Hans-Heinrich Dieter

Nukleares Pulverfass Iran

 

Das "nukleare" Pulverfass Iran wird aus sehr unterschiedlichen KanĂ€len gefĂŒllt.

Der Iran ist offenbar gewillt, sein Atomprogramm gegen alle WiderstĂ€nde und jeglichen Sanktionen zum Trotz zu zivilen und friedlichen Zwecken - wie die Islamische Republik versichert - erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Dabei ist die sehr nationalistische Rhetorik sicher nur zum Teil den anstehenden Parlamentswahlen am 02.MĂ€rz 2012 geschuldet. Dass der Iran im Hinblick auf das Atomprogramm und seine angeblich ausschließlich zivile Zielsetzung nicht mit offenen Karten spielen will, hat Teheran mehrfach zum Ausdruck gebracht, zuletzt durch die Verweigerung des Zutritts zu einem MilitĂ€rgelĂ€nde durch Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Der Iran lĂ€sst es offensichtlich auf einen Konflikt ankommen.

Nun lĂ€sst sich kein souverĂ€ner Staat der Welt gerne in die Karten schauen, insbesondere, wenn es um militĂ€rische Sicherheitsbereiche geht. Es ist aber offensichtlich, dass der Iran ĂŒberhaupt nicht, unvollstĂ€ndig oder auch verspĂ€tet ĂŒber sein Atomprogramm berichtet hat. Die westliche Welt geht deswegen davon aus, dass Teheran in dem Zusammenhang nicht die Wahrheit sagt und das Vertrauen der internationalen Staatengemeinschaft nicht verdient. Und einem Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde von 2011 zur Folge hat der Iran bis 2003 ein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen betrieben und dieses Programm zumindest in Teilen nach 2003 fortgesetzt. Was bisher noch fehlt, ist die faktische BestĂ€tigung eines fortgeschrittenen Atomwaffenprogramms. Da der Iran wegen seiner Atompolitik inzwischen nicht nur mit Sanktionen belegt sondern auch durch die AnkĂŒndigung von MilitĂ€rschlĂ€gen gewarnt ist, handelt Teheran ganz bewusst in diese Gefahren hinein und das macht die Lage umso gefĂ€hrlicher, auch wenn der Iran derzeit wohl hauptsĂ€chlich auf Zeit spielt.

Israel fĂŒhlt sich real bedroht und möchte dem Besitz von Nuklearwaffen durch den Iran auf jeden Fall entgegenwirken. Mit der Androhung eines MilitĂ€rschlages, auch ohne vorherige Konsultation der USA, hat Israel eine starke rhetorische Position bezogen, die westliche Welt aufgerĂŒttelt und den Druck auf den Iran verstĂ€rkt. Allerdings hat Israel ein GlaubwĂŒrdigkeitsproblem, da Fachleute die israelische Luftwaffe zur FĂŒhrung eines prĂ€ventiven MilitĂ€rschlages gegen den Iran fĂŒr nicht kampfkrĂ€ftig genug halten, denn es mĂŒssten möglichst in einem großen Angriff die Masse der zahlreichen, oft unterirdischen, vermutlich zur Atomwaffenproduktion genutzten Anlagen möglichst nachhaltig beschĂ€digt oder zerstört werden. Die USA wĂŒrden also zwangslĂ€ufig in einen von Israel begonnen Konflikt mit Teheran hineingezogen. Kanada und Australien scheinen die USA in einer solchen Lage unterstĂŒtzen zu wollen. Die NATO geriete in Zugzwang, wie die EuropĂ€ische Union auch. Das wissen alle Spieler um den Pokertisch. Das macht die Lage geradezu unheimlich.

Die USA befinden sich im Wahlkampf. Das alleine ist ein großer Unsicherheitsfaktor im Hinblick auf den rationalen Umgang mit dem Problem Iran. Der Irak-Krieg und das Afghanistan-Engagement haben den Haushalt der USA sehr stark belastet. Die Bevölkerung ist an sich mehrheitlich kriegsmĂŒde. Dem Friedens-NobelpreistrĂ€ger Obama steht daher nicht der Sinn nach einem neuen und zusĂ€tzlichen militĂ€rischen Abenteuer ohne völkerrechtliche und internationale Legitimation und mit schwer kalkulierbaren politischen, militĂ€rischen, wirtschaftlichen, sozialen und humanitĂ€ren Folgen fĂŒr den Nahen Osten und die Welt. PrĂ€sident Obama setzt deswegen bisher auf ein international abgestimmtes sicherheitspolitisches Vorgehen. Aber es ist Wahlkampf und die republikanischen Bewerber ĂŒberbieten sich in skurriler Scharfmacherei. Gingrich bezeichnete Obama im Zusammenhang mit dem Iran-Konflikt gar als nationales Sicherheitsrisiko, das durch seine zögerliche Politik Freunde wie Israel gefĂ€hrde und Feinden wie dem Iran in die Hand spiele. Und bei aller amerikanischen KriegsmĂŒdigkeit sind Forderungen nach militĂ€rischen Interventionen gegen Teheran oder auch Damaskus durchaus ernst zu nehmende Wahlkampfmunition, weil es um die Sicherheit Israels und die strategische Rolle der USA im Nahen Osten geht. FĂŒr Obama ist der Iran im Zusammenhang mit dem BĂŒrgerkrieg in Syrien also durchaus eine starke außen- und sicherheitspolitische Belastungsprobe.

