Hans-Heinrich Dieter

Radikales Israel   (08.02.2021)

 

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) hat beschlossen, dass der israelisch-palĂ€stinensische Konflikt in seine ZustĂ€ndigkeit fĂ€llt. In einer Grundsatzentscheidung urteilten die Richter, die PalĂ€stinensische Autonomiebehörde könne die Strafverfolgung von möglichen israelischen Kriegsverbrechen in den besetzten Gebieten an das Gericht delegieren. Auf dieser Grundlage könnten israelische StaatsbĂŒrger, aber auch radikale PalĂ€stinenser auf der internationalen Anklagebank landen.

Israel hat zwar das Römer Statut von 1998 unterzeichnet, das zur GrĂŒndung des ICC fĂŒhrte, ratifizierte es aber nicht. Die Autonomiebehörde trat hingegen 2015 bei und forderte Ermittlungen gegen Israel, allen voran wegen des Gaza-Krieges im Jahr 2014, der viele Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gefordert hatte. Da nur Staaten Mitglied des Gerichts werden können und es einen Staat PalĂ€stina nicht gibt, standen die Richter vor der Frage, wie die Autonomiebehörde einzustufen sei. Dabei hielten die Richter fest, es gehe nicht um die Verfolgung von Staaten, sondern von möglichen schweren Straftaten von Einzelpersonen, vornehmlich von Kriegsverbrechen. GemĂ€ĂŸ dem Urteil fallen nun alle Gebiete, die Israel im Sechstagekrieg 1967 besetzt hat, in die ZustĂ€ndigkeit von Den Haag: Gaza, das Westjordanland und Ostjerusalem.

MinisterprĂ€sident Benjamin Netanyahu reagierte extremistisch und warf dem Gericht „puren Antisemitismus“ vor. Dann behauptete er, der Internationale Strafgerichtshof sei gegrĂŒndet worden, um Verbrechen wie den Holocaust der Nazis gegen das jĂŒdische Volk zu verhindern – wenn das zutrĂ€fe, dann hĂ€tte Israel das Römer Statut auch ratifizieren können! Und er unterstellt diffamierend: „Nun richtet er sich gegen den einzigen Staat des jĂŒdischen Volkes.“ Das Gericht mache die „ungeheuerliche Behauptung“, es sei ein Kriegsverbrechen, wenn Juden in ihrem Heimatland lebten. Und wenn sich das demokratische Israel gegen „Terroristen verteidige, die unsere Kinder umbringen, unsere StĂ€dte beschießen“, begehe es in dieser Sicht ein weiteres Kriegsverbrechen. Der rechtsradikale und mutmaßliche korrupte israelische MinisterprĂ€sident disqualifiziert sich mit solchen Diffamierungen selbst!

Tatsache ist, dass die rechtsradikale Regierung des MinisterprĂ€sidenten Netanyahu die seit 1967 besetzten und 1981 gegen internationales Recht annektierten Golanhöhen mehrfach zum Gebiet Israels erklĂ€rt hat, durch die gegen internationales Recht verstoßende Siedlungspolitik im Westjordanland den Friedensprozess im Nahen Osten torpediert und durch die Blockade des Gaza-Streifens menschenunwĂŒrdige Lebensbedingungen fĂŒr die palĂ€stinensische Bevölkerung geschaffen hat.

Israel hat sich mit UnterstĂŒtzung Trumps durch seine Siedlungspolitik immer weiter isoliert, und das UnverstĂ€ndnis selbst der besten VerbĂŒndeten wĂ€chst. Die israelische Regierung will diese wachsende Kritik aber offensichtlich nicht wirklich ernst nehmen. Israel prĂ€sentiert sich lieber als „Opfer“ und pflegt die eigene Überzeugung, dass die ganze Welt gegen das kleine Israel und Europa vom Antisemitismus getrieben ist. Dabei ist Israel mit der UnterdrĂŒckung der PalĂ€stinenser, der völkerrechtswidrigen Besiedlung des Westjordanlandes, aber auch durch Kriegsverbrechen wĂ€hrend der Gaza-Kriege – die vielfach nicht aufgeklĂ€rt und geahndet wurden - lĂ€ngst selbst „TĂ€ter“ geworden.

Deswegen ist es zu begrĂŒĂŸen, dass der ICC bereit ist, Verfahren wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den seit 1967 von Israel besetzten palĂ€stinensischen Gebieten zu eröffnen. Aber auch die radikalislamische Hamas, die Israel aus dem Gazastreifen mit Raketenangriffen terrorisiert, muss mit Ermittlungen rechnen. Es ist wichtig, dass der Strafgerichtshof gegen beide Seiten unvoreingenommen vorgeht, und so seine UnabhĂ€ngigkeit unter Beweis stellt. Denn die Menschenrechtsnormen, die nach 1945 vereinbart wurden, gelten universell und ausnahmslos fĂŒr alle. Die Juristen des ICC sollten sich dabei von Netanjahus ungerechtfertigten und diffamierenden Antisemitismus-VorwĂŒrfen nicht beeindrucken lassen!

(08.02.2021)

 

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