Hans-Heinrich Dieter

Die NATO und Syrien   (08.10.2015)

 

Zum Auftakt des NATO-Verteidigungsministertreffens hat sich Generalsekretär Jens Stoltenberg anlässlich des russischen Eingreifens in den Syrien-Konflikt sehr besorgt gezeigt und hat eine Verstärkung des südlichen Bündnisgebietes ins Spiel gebracht, zum Beispiel durch eine Stationierung von NATO-Truppen in der Türkei. Die Verletzung des NATO-Luftraumes durch russische Kampfflugzeuge kann nicht hingenommen werden und es ist sicher richtig, dass die NATO zum Partner Türkei steht und gegebenenfalls NATO-Territorium schützt. Man darf aber nicht einfach außer Acht lassen, dass die Türkei ein stark eingeschränkt solidarischer Partner ist und derzeit einen Bürgerkrieg gegen Kurden führt. Bisher hat sich die NATO leider nicht eindeutig genug von den innen- und parteipolitischen Zielen Erdogans distanziert.

Die Gefahr eines wirklich ernst zu nehmenden syrischen Angriffs ist verschwindend gering und deswegen wird der eher symbolische Einsatz der deutschen Flugabwehrsoldaten bei "Active Fence" auch richtigerweise beendet. Die Gefahr eines russischen Angriffs auf die Türkei ist ebenfalls als äußerst gering einzuschätzen und deswegen sollten auch keine NATO-Truppen in der Türkei stationiert werden. Eine Verlängerung von „Active Fence“ sollte überhaupt nicht in Erwägung gezogen werden. Und die sehr schnell verlegbare NATO-Speerspitze als Teil der ohnehin schon verfügbaren NATO Response Force (NRF) ist das richtige abschreckende Signal an den aggressiven Putin und ein mehr und mehr neo-imperialistisch agierendes Russland. Aber es ist derzeit auch ein wichtiges und richtiges Signal an die baltischen Staaten, Polen und Partnerstaaten, dass die westliche Welt bereit ist, konsequent für ihre Werte und Partner einzustehen. Ein solches Signal ist für die Türkei weniger wichtig.

Darüber hinaus sollte man Solidarität mit Schwerpunkt dort üben, wo Solidarität auch erwidert wird. Das ist bei der Türkei in der Syrien-Krise nur stark eingeschränkt der Fall. Während eine Allianz westlicher Staaten die verbrecherischen Milizen des Islamischen Staates bekämpft oder Ausbildungsunterstützung für die kurdischen Peschmerga leistet, hat sich die Türkei zunächst dieser Allianz verweigert, die Nutzung irakischer Flughäfen für die Luftoperationen nicht gestattet und sich von IS-Dschihadisten als Transitland nach Syrien nutzen lassen. Außerdem hat Erdogan den IS bewusst gewähren lassen, um Assad zu schwächen. Und nicht wenige türkische Bürger sympathisieren mit dem IS, es gibt aktive IS-Zellen in der Türkei und über tausend türkische IS-Terroristen im Einsatz in Syrien und im Irak. Wie nun Russland nutzt die Türkei den „Kampf gegen den IS“ als Vorwand für das Erreichen ganz eigener Ziele. Die Türkei bleibt also ein sehr schwieriger NATO-Partner mit einer nationalistischen und vorwiegend innenpolitisch orientierten Haltung, die grundsätzlich nicht gegen den IS, sondern hauptsächlich gegen die PKK gerichtet ist. Bei dieser türkischen Innenpolitik dürfen sich die USA und die NATO nicht zum Komplizen machen. Sie müssen konsequent türkische Solidarität in der Außen- und Sicherheitspolitik gegen den IS einfordern und müssen immer wieder sehr deutlich machen, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein kann. Das gilt grundsätzlich auch für die EU und Deutschland im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik.

Die NATO hat sich aus dem syrischen Bürgerkrieg mit Recht herausgehalten, auch weil es den Vereinten Nationen aufgrund des Vetos Russlands nicht gelungen ist, mit einer Resolution eine tragfähige völkerrechtliche Grundlage für ein Eingreifen zu schaffen. Mit dem Eintreten Russlands in den Syrienkonflikt sind die Chancen der UN gestiegen zu einer Resolution zu kommen, die einen Beitrag zur Beilegung des Konfliktes leisten könnte. Nach den Fehlern im libyschen Bürgerkrieg sollte sich die NATO in Syrien weiterhin konsequent zurückhalten.

(08.10.2015)

 

 

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