Hans-Heinrich Dieter

Terrormiliz Islamischer Staat (IS)   (22.08.2014)

 

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (früher "Islamischer Staat im Irak und in Syrien") kämpft für einen sunnitischen Gottesstaat auf der Grundlage der Scharia im arabischen Raum. Seit Mai 2010 steht der Iraker Abu Bakr Al-Bagdadi an der Spitze der IS. Ganz früher nannte sich die Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und der Levante". Das deutet auf den Anspruch hin, einen sunnitischen Großstaat zwischen Mittelmeer und Euphrat zu errichten, und macht die überregionale Gefahr offensichtlich, die von diesen sunnitisch-islamistischen Terroristen ausgeht. IS wird durch Spenden aus den Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien gesponsort, erhebt Wegezölle entlang der Grenzen zwischen Irak und Syrien und hat in eroberten Städten zahlreiche Geldquellen erschlossen. Moderne Waffen hat IS sowohl in Syrien als auch im Irak erbeutet. In den Reihen der Terrormiliz kämpfen internationale Terroreinheiten, darunter Muslime aus Nordafrika und den arabischen Golfstaaten sowie Dschihadisten aus Europa und Nordamerika.

Die sunnitisch-islamistischen Terroristen von IS werden straff geführt, haben starke fundamentalistische Überzeugungen und erklärte Ziele. Terroristische Gewalt üben sie mit äußerster Brutalität sowie barbarisch-mörderischer Konsequenz aus und zwingen die eingeschüchterte Bevölkerung in von ihnen besetzten Gebieten zu einem eher mittelalterlichen Leben nach den Regeln der Scharia. Deswegen sind sie an gleich mehreren Fronten erfolgreich auf dem Vormarsch. Ihre heutige Machtbasis legte die IS, als sie sich im Frühjahr 2013 in den syrischen Bürgerkrieg einmischte. Dort kämpft sie nicht nur gegen die Regierungstruppen Assads, sondern auch gegen die Salafisten der Al-Nusra-Front und gegen moderate Rebellengruppierungen. Die wesentlichen Erfolge haben die IS-Terroristen im Nordosten Syriens, wo sie nicht nur syrisch-kurdische Städte angreifen und die Zivilbevölkerung töten, sondern wo sie inzwischen in die strategisch wichtige Region Aleppo nahe der türkischen Grenze vorgerückt sind. IS nähert sich der NATO und die Türkei, die die IS bisher offenbar in Grenznähe gewähren ließ, ist möglicherweise bald zum Handeln gezwungen. In Syrien hat IS auch deswegen raschen Erfolg, weil Präsident Baschar al Assad sich bei der Bekämpfung der sunnitischen Terrormiliz etwas zurückgehalten hat, weil IS gleichzeitig die Freie Syrische Armee (FSA) der moderaten Opposition und teilweise auch die Al Qaida-nahe Nusra-Front bekämpfte. Nun wird IS auch für Assad zu gefährlich und deswegen hat er seine Luftwaffe schon gegen die Terroristen in Syrien aber auch im Irak eingesetzt.

Im Irak profitierte die IS vom Überraschungseffekt und vom Streit der von Schiiten dominierten irakischen Regierung unter Nuri Al-Maliki mit den sunnitischen Parteien des Landes. Bedingt durch den Ausschluss der von den USA ausgerüsteten und ausgebildeten sunnitischen Milizen von den irakischen Streitkräften, haben die die Terroristen der IS gewähren lassen, die Kurden waren auf die Gefechte zunächst nicht vorbereitet und so sind die raschen Anfangserfolge des IS im Norden des Irak zu erklären. Kurdische Milizen haben, unterstützt durch US-Luftwaffe und irakische Streitkräfte, inzwischen Erfolge im Kampf gegen IS. Und die irakischen Streitkräfte haben die Terrormiliz weit vor Bagdad aufgefangen. Die irakische Regierung bat inzwischen um internationale Unterstützung. "Die Welt hat jetzt die große Verantwortung, diese Terroristen zu bekämpfen, die den Irak und Syrien zu ihrem Schlachtfeld gemacht haben", ließ die Regierung wissen. Und inzwischen werden innenpolitisch die Rahmenbedingungen geschaffen, um dem Terror wirkungsvoller entgegentreten zu können.

