Hans-Heinrich Dieter

Provokateur Putin   (22.10.2016)

 

Bundeskanzlerin Merkel hat in der letzten Woche zum Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Berlin auch den französischen Präsidenten Hollande und zeitweise den ukrainischen Staatschef  Poroschenko eingeladen. Unter der Maßgabe: „Sprechen ist immer wieder notwendig, auch wenn die Meinungen sehr stark auseinander gehen.“ sollte im Normandie-Format über die Umsetzung des Minsker Abkommens zur Beendigung des Ukraine-Krieges gesprochen, und später auch der Bürgerkrieg in Syrien thematisiert werden.

Putin hatte schon kürzlich deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er eigentlich Besprechungen im Normandie-Format zum Ukraine-Konflikt nicht mehr für nötig hält. Die Kanzlerin hatte aber im Vorfeld des Gipfels im Zusammenhang mit den syrischen und russischen Kriegsverbrechen in Aleppo von weiteren Sanktionen gesprochen und das hat Putin sicher sehr hellhörig gemacht.

Herausgekommen ist erwartungsgemäß bei dem Gipfel sehr wenig. Zumindest kann Merkel die Skizze einer Roadmap für die Umsetzung des Friedensplans für die Ost-Ukraine vorweisen. Die Details müssen freilich noch durch die Außenminister erarbeitet werden. Ein positives Zeichen ist auch die Verständigung auf eine bewaffnete Polizeimission der OSZE, mit der die geforderten Kommunalwahlen in der Ostukraine ermöglicht werden könnten. Bisherige Erfahrungen zeigen allerdings, dass die Verwirklichung einer solchen bewaffneten OSZE-Polizeimission, beginnend mit der Gewinnung des geeigneten Personals, sehr schwierig werden wird. Verbal hat Putin ja schon häufiger Zugeständnisse gemacht - allerdings um Zeit zu gewinnen nicht um sie ehrlich umzusetzen.

Wichtig war, dass Merkel und Hollande mit Putin dann noch eine „sehr klare und auch sehr harte Aussprache“ über Russlands Rolle im syrischen Bürgerkrieg und in Aleppo hatten. Merkel sagte nach dem Treffen: „Die Bombardierungen, die dort stattfinden sind unmenschlich.“ Und Hollande war noch deutlicher: „Was gerade in Aleppo passiert, ist ein Kriegsverbrechen. Ein echtes Kriegsverbrechen.“ Deswegen sollen weitere und schärfere Sanktionen als Option auf dem Tisch bleiben.

Putin gibt sich immer so, als ob ihn Sanktionen herzlich wenig kümmern. Deswegen hat er als Provokation zum Gipfel nach Berlin auch ostentativ Wladislaw Surkow, der von der Europäischen Union im Zuge der Sanktionen wegen der Ukraine-Krise 2014 mit einem Einreiseverbot belegt wurde, per Ausnahmegenehmigung mitgenommen. Aber im Hinblick auf den EU-Gipfel und Merkels Einfluss hat er die „klare und harte Aussprache“ offenbar doch ein wenig ernst genommen und ließ die Bombardements auf Aleppo etwas früher einstellen und hat die Verlängerung der Feuerpause in der umkämpften Stadt angekündigt.

Gespräche mit Putin sind politisch wichtig, denn es ist eine Binse, dass mehrere aktuelle Probleme in der Welt nicht ohne Russland zu lösen sind. Der Wert solcher Gespräche für die tatsächliche Problemlösung ist erfahrungsgemäß aber gering zu schätzen. Denn Putin ist inzwischen kein politischer Partner mehr, sondern ganz bewusst zum geopolitischen Gegner geworden. Putin hat mit der Annexion der Krim deutlich gemacht, dass er bereit ist, für seine Interessen das Völkerrecht zu brechen. Mit seiner hybriden Kriegsführung und der ständigen Destabilisierung der Ukraine hat Putin der Welt gezeigt, dass Russland die Souveränität und Integrität benachbarter Staaten nicht anerkennt. Und spätestens im Zusammenhang mit Aleppo müsste eigentlich auch den Putinverstehern klar geworden sein, dass der Neo-Großrusse Putin für seine geostrategischen Ziele militärische Mittel rücksichtslos einsetzt und dabei vor Kriegsverbrechen nicht zurückscheut. Wenn Putin weiterhin „Partner“ wäre, dann würde er nicht seit vier Jahren Syrien-Resolutionen im Weltsicherheitsrat blockieren. Solange Putin seine derzeitige Politik gegen die Ukraine und in Syrien fortsetzt, ist er für die westliche Welt geopolitischer Gegner und muss als solcher behandelt werden. Der Westen muss Putin Grenzen des Handelns verdeutlichen und Konsequenzen beim Ãœberschreiten solcher Grenzen aufzeigen. Putin und Russland müssen wissen, dass es über schärfere Sanktionen und politische Ausgrenzung auch für die Bevölkerung wirklich teuer wird, die destruktive völkerrechtswidrige Politik fortzusetzen. Russland leidet erkennbar unter der Wirtschaftskrise und der verschleppten Modernisierung seiner Wirtschaftsstruktur und versteht konsequentes Handeln zu seinem Nachteil.

Weil Putin weitere und schärfere Sanktionen fürchtet, hat er Kanzlerin Merkel kurzfristig ernst genommen und kleine Zugeständnisse im Hinblick auf die Ukraine und Syrien gemacht. Jetzt kann er allerdings aufatmen und sich über seine Gegner lustig machen.

Beim EU-Gipfel in Brüssel konnte sich Merkel nicht durchsetzen und deswegen kam es nicht zur geplanten einstimmigen, wirklichen Verurteilung russischen Handelns in Syrien mit der gemeinsamen Festlegung weiterer und schärferer Sanktionen. Auch vorbereitet durch den putinfreundlichen, windelweichen und wertevergessenen deutschen Außenminister Steinmeier beim vorangegangenen EU-Außenministertreffen, haben sich insbesondere Italien, Ungarn und Griechenland gegen weitere Sanktionen ausgesprochen. Die bisher in Sanktionsfragen gegenüber Russland einige EU ist inzwischen auch in dieser Frage gespalten und handlungsunfähig.

Die EU als bisher konsequenter Gegner Russlands im Ukraine-Konflikt macht sich darüber hinaus augenblicklich vor der Weltöffentlichkeit lächerlich. Die größte Wirtschaftsmacht der Welt ist unfähig, ein Freihandelsabkommen mit einem befreundeten Staat abzuschließen und zeigt sich als unzuverlässiger und zerstrittener Verhandlungspartner. Vor einem solch schwachen Gegner braucht man keinen Respekt zu haben, über eine solche „Lachnummer“ darf man aus russischer Sicht nicht nur lachen sondern man kann auch in Zukunft ungehindert politisch provozieren und die eigenen geostrategischen Ziele mit militärischen Mitteln rücksichtslos - einschließlich des Verübens von Kriegsverbrechen - durchsetzen. Politische Isolierung braucht Russland auch nicht wirklich zu fürchten, denn Putinfreunde wie Steinmeier werden die Gesprächsfäden immer wieder zu spinnen wissen - ungeachtet unserer westlichen Werte und des realen politischen Nutzens!

(22.10.2016)

 

 

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