Hans-Heinrich Dieter

Säbelrasseln   (17.01.2013)

 

Wenn in Afghanistan und in den Grenzgebieten Pakistans der Hydra aus Al-Kaida-Terroristen und Taliban gelegentlich einige Köpfe erfolgreich abgeschlagen werden, dann wachsen sie im Maghreb oder in Syrien oder in den islamistischen Gruppierungen der westlichen Welt nach. Deswegen dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben, wir dürfen sicherheitspolitische Situationen nicht schönfärben und keinen Zweckoptimismus pflegen, sondern müssen, an realen Gefahren und sicherheitspolitischer wie auch militärischer Vernunft orientiert, alle politisch sinnvollen und rechtlich zulässigen Mittel wehrhafter Demokratien einsetzen, um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten, und das heißt, der Bedrohung durch den Islamismus aktiv entgegenzuwirken. Und natürlich betrifft es auch unsere Sicherheit, wenn sich im Norden Afrikas eine Terroristen-Hochburg etabliert.

Obwohl es auch Europa und uns betrifft, hat die ehemalige Kolonialmacht Frankreich im Alleingang entschieden, die malische Regierung militärisch zu unterstützen, fliegt seit Freitag, 11.01.2013, Luftangriffe gegen die Rebellen und ihre Einrichtungen im Norden Malis, hat auch bereits Bodentruppen in geringem Ausmaß in Marsch gesetzt und will die Bodentruppen noch auf die Größenordnung 2.500 verstärken. Vorläufiges plakatives Ziel des französischen Engagements ist es, den Vormarsch der Islamisten auf die malische Hauptstadt zu stoppen und französische sowie europäische Staatsbürger in Mali zu schützen. Die wirtschaftlichen Ziele in dem Uran- und rohstoffreichen Mali der Kolonialmacht Frankreich werden wir später erkennen und realisieren. Großbritannien hat bereits logistische Unterstützung zugesagt, die USA wollen mit hochwertigem Kriegsgerät und Lufttransport helfen und Deutschland hat entschieden, mit zwei bis drei Militärtransporten der Luftwaffe beschleunigte Verlegungen von afrikanischen ECOWAS-Truppen nach Mali zu unterstützen. Frankreich hat auf die Bitte Malis hin reagiert und den Vormarsch der Terroristen zunächst gestoppt, das ist gut.

In Deutschland  ist nun das mediale Geschrei groß und meistens anmaßend, weil oft ziemlich oberflächlich und substanzlos. In Blättern unterschiedlichster Couleur heißt es hinsichtlich des deutschen Engagements z.B.:

-        â€žDer Schritt ist bloße Symbolik, weil er eine Debatte über ein neuerliches Einsatzmandat im Bundestag auf die lange Bank schiebt.“ (Frankfurter Rundschau)

-        â€žDie Bundesregierung hilft gerade so viel, wie sie für ausreichend hält, um als engster Freund Frankreichs halbwegs das Gesicht zu wahren.  Hollande aber hätte bei seinem Einsatz in Mali mehr verdient als etwas Logistik und ein bemühtes: 'Bonne Chance!'“ (Süddeutsche)

-        â€žDie deutsche Zurückhaltung fügt sich ein in ein breiteres Bild: Die Europäer sind nicht auf der Höhe des Geschehens, die Amerikaner leisten allenfalls Nischenhilfe und drängen sich nicht vor. … Im Stich lassen darf man Frankreich jetzt nicht.“ ( F.A.Z.)

-        "Ganze zwei Transall-Maschinen werden künftig zwischen den westafrikanischen Staaten und Mali hin- und herfliegen und afrikanische Soldaten in einen Krieg transportieren, in dem es auch darum geht, Europa vor Islamisten und Terroristen zu schützen. Für jede Luftfahrtschau bringt die Luftwaffe mehr Maschinen auf.“ (Saarbrücker Zeitung)

-        "Deutschland wählte die kleinstmögliche Variante von Solidarität. Ganze zwei Transall-Maschinen werden künftig zwischen den westafrikanischen Staaten und Mali hin- und herfliegen und afrikanische Soldaten in einen Krieg transportieren, in dem es auch darum geht, Europa vor Islamisten und Terroristen zu schützen. Für jede Luftfahrtschau bringt die Luftwaffe mehr Maschinen auf als bei diesem Einsatz.“ (Lausitzer Rundschau)