Der schiitische Iran sieht in der sunnitischen Terrormiliz eine zunehmende Gefahr für die ganze Region und hat dem Irak Unterstützung zugesagt. Immerhin steht der schiitische Iran ja auch in Syrien in einem Machtkampf und mit dem sunnitischen Saudi-Arabien in einem indirekten Machtkampf um die Vorherrschaft der "richtigen" islamischen Konfession.

Die Ausrufung des Kalifats durch IS hat auch in Jordanien die Befürchtung geweckt, dass sich die Terroristen auf den Herrschaftsbereich König Abdullah II ausdehnen könnten und deswegen um internationale Unterstützung gebeten. Der israelische Regierungschef  Netanjahu hat bereits die Unterstützung seines Landes für Jordaniens Kampf gegen "islamistischen Extremismus" zugesagt. Aber ein sich etablierendes IS-Kalifat mit dem Kalifen Bagdadi steht natürlich den Ambitionen des Al-Kaida-Führers Sawahiri im Wege. Deswegen sind Machtkämpfe der unterschiedlichen islamistischen Terrororganisationen vorprogrammiert. Das reduziert die überregionale Gefahr, die von den Terroristen ausgeht allerdings keineswegs.

Diese schwierige überregionale Gefahren-Lage macht deutlich, dass die Terrormiliz IS durch die Kurden alleine nicht aufzuhalten ist, sondern im Irak nur durch koordinierte Operationen mit den irakischen Streitkräften und massiv unterstützt durch die USA sowie möglicherweise durch die arabischen Regionalmächte. Die ins Auge gefassten deutschen Waffenlieferungen an die Bürgerkriegspartei der Kurden, die sich erst in einigen Wochen auswirken können, spielen dabei eine stark untergeordnete Rolle. Die Bekämpfung der Terrormiliz in Syrien wirft allerdings zusätzliche und schwerwiegende Probleme auf. Denn wirkungsvoll und erfolgreich kann man gegen IS in Syrien nur zusammen mit den syrischen Streitkräften vorgehen. Und wenn die USA militärische Maßnahmen gegen IS in Syrien ohne Absprachen mit Assad ergreifen, dann stärken sie die Assad-Streitkräfte indirekt.

Die USA rufen inzwischen die internationale Staatengemeinschaft zum gemeinsamen Kampf gegen die Dschihadisten auf, denken über eine Ausweitung der Luftangriffe gegen die Terrormiliz IS nach und ziehen offenbar erstmals auch Angriffe auf syrischem Territorium in Betracht, weil ein erfolgversprechender Kampf gegen die islamistischen Terroristen auf beiden Seiten der Grenze zwischen dem Irak und Syrien geführt werden muss. Das Dilemma der USA ist offenkundig, deswegen müssen die Vereinten Nationen sich endlich der Terrorproblematik annehmen. Der UN-Sicherheitsrat hat diesbezüglich schon getagt - aber wie so oft ohne realisierbare Beschlüsse.

Die UN-Menschenrechtskommissarin Pillay hat den UN-Sicherheitsrat ein letztes Mal besucht und ihm Ineffektivität bei der Bewältigung der weltweiten Konflikte vorgeworfen. Durch ein verantwortungsvolleres Vorgehen hätten Hunderttausende Menschenleben gerettet werden können. Die mutige Frau hat Recht! UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat an einer Sitzung teilgenommen und sprach sich für eine neue Form der Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat aus. Millionen Menschen hätten hohe Erwartungen an das einzige internationale Gremium, das den Frieden auf der Welt bewahren könne. Die UN sollten alles daran setzen, den hohen Erwartungen beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu entsprechen. Der Antagonismus der Vetomächte USA und Russland im Falle des syrischen Bürgerkrieges könnte durch eine Kooperation im Kampf gegen die Terrormiliz IS überwunden werden. Die USA unterstützen den Irak und die Regionalmächte beim Kampf gegen IS im Irak und Russland unterstützt Syrien beim Kampf gegen IS in Syrien. Gemeinsam kämpft die internationale Staatengemeinschaft gegen die Ausbreitung des internationalen Terrorismus und aktuell gegen das Festsetzen des IS in Libyen. Vielleicht führt das später zu einer grundsätzlich neuen Form der Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat.

(22.08.2014)

 

 

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