Hans-Heinrich Dieter

Unkonkret und unglaubwürdig!   (29.06.2018)

 

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich dem Vernehmen nach bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel auf verschärfte Asylregeln verständigt. Innerhalb und außerhalb der EU sollen Auffangzentren unter UN-Aufsicht errichtet werden, in denen über den Schutzstatus von Asylbewerbern entschieden werden soll. Von dort aus sollen die Menschen dann auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt oder in die Heimatländer zurückgeschickt werden. Sowohl die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten als auch die Einrichtung solcher Lager liegen allerdings im Ermessen der einzelnen Staaten und sollen damit freiwillig erfolgen. Die Grenzschutzagentur Frontex wird den Plänen zufolge bis 2020 aufgestockt, um die EU-Außengrenzen stärker abriegeln zu können – freilich ohne die EU zur Festung zu machen.

Merkel hält es für ein „positives Signal, dass man sich in der Migrationsfrage geeinigt habe.“ Linken-Chef Rixinger sprach von einer „Bakrotterklärung“. Und der Vize-Chef der CSU-Landesgruppe Michelbach meint, es sei ein positives Signal, dass sich in Europa etwas bewege und die Position der CSU habe etwas bewirkt. Richtig an der letzten Aussage ist, dass die CSU Merkel aus ihrer Lethargie hochgeschreckt und ihr unverantwortliches Desinteresse an der Durchsetzung von Recht und Ordnung entlarvt wurde, aber was bewegt sich in Europa wirklich?

Von einer wirklichen Einigung in der Migrationsfrage kann auf der Grundlage der Abschlusserklärung keine Rede sein, denn das Dokument ist in den meisten Punkten unkonkret und völlig vage formuliert. Es gibt keine konkreten Regelungen und damit auch kein ernst zu nehmendes Bekenntnis zu einer zukünftigen verbindlichen Zusammenarbeit in der Migrationsfrage. Es ist kein Ansatz zur Weiterentwicklung von EU-Regeln - insbesondere nicht der Dublin-III-Verordnung – zu erkennen. Und schließlich sind auch keine Zuständigkeiten für die Koordination von Flüchtlingsangelegenheiten festgelegt – jeder kann über seinen Beitrag oder seine Verweigerung „freiwillig“ entscheiden und von eventuellen Sanktionen ist auch keine Rede. Die EU-Kommission macht sich einen schlanken Fuß, sie schleicht sich aus der Verantwortung und macht keine Anstalten, die erforderliche Zusammenarbeit der Partner zu regeln. Der Kompromiss beschreibt den kleinsten gemeinsamen Nenner und die größtmögliche Beliebigkeit!

Merkel wollte eine „europäische Lösung“ erreichen – sie ist gescheitert! Das was sie - die Bürger zu verdummen versuchend - als “positives Signal“ im Hinblick auf eine Einigung in der Migrationsfrage wertet, ist in Wirklichkeit ein höchst enttäuschender Freibrief an die Nationalstaaten, zu machen was sie wollen. Und das wird im Zusammenhang mit der so wichtigen Eindämmung der Sekundärmigration von Flüchtlingen innerhalb Europas besonders deutlich, denn im Abschlussdokument heißt es dazu, die EU-Staaten sollten „alle notwendigen internen gesetzlichen und verwaltungstechnischen Maßnahmen“ ergreifen, um die Sekundärmigration zu verhindern „und bei diesem Ziel eng zusammenzuarbeiten“. Wer glaubt, dass dies im Zusammenhang mit der stark unzureichend ausgeprägten Solidarität nicht weniger EU-Mitglieder und angesichts des sehr stark unterschiedlich ausgeprägten europäischen Wertebewusstseins der Partner zu einer europäischen Lösung führt, ist ein Illusionist!

Auch andere wichtige Punkte sind unverantwortlich vage und unkonkret formuliert. Die Außengrenzen Europas sollen effektiver geschützt werden, durch zusätzliche Ressourcen und ein erweitertes Mandat der Grenzschutzagentur Frontex. Was ist die zukünftige Personalstärke von Frontex, wer stellt welches Personal in welchen Zeiträumen, in welcher Hinsicht und Qualität soll das Mandat erweitert werden und was sind die hoheitlichen Aufgaben der „Agentur“ – oder soll sie etwa überhaupt keine hoheitlichen Aufgaben erfüllen? Das sind Absichten und unkonkrete Ankündigungen, die der Fülle der Probleme über lange Zeit nicht abhelfen werden – wenn überhaupt jemals! Und im Zusammenhang mit der Ãœberlegung „Aufnahmeeinrichtungen“ und „Anlandeplattformen“ blockieren die nordafrikanischen Staaten jetzt schon und bisher hat sich kein EU-Partner bereiterklärt, eine Aufnahmeeinrichtung auf seinem Territorium zu errichten.

Auf der Grundlage der Abschlusserklärung muss Deutschland also versuchen, die Sekundärmigration durch bilaterale Absprachen mit anderen EU-Mitgliedern – über die Absprachen bisher unbekannter Qualität und Kosten mit Spanien und Griechenland hinaus - in den Griff zu bekommen. Wenn das nicht gelingt, müssen die Regeln der Dublin-III-Verordnung – gegen die Merkel im Herbst 2015 massiv und unverantwortlich verstoßen hat - angewandt und Flüchtlinge, die in anderen EU-Ländern bereits registriert sind, zurückgeschickt werden.

Von einer Einigung in der Migrationsfrage ist die Europäische Union also weit entfernt und ob diese „Schicksalsfrage“ jemals zu lösen sein wird, ist höchst fraglich, denn dazu müsste der Mangel an Solidarität und Wertebewusstsein vieler Mitgliedstaaten behoben werden, und das schafft die so verfasste und so schlecht geführte EU nicht. Die erbärmlich vage und sträflich unkonkrete Abschlusserklärung ist dafür ein schlagender Beweis.

Die europäische Idee ist richtig und wichtig für eine positive Zukunft europäischer Staaten im globalisierten politischen Wettbewerb. Mit der derzeitigen, desolaten EU ist diese gute Idee aber nicht zu verwirklichen. Und mit der deutschen Kanzlerin auch nicht!

(29.06.2018)

 

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