Hans-Heinrich Dieter

Unsicherer Kantonist Karsai (01.11.2011)

 

Welch ein Präsident!

Afghanistan ist es trotz massiver Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft nach zehn Jahren nicht gelungen, Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. Karsai selbst sagte der BBC, die Bemühungen um Stabilität in Afghanistan seien "gescheitert", seine eigene Regierung und die Truppen der NATO hätten es nicht geschafft, dem afghanischen Volk Sicherheit zu bringen.

Die Taliban haben in vielen Regionen Afghanistans die Initiative und agieren aus einem Gefühl der Stärke heraus. Mit der gezielten Ermordung afghanischer Politiker und spektakulären Anschlägen, etwa auf das ISAF-Hauptquartier und die US-Botschaft in Kabul, zeigen sie der internationalen Staatengemeinschaft immer wieder ihre Handlungsfähigkeit eindrucksvoll auf. Sie fühlen sich so stark, dass sie Aussöhnungsverhandlungen boykottieren und gar den Verhandlungsführer Rabbani ermorden lassen.

Präsident Karsai hingegen sitzt auf einem Pulverfass und versucht, opportunistisch zu lavieren. Er erschwert einerseits die Bekämpfung der Taliban durch die US-Truppen, indem er mehrfach wiederholt hat, dass die US-Truppen keine nächtlichen Razzien mehr durchführen und in keine Privathäuser mehr eindringen sollen.Andererseits hat Afghanistan Pakistan wiederholt vorgeworfen, Terrorgruppen zu beherbergen, die in Afghanistan Anschläge verüben und zu wenig gegen die Taliban im Grenzgebiet vorzugehen oder gar mit ihnen zusammen zu arbeiten. Nun sagte Karsai in einem Interview mit dem Fernsehsender GEO: "Sollte Pakistan angegriffen werden und das pakistanische Volk die Hilfe Afghanistans benötigen, wird Afghanistan bei euch sein." Gemeint war hier ein Angriff der USA auf Pakistan. Damit setzt sich Karsai krass von den USA ab, um im Land nicht den letzten Rückhalt zu verlieren. Dabei erfordert dieses fragwürdige Verhalten des afghanischen Präsidenten noch nicht einmal Mut, denn Karsai weiß sehr genau, dass die USA ihn mangels Alternative weiter unterstützen und an den verkündeten Abzugsplanungen festhalten werden.

Am 29.10.2011, dem "Schwarzen Freitag" in Kabul, verübten die Taliban den zweitschwersten Anschlag dieses Jahres gegen die US-Streitkräfte. 17 Menschen starben, darunter 13 US-Soldaten. Karsai erklärte daraufhin, "Die Feinde Afghanistans haben eine feige und hinterhältige Attacke ausgeführt und damit Leid bei afghanischen Familien ausgelöst." Kein Wort des Mitleids oder des Bedauerns der Verluste amerikanischer Menschenleben, die ja für die Sicherheit und Freiheit der afghanischen Bevölkerung kämpfen - und auch sterben! Karsai ist nicht nur unfähig, sein Land trotz massiver Unterstützung zu befrieden, er ist auch noch unanständig. Welch ein Präsident!

Die Lage in Afghanistan wird mit den Rückzugsplänen der Nato-Staaten und der wackeligen und teilweise korrupten Regierung unter Präsident Karsai leider instabiler. Wenn die US-Armee im kommenden Monat mit ihrem Abzug beginnt, könnten die kleinen und mittleren Erfolge im Kampf gegen die Taliban und die Korruption schnell verloren gehen.  Karsai wirkt ein wenig wie eine Marionette seiner selbst, er zieht anlassbedingt opportunistisch an unterschiedlichen Fäden. Eine solche Figur nehmen die Taliban noch nicht einmal als Gesprächspartner ernst. Die internationale Staatengemeinschaft hingegen hat keine Wahl und die Figur nutzt das aus.

(01.11.2011)

 

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