaströsen Folgen und noch heute anstehenden Folgekosten.

Letztlich schaden Truppenreduzierungen in Deutschland den USA mehr als der Bundesrepublik, denn das würde die Wahrnehmung strategischer Interessen der USA in Europa und im Nahen und Mittleren Osten beeinträchtigen, die Logistik für Übungen und Einsätze an der Nord-Ost-Grenze der NATO schwächen und für eine Stationierung von US-Truppen in Polen oder in den baltischen Staaten würden erhebliche Infrastrukturkosten anfallen.

Ein Grund für Trumps schädliche Ãœberlegungen ist natürlich, dass Deutschland die 2014 gemeinsam vereinbarte allmähliche Erhöhung der Verteidigungsinvestitionen bis auf 2 Prozent des BIP bei weitem verfehlt und entsprechende Steigerungen nicht erkennbar sind. Vielmehr beweist die Entwicklung des unzureichenden deutschen Verteidigungshaushaltes im Zusammenhang mit der stark eingeschränkten Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auch unseren NATO-Partnern ein unzureichendes sicherheitspolitisches Verantwortungsbewusstsein unserer amtierenden Politiker. Die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg schreibt zu dieser Problematik: „Die Amerikaner haben oft genug gefordert, dass Deutschland aus der verteidigungspolitischen Hängematte aufsteht. Man kann in einem Bündnis nicht das eigene Militär vergammeln lassen, den Verteidigungsetat niedrig halten und erwarten, dass im Ernstfall andere die Kastanien aus dem Feuer holen. Zudem hat Militärpolitik immer mit Außenpolitik zu tun. Deutschland gefällt sich da im Appeasement von unappetitlichen Regimen im Iran und China, es wirft sich mit Nord Stream 2 in die Arme Moskaus. Washington kann mit Recht Zweifel an der Bündnistreue Berlins hegen.“ Das darf allerdings nicht dazu führen, dass der Führungsmacht der NATO der Zusammenhalt des Transatlantischen Bündnisses nicht mehr wichtig ist. Diese Gefahr steht aber im Raum!

Denn wenn man sich in diesen Bündnis-Zusammenhängen das unsolidarische und isolationistische Verhalten der USA vor Augen führt, dann muss man doch durchaus skeptisch sein, ob die USA ihren Verpflichtungen des NATO-Vertrages in Zukunft auch nachzukommen bereit sind. Die NATO wäre daher gut beraten, wenn sie sich darauf einstellte, zukünftig unabhängiger von einem möglicherweise nationalistischen Mitglied USA zu werden und trotzdem sicherheitspolitisch handlungsfähig zu bleiben. Das bedeutet aber, dass die europäischen NATO-Mitglieder mehr Verantwortung übernehmen und ihre Streitkräfte auch einsatzfähig halten. Angesichts der militärischen Fähigkeiten des inzwischen aggressiv agierenden „Gegners“ Russland bedarf das allerdings großer Anstrengungen – auch von Deutschland!

Das sollte Deutschland begreifen und endlich seiner sicherheitspolitischen Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung und in der NATO gerecht werden. Dazu muss die Bundeswehr unverzüglich - aber spätestens bis 2031 - wieder einsatzfähig gemacht werden – das wird viel Geld kosten! Und wenn man sich das aktuelle Konjunkturpaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro ansieht und sich gleichzeitig vor Augen führt, dass der größte Einzelposten, die zeitweilige Reduzierung der Mehrwertsteuer im Umfang von 20 Milliarden Euro fast die Hälfte des Bundeswehr-Etats in Höhe von 45,1 Milliarden ausmacht, dann kann man die Größe der Herausforderungen für Deutschland in den kommenden Jahren abschätzen.

(08.06.2020)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/unzuverlaessigesdeutschland.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/americasecond.html

 

 

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