-        â€žNun will die Bundesregierung etwas mehr als nichts zur Unterstützung schicken. Seht, wir machen doch mit, wird sie nun sagen können. Fehlt nur noch, dass Westerwelle ähnlich wie nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi eines Tages behauptet, Deutschland habe einen wichtigen Beitrag geleistet, um vor Europas Toren einen Terrorstaat zu verhindern". (Neue Osnabrücker)

-        â€žAber permanent ist kaum durchzuhalten, dass Deutschland sich zurückhält, während EU- und NATO-Partner an vorderster Front operieren.“ (Generalanzeiger)

Diesen euphorischen, und eher sentimentalen Beistandsempfehlungen, fehlerhaften Darstellungen und Aktivitätsermahnungen von großen Teilen des deutschen Journalismus ist ganz offensichtlich keine sicherheitspolitische Analyse vorausgegangen. Denn bisher wird nur wenig geschrieben über Stärke und Bewaffnung der islamistischen Terroristen und die Ziele ihrer Operationen. Bisher wissen wir von den Journalisten sehr wenig über die unterschiedlichen Gruppierungen der Tuareg und der Al-Kaida in Nordmali. Es ist auch nicht bekannt, wie eng diese Gruppierungen zusammenarbeiten, welche politischen Ansätze zu einer Lösung des ja nicht neuen Konfliktes es bisher gegeben hat. Die Medien berichten auch nicht über die Stärke, Bewaffnung und Einsatzbereitschaft der südmalischen Truppen. Es gibt keine tragfähigen Informationen über die Stärke und Leistungsfähigkeit der Gruppierung, die in Richtung Bamako marschiert ist, aber es gibt immer wieder stark bemühte Mutmaßungen und kühne Behauptungen, dass diese „Islamisten im Begriff waren, den Süden zu überrennen und einfach durchzumarschieren“ nach Bamako. Die Medien haben auch bisher nicht zum Ausdruck gebracht, was in welcher Zeit mit welchen Kräften nach ihrem Verständnis durch die französische Operation erreicht werden soll. Und die Medien diskutieren nicht, dass Frankreich – unsolidarisch – vorzeitig seine Truppen aus Afghanistan abgezogen hat, während die Partner noch mit erheblichen Kräften und mit großem materiellen und finanziellen Aufwand am Hindukusch engagiert sind. Kurz, diese Medien wissen nahezu nichts, versuchen sich aber im Säbelrasseln. Das Problem ist, dass sie keinen Säbel haben, den Gebrauch des Säbels nicht zu verantworten hätten und ohnehin mit Säbeln nicht umzugehen wissen. In solcher Sache sind die meisten Journalisten inkompetent, deswegen sollten sie sich schlauer machen oder etwas zurückhalten. Darüber hinaus werden sie mit unzureichend recherchierten und fehlerhaften Darstellungen, mit kühnen Behauptungen und abenteuerlichen Mutmaßungen ihrer Informations-Pflicht nicht gerecht.