Die Mehrzahl der arabischen Staaten fĂŒhlt sich durch das Machtstreben des Iran und seine BemĂŒhungen um nukleare Bewaffnung stark bedroht. Und das vergleichsweise entschiedene Auftreten der Arabischen Liga gegen das Regime Assads ist auch dadurch begrĂŒndet, dass der Iran - gestĂŒtzt durch die Politik Russlands und Chinas - in der Region nicht nur eine schĂŒtzende Hand ĂŒber Assad hĂ€lt, sondern das Regime auch nach KrĂ€ften im BĂŒrgerkrieg durch Waffenlieferungen unterstĂŒtzt. Dass sich Israel durch viele seiner arabischen Nachbarn in seiner Politik gegenĂŒber dem Hegemonial- und Atommachtstreben des Iran bestĂ€tigt und bestĂ€rkt fĂŒhlen kann, fĂŒllt das Pulverfass zusĂ€tzlich.

Die TĂŒrkei sieht sich im Nahen und Mittleren Osten in einer selbst auferlegten Beraterrolle. Bisher wirkt sich die TĂŒrkei aber weder auf die politische Lage in den Staaten des arabischen FrĂŒhlings noch auf die BĂŒrgerkriegssituation in Syrien erkennbar positiv aus. Auf den Iran hat die TĂŒrkei offensichtlich keinen Einfluss. Die TĂŒrkei ist kein wirklicher HoffnungstrĂ€ger in der Region.

Russland kĂ€mpft um Einfluss in der arabischen Welt. Und da ist Syrien eine letzte Bastion und der Iran eine Mittelmacht, auf die Russland mehr Einfluss ausĂŒben möchte. Insofern ist Russland, zusammen mit China, im Augenblick sehr hinderlich im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten der UN und der westlichen Welt auf den Iran und Syrien. Aber es kann auch nicht im Interesse Russlands und Chinas sein, wenn der Iran Atommacht wird. Deswegen ist zu erwarten, dass diese Veto-MĂ€chte zumindest die diplomatischen BemĂŒhungen und wirtschaftlichen Sanktionen zur Verhinderung eines Atommacht-Status des Iran zunehmend unterstĂŒtzen und gleichzeitig mĂ€ĂŸigend im Hinblick auf militĂ€rische Optionen wirken.

In nĂ€chster Zeit wird es ein GesprĂ€ch zwischen Obama und Netanjahu geben. Israel wird von den USA Garantien fordern, dass sie die Entwicklung von Nuklearwaffen durch den Iran auf jeden Fall und mit allen Mitteln unterbinden werden. Die USA werden diese Garantien nicht geben und Israel vor AlleingĂ€ngen mit unkalkulierbarem Risiko hoffentlich warnen. Unter dem Druck des Wahlkampfes wird PrĂ€sident Obama aber eine VerstĂ€rkung der internationalen Sanktionen gegen das iranische Finanzsystem und eine konsequente Durchsetzung des Ölembargos in Aussicht stellen. Die USA werden aber auch deutlich machen, dass sie eine Schließung der Straße von Hormus unter keinen UmstĂ€nden hinnehmen werden. Das wird Israel nicht genĂŒgen.

Ein prĂ€ventiver Angriff Israels gegen die iranischen Atomanlagen kann daher nicht ausgeschlossenen werden, wenn er auch zur Zeit nicht wahrscheinlich ist. Und es gibt derzeit auch keine Anzeichen, dass eine militĂ€rische Intervention solcher GrĂ¶ĂŸenordnung z.B. durch das ZusammenfĂŒhren von unterstĂŒtzenden SeestreitkrĂ€ften vorbereitet wird. Gleichwohl bleibt die Lage sehr gefĂ€hrlich und die Region ein Pulverfass.

Deswegen ist es wichtig, dass nicht nur die USA sondern auch die EU mĂ€ĂŸigend auf Israel einwirken und gleichzeitig deutlich machen, dass sie eine nukleare Bewaffnung des Iran und damit die existentielle Bedrohung Israels und der westlichen Welt nicht hinnehmen werden - mit einer militĂ€rischen Intervention als ultima ratio. Und der Iran sollte abseits aller Beschwörungen, jeder Aggression die Stirn zu bieten, endlich realisieren, dass ein militĂ€rischer Konflikt immer wahrscheinlicher wird, je mehr Teheran sein Atomprogramm vorantreibt. Bei einem solchen offenen militĂ€rischen Konflikt kann die westliche Welt nicht wirklich gewinnen, aber der Iran und seine Bevölkerung können sehr viel verlieren.

Die Verhinderung eines militÀrischen Konfliktes mit dem Iran ist jede Anstrengung wert.

(25.02.2012)

 

nach oben

 

zurĂŒck zur Seite Klartext