Hans-Heinrich Dieter

Zukunft des Partnering

 

Afghanische Sicherheitskräfte ermorden in letzter Zeit zunehmend Soldaten der ISAF. Das amerikanische islamfeindliche Schmähvideo über das Leben des Propheten hat darüber hinaus zur Verschärfung der Sicherheitslage natürlich auch in Afghanistan beigetragen. Die NATO reduziert deswegen nun die Ausbildung der afghanischen Soldaten und Polizisten drastisch – auf unbegrenzte Zeit. Außerdem ist auch das Partnering betroffen, denn gemeinsame Operationen der ISAF und der afghanischen Sicherheitskräfte unterhalb der Bataillonsebene sind bis auf weiteres ausgesetzt. Die NATO ist nun zwar bemüht, keine Zweifel an dem Kernelement ihres Konzeptes in Afghanistan aufkommen zu lassen, und betont, das Partnering in vollem Umfang fortsetzen zu wollen, wenn die Sicherheitslage das erlaubt – das kann dauern und die Zeit läuft davon. Tiefe Skepsis ist angebracht.

„Partnering“ ist ein schönes Wort und politisch gut zu vermarkten. Als militärisches Konzept muss es allerdings mit Leben erfüllt werden und in der kriegerischen Praxis funktionieren. Partner arbeiten auf Augenhöhe vertrauensvoll eng zusammen, stehen füreinander ein und helfen sich gegenseitig bedingungslos. Aus der realen Lage zwischen Soldaten, Einheiten und Verbänden der ISAF und der afghanischen Sicherheitskräfte ergibt sich ein solches stabiles Partnerschaftsverhältnis bisher wohl nicht flächendeckend.

Die ISAF-Truppen kommen aus einer anderen Kultur, sind militärisch weit überlegen und werden von nicht wenigen Afghanen als Besatzer wahrgenommen. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind bisher noch unzureichend ausgebildet und zu eigenständigen Operationen nur eingeschränkt befähigt. Partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist so nur mit besonders ausgeprägtem gutem Willen auf beiden Seiten möglich. Dass der gute Wille auf afghanischer Seite uneingeschränkt vorhanden ist, wird man bezweifeln können.

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind in Teilen von den Taliban unterwandert, es kommt immer wieder auch zu Desertationen und 51 durch afghanische Uniformierte ermordete ISAF-Soldaten erschüttern zwangsläufig das Vertrauen erheblich. Und wo das Vertrauen fehlt, ist Partnering nicht möglich.

Wenn das Partnerschaftsverhältnis so fragil ist, dass ein Schmähvideo geeignet ist, die Sicherheitslage auch in den Streitkräften so deutlich zu verschärfen, dass drastische Maßnahmen der NATO ergriffen werden, die die eigene „Erfolgsstrategie“ beeinträchtigen und Fragezeichen am Erreichen des erforderlichen Ausbildungsstandes der afghanischen Sicherheitskräfte bis Ende 2014 zulassen, dann ist die Grundlage für partnerschaftliche Zusammenarbeit – und erst recht für bedingungslose gegenseitige Hilfe - nicht gegeben.

Und die Frage, ob die afghanischen Sicherheitskräfte wirkliche Partnerschaft überhaupt wollen, muss vor dem Erfahrungshintergrund von mehr als zehn Jahren grundsätzlich gestellt werden. Das muslimische Afghanistan will offenbar nicht in demokratischen Verhältnissen à la USA leben. Es wird noch Jahre dauern, bis die Afghanen in rudimentär demokratischen Verhältnissen leben können, wenn überhaupt. Die Afghanen wollen – genau wie andere Muslime in der arabischen Welt - nicht auf unsere westliche Art "selig werden" und schon überhaupt nicht an unserem "Wesen genesen". Nicht wenige Muslime verachten sogar unsere Kultur und bringen das auch gewalttätig zum Ausdruck. Auch das trägt nicht zu einem vertrauensvollen Verhältnis bei.

Auf einer solchen Grundlage ist „Partnering“ nicht möglich, allenfalls eine militärische Kooperation, bei der unsere Soldaten möglichst gut gesichert sind. Die NATO sollte daher eine Beurteilung der Lage anstellen und festlegen, welche Art der Kooperation unter welchen Rahmenbedingungen zukünftig für die Zielerreichung notwendig oder möglich ist und sich von blauäugigen Partnerschaftsvorstellungen verabschieden.

(23.09.2012)

 

 

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