Hans-Heinrich Dieter

 

Die NATO im Kosovo (05.05.2012)

 

Serbien wählt am 06.05.2012 den zukünftigen Präsidenten, ein neues Parlament und Kommunalvertretungen. Die Serben im Nordkosovo wollen an den Wahlen teilnehmen. Das kann Priština natürlich nicht zulassen. Grund genug für den NATO-Befehlshaber im Kosovo, die 5700 eingesetzten Soldaten durch die operative Reserve zu verstärken. Das spricht 13 Jahre nach Beginn des Engagements des Bündnisses im Kosovo-Konflikt nicht für eine hinreichend stabile Lage. Und da stellt sich die Frage, warum die NATO nach so langer Zeit - und vier Jahre nach Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo - immer noch Frieden und Stabilität garantieren muss.

1989 erkannte Serbien dem Kosovo den Status einer autonomen Region ab. Das war auch Anlass für die Kosovo-Albaner, mit einer Untergrundarmee für die Unabhängigkeit von Serbien zu kämpfen. 1998 kam es dann zum offenen Bürgerkrieg. Im März 1999 begann die NATO -  ohne UN-Mandat - mit Luftangriffen gegen das serbische Territorium und die serbischen Streitkräfte. Die NATO hat dadurch sicher Verbrechen der Serben an den Kosovo-Albanern reduziert und zur Beendigung des Bürgerkrieges beigetragen - allerdings als Luftwaffe sowie Artillerieersatz der UCK und somit als Bürgerkriegspartei.

Erst nach Beendigung des Bürgerkrieges 1999 hat der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1244 die internationale Militärpräsenz zur Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung des Kosovo beschlossen und die nördliche Region des Kosovo mit seiner vorwiegend serbischen Bevölkerung den kosovarischen Behörden unterstellt. Seitdem ist die NATO dauerhaft vor Ort.

2008 hat Kosovo die Unabhängigkeit erklärt. Weniger als die Hälfte der UN-Nationen und nur 22 der 27 EU-Länder erkennen die Unabhängigkeit an. Aber nicht nur die Unabhängigkeit des Kosovo ist umstritten, auch das Eingreifen der NATO wird sehr kontrovers diskutiert, denn nach dem Buchstaben der UN-Charta handelte es sich um einen Bruch des Völkerrechtes und aus der Perspektive des Grundgesetzes kann die deutsche Beteiligung an den Luftangriffen als verfassungswidriger Angriffskrieg gewertet werden.

Das Engagement der NATO im Kosovo ist vor diesem insgesamt sehr schwierigen Hintergrund die zweitwichtigste Mission des Militärbündnisses neben Afghanistan. Es ist aber nicht nur die NATO, sondern es sind gleich mehrere internationale Institutionen und Organisationen, die sich um die Entwicklung des Kosovo kümmern. Die OSZE ist verantwortlich für Polizeieinsatz, EULEX unterstützt hauptsächlich die Justiz und den Zoll bei der Durchsetzung der kosovarischen Verfassung und UNMIK unterstützt weiter bei der Wahrnehmung der Regierungsverantwortung, daraus ergibt sich, zusammen mit den Verantwortlichkeiten der NATO, eine schwer überschaubare Gemengelage an Zuständigkeiten, die das Entwickeln eigenverantwortlicher Zuständigkeit der Behörden und Institutionen in Priština erschweren.

Nun wird nicht nur die operative Reserve – nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen im August 2011 - erneut in das Kosovo verlegt, sondern das Bundeskabinett hat beschlossen, dass der Einsatz von bis zu 1850 deutschen Soldaten um ein weiteres Jahr, also bis in den Juni 2013 verlängert werden soll. Die Zustimmung des Bundestages für diese Mandatsverlängerung gilt als sicher. Und das wird nicht die letzte Verlängerung gewesen sein, denn ein Ende der NATO-Mission zeichnet sich nicht ab.

Die NATO ist an dieser „never ending mission“ nicht ganz unschuldig. Ein Nato-Einsatz sollte durch ein UN-Mandat legitimiert sein. Bei einem friedensschaffenden Einsatz in einem Bürgerkrieg sollte das Militärbündnis möglichst neutral agieren und sich nicht von einer Bürgerkriegs-Partei vereinnahmen oder benutzen lassen. Die Zuständigkeiten sollten unter den internationalen Institutionen und Organisationen klar und unzweifelhaft geregelt sein. Und alle Unterstützung muss darauf abzielen, so schnell wie möglich die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des unterstützten Staates zu erreichen.

Hier werden die wesentlichen Probleme deutlich. Die Europäische Union hat die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kosovaren einseitig unterstützt, obwohl Serbien nach seiner militärischen Niederlage bereit war, dem Kosovo als Teil Serbiens weitestgehende Autonomie zuzugestehen. Unterstützt durch die EU und die NATO haben die Kosovaren nie ernsthaft über einen wirtschaftlich und politisch sinnvollen Autonomie-Status verhandelt, sondern mit starkem Nationalismus die Sezession von Serbien betrieben. Dabei hat es die internationale Gemeinschaft versäumt, ihre Unterstützung vom gegenseitigen Willen und von einer an gemeinsamen Projekten messbaren Bereitschaft der Serben und Kosovaren zur Aussöhnung abhängig zu machen.

So ist ein Staat entstanden, der politisch und wirtschaftlich noch auf Jahre von der Unterstützung der EU abhängig sein wird, der seine Sicherheit auf lange Zeit noch durch die NATO gewährleisten lassen muss und der kaum Aussicht auf Erfolg bei der Überwindung des gegenseitigen Hasses der serbischen und albanischen Bevölkerungsgruppen verspricht, auch weil keine der beiden Seiten im Kosovo wirkliches Interesse daran erkennen lässt.

(05.05.2012)

 

 

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