Hans-Heinrich Dieter

Red Herring?   (04.03.2013)

 

Ein "red herring" ist im Politikbetrieb der englischen Sprachwelt ein probates Mittel um schnell Aufmerksamkeit zu erzielen und von anderen Themen abzulenken. Ein Red Herring muss so gestaltet sein, dass Medien sich automatisch darauf stürzen und Politiker sich sofort, ohne lange nachzudenken an der Diskussion beteiligen können. Minister de Maizière ist negativ in den Schlagzeilen und da tut ein wenig Ablenkung vielleicht ganz gut.

Der Verteidigungsminister hat jetzt in einem Interview mit BILD am Sonntag angekündigt, noch vor der Bundestagswahl ein Konzept für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vorzulegen. Er will einen Vorschlag innerhalb der Bundesregierung erarbeiten, das Ergebnis dann mit der Opposition besprechen und danach die Öffentlichkeit informieren.

Zunächst einmal drängen sich Fragen auf und das ist an sich nicht im Sinne eines Red Herring. Was hat ein Konzept für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan mit dem Termin der Bundestagswahl zu tun, außer dass die Mehrheit der Bevölkerung für diesen Abzug ist? Und welche militärischen Detailregelungen soll ein solches, innerhalb der Bundesregierung erarbeitetes Konzept beinhalten?

Aus sicherheitspolitischer Sicht muss es ein politisches Konzept, das die militärstrategischen Rahmenbedingungen aufzeigt, längst geben. Das letzte Mandat des Bundestages vom Januar 2013 sieht eine Verringerung der Zahl deutscher Soldaten von derzeit 4500 auf 3300 bereits vor und diesem Mandat liegen hoffentlich konzeptionelle Überlegungen zugrunde. Die Bundeswehr hat - hoffentlich zusammen mit der NATO - sicher längst ein Konzept für einen Rückzug und den gesicherten Rücktransport von 6000 Containern, 1200 gepanzerten und 500 nicht gepanzerten Fahrzeugen bis Ende 2014 nach Deutschland erarbeitet. Und da es sich bei der "Übergabe in Verantwortung" - die sich weder als eine Niederlage noch als eine Flucht aus dem deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans gestalten soll - nicht nur um eine gut organisierte "Umzugsunternehmung" handeln darf, muss ein geordneter militärischer Rückzug geplant werden, der dem militärischen Auftrag, der Sicherheitslage im Land und der Sicherheit unserer Soldaten Rechnung trägt. Schon die Grundzüge eines solchen Konzeptes übersteigen die Planungsmöglichkeiten innerhalb der Bundesregierung bei weitem.

Wenn es bei dem zu erarbeitenden Vorschlag allerdings darum gehen soll, die politischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass der Abzug der Bundeswehr im Einvernehmen mit der ISAF "klug organisiert" sowie erfolgreich durchgeführt werden kann und nicht zu einem, die Sicherheit unserer Soldaten gefährdenden, einfachen "Ausdünnen der Truppenstärken" verkommt, dann wäre die Absicht lobenswert und die Anstrengung würde sich lohnen. Da das allerdings heißt, dass eher mehr Soldaten als weniger für diese schwierige Operation gebraucht werden, und folglich ein solches, militärisch vernünftiges Konzept ab Januar 2014 keine signifikanten Truppenreduzierungen im Laufe des Jahres vorsehen könnte, wäre es eher das Gegenteil eines Wahlkampfschlagers.

Da Minister de Maizière weiß, dass sich die Bundeswehr ohnehin nicht zum Wahlkampfthema eignet, handelt es sich wohl doch um einen ungeschickt platzierten "red herring".

(04.03.2013)

 

 

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