Hans-Heinrich Dieter

 

Realistische Militärs (27.04.2012)

 

Der US-Geheimdienst hatte – möglicherweise in politischem Auftrag – den Angriff auf den Irak herbei gelogen, das amerikanische Militär hingegen hatte deutlich auf Gefahren und Risiken hingewiesen. Der republikanische Präsident G.W. Busch hat den zweiten Irakkrieg dann vom Zaun gebrochen und zu verantworten, auch in seinen verheerenden Auswirkungen auf die Region.

Im Hinblick auf das Atomprogramm des Iran gibt es, Feststellungen des US-Geheimdienstes zur Folge, keinen Beweis dafür, dass der Iran am Bau einer Atombombe arbeitet und keinerlei Anzeichen dafür, dass Teheran innerhalb von sechs Monaten waffenfähiges Uran herstellen könnte. US-Geheimdienstler und auch hochrangige Militärs warnen eindringlich vor einem Militärschlag, weil sie genau wissen, dass ein solcher israelischer Angriff iranische Gegenmaßnahmen und Vergeltung vielfältiger Art nach sich zöge und die USA und Teile der westlichen Welt automatisch in einen solchen, den gesamten Nahen und Mittleren Osten gefährdenden, Krieg hineingezogen würden. US-Präsident Obama hört Gott sei Dank auf seine Fachleute.

Ministerpräsident Netanjahu hingegen lässt keine Gelegenheit aus, von einer akuten „existentiellen Bedrohung Israels“ zu sprechen und die Bedrohung durch den Iran gleich mehrmals mit dem Holocaust zu vergleichen. Und während Washington bei dieser Diskussion auf die mahnenden Stimmen der US-Militärs hört, wird der ehemalige Mossad-Chef Meïr Dagan wegen seiner öffentlichen Warnung vor einem israelischen Angriff auf den Iran politisch massiv angegriffen.   

 Im Interview mit „Ha`aretz“ relativiert nun der israelische Armeechef, Generalleutnant Benny Gantz, das Iran-Bedrohungsszenario, das Premier Netanjahu so kunstvoll und lautstark als mögliche Kriegsrechtfertigung aufgebaut hat, erheblich. Offensichtlich rechnet der hohe Offizier nicht damit, dass der Iran eine Atomwaffe bauen wird, zumindest ist die Entscheidung dafür in Teheran nach seinen Erkenntnissen noch nicht gefallen. Natürlich ist auch Gantz der Auffassung,dass Nuklearwaffen in den Händen von islamischen Fundamentalisten in jedem Fall gefährlich sind, allerdings sieht er keine akute Bedrohung. Mit seinen Aussagen widerspricht der General in mehrfacher Hinsicht Netanjahu. Das ist mutig - aber auch richtig und geboten.

Es scheint schon eine verkehrte Welt zu sein, wenn Militärs und manchmal auch Geheimdienste als zurückhaltende und realistische Mahner vor riskanten militärischen Interventionen auftreten. Aber verantwortungsvolle, am Frieden orientierte Politik ist heute offenbar zu wichtig, um sie Macht- und Parteipolitikern und immer häufiger nach militärischen Optionen rufenden Medien zu überlassen. Gebraucht werden beratendes, militärisches Kalkül, kluge Diplomatie und maßvolle Politik von wirklichen Staatsmännern. Gemessen an seiner Politik ist Netanjahu kein solcher Staatsmann, deswegen ist es umso wichtiger, dass ein einflussreicher General nach einer an der Realität orientierten Beurteilung der Lage couragiert die Stimme öffentlich erhebt. Vorbildlich! Hoffentlich kann dieser von der Vernunft geleitete Offizier im Amt bleiben.

(27.04.2012)

 

 

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