Hans-Heinrich Dieter

NATO gegen Schlepper?   (12.02.2016)

 

Die NATO-Verteidigungsminister haben in Brüssel über den Einsatz gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und dem Irak beraten und außerdem eine NATO-Marine-Mission in der Ägäis beschlossen.

Die Idee, die NATO bei der Überwachung der EU-Außengrenze zwischen der Türkei und Griechenland um Unterstützung zu bitten, wurde beim letzten Bittstellerbesuch von Kanzlerin Merkel bei Erdogan geboren. Nach Angaben der Bundesregierung haben dann die Türkei und Griechenland gemeinsam die NATO darum gebeten, das Seegebiet zwischen beiden Ländern zu überwachen. Erkenntnisse über Schleuserbanden sollten an die jeweiligen Behörden weitergegeben werden, um Menschenschmuggel und verbrecherischen Netzwerken besser entgegentreten zu können. Es sei nicht Auftrag der NATO, Flüchtlingsboote abzudrängen oder zu stoppen, heißt es. Die Türkei hat sich auch bereiterklärt, von der NATO entdeckte oder aus Seenot gerettete Flüchtlinge wieder aufzunehmen. In den jeweiligen Hoheitsgewässern bleiben die griechische und türkische Küstenwache ausschließlich zuständig.

Für diese Aufklärungs-Mission gegen Schlepper wird die Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG2) - derzeit unter deutscher Führung - eingesetzt, deren Hauptoperationsgebiet ohnehin das Mittelmeer ist. Der Flotten-Verband soll möglicherweise auf bis zu zehn Kriegsschiffe aufgestockt werden. Die NATO soll also helfen, die Flüchtlingsprobleme der Europäischen Union zu lösen.

Diese sicherheitspolitische Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Wenn die Europäische Union offensichtlich nicht in der Lage ist, ihre Außengrenze mit einer verstärkten FRONTEX-Küstenwache zu sichern, weil sich die zerstrittenen Mitglieder nicht auf schnelles gemeinsames Handeln verständigen können, dann sollten nicht einzelne Mitglieder ohne Abstimmung mit der EU das Militärbündnis der westlichen Welt um Unterstützung bitten, sondern die EU-Kommission selbst. Denn die Europäische Union hätte sich auch für den Einsatz einer EU-geführten Marinemission - wie vor der Küste Libyens - entscheiden können. Eine solche Entscheidung stand aber überhaupt nicht an, weil die EU-Marinemission vor Libyen sich nicht erfolgreich gegen die Verbrecherbanden gerichtet hat, sondern zu einer reinen Rettungsmission mutiert ist, die am Ende das Geschäft der Schlepper begünstigt, weil die Rettung oft kurz außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer erfolgt und die Passage in italienische Häfen dann auf sicheren Marineschiffen erfolgt. Eine solche Entscheidung war aber auch aus Sicht der EU noch nicht erforderlich, weil im mit der Türkei verhandelten Aktionsplan vorgesehen ist, dass die türkischen Behörden massiv gegen die verbrecherischen Schleuser- und Schlepperbanden vorgehen.

 Die Türkei soll also jetzt von der NATO bei einer innenpolitischen Aufgabe unterstützt werden, zu der sie sich verpflichtet hat und für die sie auch bezahlt wird. Und das zum Schutz der EU-Außengrenze unfähige Griechenland, das sich darüber hinaus lange einer Zusammenarbeit mit FRONTEX beim Schutz der Seegrenze verweigert hat, wird in seinem Schlendrian unterstützt. Außerdem ist es noch ziemlich unklar, was sich aufgrund des später durch die NATO verfügbar gemachten Lagebildes seitens der Türkei oder Griechenlands in der Steuerung der Flüchtlingsmigration verbessern soll. Griechenland weiß früher, wo in seinen Hoheitsgewässern es Flüchtlinge aufnehmen soll, um sie dann irgendwann in noch lange nicht vorhandenen Hotspots erstversorgen zu können. Die türkischen Geheimdienste und Sicherheitsbehörden müssen das beste Lagebild über die verbrecherischen Netzwerke der Schlepper und Schleuser an der türkischen Küste haben. Wie der NATO-Flottenverband, der außerhalb der Hoheitsgewässer operiert, mit seinen Aufklärungsmöglichkeiten dieses Lagebild verbessern soll, ist unklar. Da die türkischen Behörden bisher nicht erfolgreich gegen die Verbrecher vorgegangen sind, ist zu erwarten, dass durch NATO-Schiffe gerettete und absprachengemäß in türkische Häfen zurückgebrachte Flüchtlinge sich einige Tage später wieder in Schlauchboote mit fragwürdiger Seetüchtigkeit setzen, wenn sie dann noch das Geld für die Verbrecher aufbringen können.

Positiv ist, dass ein NATO-Flottenverband sich vor Ort ein Bild erarbeiten kann, wie zwei NATO-Mitglieder mit schwierigem Verhältnis zueinander in einer für Europa existentiellen Frage zusammenarbeiten wollen bzw. können und wie vertragstreu sie sich gegenüber der EU verhalten. Das aber ist nicht die Aufgabe der NATO. So wird das westliche Militärbündnis eher zu einem Werkzeug der hilflosen europäischen Symbolpolitik.

(12.02.2016)

 

 

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