Hans-Heinrich Dieter

Dringende Trennung von Staat und Kirche   (13.04.2019)

 

Die katholische Kirche hat im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen massiv an Vertrauen verloren und kann nicht mehr als moralische Instanz in Deutschland angesehen werden. Der vermeintliche „Reformpapst“ Franziskus hat im Februar das Thema aufgegriffen, auf einer Kinderschutzkonferenz in Rom halbherzig behandelt und deswegen auch nicht zu einem die Opfer und auch die Opferorganisationen befriedigenden Abschluss gebracht. Der Papst hat enttäuscht!

Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich mit dem Thema Mitte März ebenfalls bei ihrer Frühjahrsvollversammlung befasst. Man will Priester, die Missbrauchstäter geworden sind, schneller aus dem kirchlichen Dienst entlassen können. Der deutsche Missbrauchsbeauftragte Bischof Ackermann sagte in diesem Zusammenhang: „Wir bleiben dran, dass im Sinne der Professionalisierung und Beschleunigung solcher Verfahren eigene Gerichte eingerichtet werden.“ Gemeint sind kirchliche Disziplinargerichte – das ist aber nicht hinreichend und keine Lösung zur Bekämpfung des erkannten Ausmaßes krimineller Energie in der Katholischen Kirche. Das Ergebnis der katholischen Frühjahrsvollversammlung ist enttäuschend!

Und nun veröffentlicht auch noch der ehemalige Papst Benedikt XVI. im „Klerusblatt“, einer Verbandszeitschrift bayerischer Kleriker, Theorien zur Ursache für den Kindesmissbrauch in der Kirche. Er versucht, die gesellschaftlichen Bedingungen, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen möglich gemacht hätten, zu analysieren und macht dabei die 68er Revolution dafür verantwortlich. Auch wenn es richtig ist, dass die hochsexualisierten 68er Pädophilie betrieben oder gerechtfertigt haben (Cohn-Bendit ist ein Beispiel von vielen) und die Grünen die Aufarbeitung dieser schlimmen Vergangenheit bisher nicht – wie versprochen – geleistet haben, kann ein solch empörender „Entschuldigungsversuch“ die katholische Kirche nicht reinwaschen! Aufklärung und Ahndung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche darf solchen „Benedikts“ nicht überlassen werden, mutmaßliche Verbrecher müssen der unabhängigen Justiz überantwortet werden. Der emeritierte Papst Benedikt ist mehr als enttäuschend!

Auch Matthias Katsch, Mitbegründer des „Eckigen Tisches“ zur Aufarbeitung des Skandals ist enttäuscht über die bisherige Aufklärungsarbeit: „Die Kirche in Deutschland ist genauso wie ihre Schwesterkirchen in den USA, Australien, Irland und vielen anderen Ländern der Erde, in denen die katholische Kirche vertreten ist, in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt und hat es über Jahrzehnte verstanden, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen. … Akten wurden vernichtet, viele Fälle sind nicht richtig dokumentiert worden, die Aktenführung ist konfus“. Deswegen darf man der katholischen Kirche auch die „Selbstaufklärung“ nicht überlassen, denn es gibt offensichtlich in der Kirche Strukturen und Netzwerke, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder begünstigen und Aufklärung verhindern sowie das Thema Sexualität tabuisieren und totschweigen.

Der Staat muss also der Kirche helfen, indem er die Aufklärung im Sinne der Missbrauchsopfer selbst übernimmt. Dazu müsste das kirchliche „Selbstbestimmungsrecht“ im Grundgesetz angepasst, das Kirchenrecht teilweise geändert und die Kirchen als öffentliche Institutionen der normalen Strafgerichtsbarkeit unterworfen werden, wenn es um die Aufklärung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen geht. Denn das sind keine vermeintlich „inneren Angelegenheiten“ der Kirchen, die man im eigenen Interesse unter den Tisch kehren oder lediglich disziplinarisch regeln kann. Darüber hinaus muss man feststellen, dass die Kirchen inzwischen jegliches moralisches Recht auf eine „Sonderstellung“ in allgemeinrechtlichen Fragen verwirkt haben.

Deswegen ist es hohe Zeit, dass die gesetzlichen Regelungen, die teilweise der Weimarer Reichsverfassung entnommen sind, angepasst werden. Das braucht Zeit, muss aber dennoch zum Wohle unserer Gesellschaft in Angriff genommen werden. Die Kirchen dürfen keine „Sonderrechte“ mehr haben. Das Ziel muss es sein, Staat und Kirche klar zu trennen und die Kirchen geltendem Recht und Gesetz unterzuordnen, wie das in anderen Demokratien auch gehandhabt wird. Religiöser Glaube und Kirchenzugehörigkeit sind reine Privatangelegenheiten mündiger Bürger!

Und wenn man schon solche weitreichenden aber erforderlichen Schritte geht, dann sollte man auch gleich das Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungs-Recht der Kirchen nach Art 140 GG, das z.B. auch die ungleichen und teilweise ungerechten arbeitsrechtlichen Regelungen für Mitarbeiter der Kirchen festlegt, auf den Prüfstand stellen.

Wenn der Staat das nicht selbst in die Hand nimmt, wird den Missbrauchsopfern nicht hinreichend geholfen und dann werden die kriminellen kirchlichen Sexualstraftäter auch keiner gerechten Strafe unterzogen. In den USA und in Australien hat man das inzwischen erkannt und handelt!

Auch bei uns müssen die kriminellen kirchlichen Sexualstraftäter der unabhängigen Justiz überantwortet und einer gerechten Strafe unterzogen werden.

(13.04.2019)

 

Lesen Sie zum Thema auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/entmachtungderkirchen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/trennungvonkircheundstaat.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/besonderekirchenrechte.html

 

 

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