Hans-Heinrich Dieter

Putinjünger   (22.12.2014)

 

Die bayerische Musikerin und Kaberettistin Lizzy Aumeier ist rücksichtslos, ungeniert und deftig gerade raus. In der Sendung Querköpfe des Deutschlandradios fragte sie kürzlich sinngemäß: Was passiert, wenn man Putin in den Arsch tritt? Und sie kannte auch gleich die Antwort: Schröder holt sich einen Nasenbeinbruch. Wenn man sich den jüngsten anmaßenden und peinlichen Aufruf voller Klischees, Plattitüden und unverschämter Ratschläge von 60 mehr oder weniger Prominenten unserer Republik zu Gemüte führt, bekommt man Angst um eine ganze Reihe von Nasen.

Die SPD ist offenbar besonders gefährdet. SPD-Außenminister Steinmeier machte als Jünger von Altkanzler und Gazprom-Lobbyist Schröder wie so häufig den Anfang bei Putinversteher-Politik. Ungeachtet der Richtlinie von Kanzlerin Angela Merkel hat er die Sanktionen jetzt infrage gestellt, indem er die Sorge äußerte, dass Russland destabilisiert werde, wenn Europa die Sanktionen nicht lockere. Steinmeier achtet offenbar das Erbe der Ostpolitik Willy Brandts höher als die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin und treibt lieber einen neuen Keil in die Große Koalition als dass er Putin enttäuscht. Und angesichts des starken Rubel-Verfalls mehrt sich in der SPD sowie bei Wirtschaftsvertretern Kritik an den westlichen Sanktionen gegen Russland. Da möchte Parteichef Gabriel nicht abseits stehen und meint, es dürfe nicht darum gehen, "Russland auf die Knie zu zwingen. Deshalb ist die Forderung, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, falsch." Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich hat nun für ein schrittweises Zurückfahren der Sanktionen gegen Russland plädiert: "Sollten in den kommenden Wochen die Waffenruhe in der Ostukraine, eine nachprüfbare Umsetzung der Minsker Vereinbarung und eine sicherheitspolitisch verlässliche Atmosphäre hergestellt werden können, müssen auch die Sanktionen nach und nach überprüft und zurückgenommen werden." Schließlich seien die Sanktionen kein Selbstzweck. Auch der frühere SPD-nahe NATO-Militärausschussvorsitzende Kujat hat vor einer weiteren wirtschaftlichen Destabilisierung Russlands durch Sanktionen des Westens gewarnt. Ein Konflikt sei nur lösbar, "wenn der Gegner rational handlungsfähig ist", meint er, denn eine Großmacht wie Russland bestrafen zu wollen, führe in die Irre.

SPD-Politiker sind angesichts der von Russland betriebenen Destabilisierung der europäischen Sicherheitsarchitektur durch neo-imperialistische Großrusslandpolitik, der Destabilisierung der Ukraine und der ungenierten, völkerrechtswidrigen Annexion der Krim geradezu gefährlich, weil sie trotz der von Putin aufgekündigten Partnerschaft in der deutschen und europäischen Ostpolitik die Spaltung deutscher Politik betreiben und damit die fragile Einigkeit Europas in dieser schwierigen Phase der Sicherheitspolitik gefährden. Gabriel gibt sich als gefährlicher neuer "Genosse der Bosse", wenn er sich eher von profitorientierten Wirtschaftsinteressen leiten lässt als von werteorientierter Europapolitik. Der SPD-Außenpolitiker Mützenich, der anderen unterstellt, sie betrieben Sanktionen als egoistischen Selbstzweck, lässt sich - wie Steinmeier - von Wunschbildern leiten und übersieht beflissentlich reales politisches Handeln Putins. Und Kujat unterstellt, entgegen der Analyse von Fachleuten, dass die Destabilisierung Russlands hauptsächlich durch Sanktionen des Westens verursacht sei. Dabei übersieht er gerne, dass die russische Wirtschaft seit etwa sieben Jahren stagniert und hauptsächlich unter der selbstverschuldeten ökonomischen Strukturschwäche leidet. Die von Putin und der Nomenklatura im Kreml "verlachten" moderaten Sanktionen des Westens tragen lediglich zur Verschärfung der durch Putins Reformunfähigkeit verursachten Krise bei und können doch eine "Großmacht" nicht auf die Knie zwingen.

Wunschbilder sind schädlich in der Politik. Deswegen hat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Röttgen, recht, wenn er feststellt, die Sanktionen gegen Russland müssten so lange bestehen bleiben, "wie sich an dem Grund ihrer Verhängung nichts geändert hat". Und es zeichnet sich nicht ab, dass Putin seine Ukraine-Politik ändern wird. Putin hat schon mehrfach den vagen Anschein geweckt, dass er auf der Grundlage des Minsker Abkommens im Sinne einer friedlichen Entwicklung handeln will - immer ohne sein Wort zu halten. Das Minsker Abkommen verlangt eine Waffenruhe, die Entmilitarisierung einer Zone entlang der Frontlinie vom 19. September, den Abzug ausländischer sowie vor allem russischer Kämpfer und die Kontrollhoheit für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Das ist für den notorischen Lügner Putin offenbar zu viel, denn Moskau demonstriert beharrlich die fehlende Bereitschaft, in einen realen Dialog über die Ukraine einzusteigen. Nur in der Propaganda und verbal zeigt sich Moskau friedfertig, schiebt aber die Verantwortung für den Ukraine-Konflikt immer auf jeweils gerade passende westliche Bösewichter wie die NATO und neuerdings auch auf die "Entspannungsgegnerin Merkel". Russland will keine Deeskalation. Russland wird nicht in eine Politik durch den Westen getrieben oder gezwungen. Russland macht Politik mit dem Ziel eines neuen Großrussland, koste es was es wolle.

Angesichts solcher russischer Politik sollten selbst deutsche Putinversteher in Erklärungsschwierigkeiten kommen. Die unzureichend werteorientierten Putinjünger und unsicheren Kantonisten bringt das von ihrem Kurs allerdings nicht ab. Ihnen ist es offenbar egal, dass es keinen Hauch von Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass Putin Zugeständnisse macht, wenn die Sanktionen gelockert werden, und sie sind gegenüber einem irrational und unberechenbar handelnden Putin beliebig und unterwürfig, nur damit er nicht noch unverschämter und ungenierter droht.

Deutschland hat zusammen mit Europa allen Grund, angesichts der Politik des unberechenbaren und auch nicht vertrauenswürdigen Putin, die bisherige Sanktionspolitik konsequent und unbeirrt fortzusetzen. Nur wenn Europa sich nicht auseinanderdividieren lässt, nur wenn Deutschland mit einer Stimme spricht, und nur wenn wir erkennbar bereit sind, für unsere Werte und Vertragsverpflichtungen konsequent einzustehen, bleiben wir für den unberechenbaren Großrussen Putin berechenbar. Nur einem einigen, starken und konsequenten Europa gegenüber, das politisch mit den USA an einem Strang zieht, wird Russland möglicherweise dann Zugeständnisse machen, wenn die russischen Verhältnisse sich zu stark nachteilig entwickeln. Wenn wir Schwäche zeigen, wird Putin das ausnutzen und wir müssen dann unter möglicherweise noch schlechteren politischen Vorzeichen in Europa leben.

(22.12.2014)

Lesen Sie zum Thema auch: http://www.hansheinrichdieter.de/html/grossrusseputin.html

 

 

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