Die rasch zugespitzte Lage erfordert politisches und auch militärisches Handeln. Bei der Wahl der politisch sinnvollen und rechtlich zulässigen Mittel sollten sich verantwortungsbewusste Politiker weder von bauchorientierten Idealisten, noch von säbelrasselnden Journalisten beeinflussen lassen. Es gibt eine Menge Fragen, auf die die Außenminister inzwischen bei ihrem Treffen schon Antworten gefunden haben, wenn es solche Antworten gibt, wurden sie allerdings noch nicht kommuniziert. Warum wurde nur Frankreich von Mali um Unterstützung gebeten? Warum hat Frankreich in einer Nacht und Nebel-Aktion die militärische Intervention in Mali entschieden, ohne Abstimmung mit der UN, der EU, der NATO und den engsten Freunden und Verbündeten? Warum handelt Frankreich nicht auf der Grundlage der bisher gefassten UN-Beschlüsse und Planungen der EU? Warum hat Frankreich den angeblich engsten Freund Deutschland lediglich in letzter Minute über seine Vorhaben informiert und bisher noch nicht um Unterstützung gebeten? Wen unterstützt Frankreich in Mali militärisch – eher Putschisten als eine demokratisch legitimierte Regierung? Welche politischen Möglichkeiten gibt es, den Konflikt zu entschärfen? Welche Aussicht auf Erfolg haben Verhandlungen mit den Tuareg hinsichtlich der Beendigung der Zusammenarbeit mit den Terroristen? Welches Ziel haben die militärischen Operationen Süd-Malis mit französischer Unterstützung? Gibt es einen tragfähigen Plan für die zukünftigen Operationen unter beschleunigter Einbeziehung der afrikanischen Truppen? Inwieweit müssen die bisherigen Ãœberlegungen zur Ausbildung der afrikanischen ECOWAS-Soldaten durch ein EU-Kontingent angepasst und überarbeitet werden? Erst wenn man Antworten auf diese und viele weitere Fragen hat, kann man beurteilen, welche Kräfte nach Art und Umfang erforderlich sind, um z.B. die islamistischen Terroristen deutlich zu schwächen und die Tuareg von weiteren Aktionen abzuhalten.

Wenn keiner so richtig konkret weiß, was die genauen politischen und militärischen Ziele sind, kann keiner an sicherheitspolitischer wie auch militärischer Vernunft orientiert über die politisch sinnvollen, rechtlich zulässigen und militärisch wirkungsvollsten Mittel entscheiden. Alles andere ist ein dilettantisches und amateurhaftes Laienspiel. Ein Afrika-Fachmann beschreibt die Situation treffend: „Zurzeit werden alle Möglichkeiten wie auf einem orientalischen Bazar in die Öffentlichkeit geworfen, ohne dass man überhaupt weiß, für was gekämpft wird.“ (ARD-online)

Mit der Intervention hat Frankreich dazu beigetragen, dass von der internationalen Gemeinschaft, der NATO, der EU und von Partnern Frankreichs politisch entschieden werden kann, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Die NATO wird sich in Mali richtigerweise zunächst nicht engagieren. Die EU wird ihre Planungen für eine Ausbildungsmission der veränderten Lage anpassen und Deutschland wird sich mit anderen EU-Partnern an dieser Ausbildungsmission beteiligen. Partner Frankreichs werden die Operationen der malisch/französischen Truppen logistisch unterstützen, bzw. die beschleunigte Verlegung von afrikanischen Truppenkontingenten gewährleisten. In der Zwischenzeit wird der afrikanische Kommandeur der ECOWAS-Truppen mit französischer Unterstützung einen guten und überzeugenden Operationsplan zur Zerschlagung der Islamistischen Terroristen in Nordmali entwerfen. Weitergehende Unterstützung durch Partner Frankreichs wird je nach Lageentwicklung zu entscheiden sein. Grundkonsens muss sein, dass die jetzt erforderlichen Kampfhandlungen von Südmali und Frankreich zu tragen sind und der Konflikt/Bürgerkrieg später durch ECOWAS/Afrikanische Union beigelegt werden muss.

Journalistisches Säbelrasseln ist verzichtbar, gebraucht werden die umfassende Information durch Frankreich, eine gründliche politisch/militärische Lagebeurteilung, eine Abstimmung in der EU, eine Grundsatzentscheidung des Bundestages, um ggf. auch militärisch unterstützen zu können, wenn es die Lage unbedingt erfordert. Und wenn es um wirksame Maßnahmen gegen die Bedrohung unserer Bevölkerung durch Islamisten geht, dann sollten wir in Deutschland beginnen, alle rechtlichen und polizeilichen Maßnahmen auszuschöpfen, um den islamistischen Sumpf im Großraum Bonn/Bad Godesberg auszutrocknen und die islamistischen Schläferzellen in Nordrhein Westfahlen und anderen Bundesländern aufzuspüren und handlungsunfähig zu machen. Die Geiselnahme in Algerien zeigt die Bedrohung drastisch auf und das dilettantische Vorgehen der Behörden im Zusammenhang mit dem Bombenfund im Bonner Bahnhof macht deutlich, dass wir in der Bekämpfung islamistischer Bedrohung sehr viel handlungssicherer werden müssen.

(17.01.2013)

 

 

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